ÜBER DIE AUSSTELLUNG
In seiner aktuellen Ausstellung INSPIRATION AFRIKA - EIN KONTINENT IM BLICK DER DEUTSCHEN BILDHAUEREI IM 20. JAHRHUNDERT vom 14. Juni 2019 – 7. Juni 2020 widmet sich das Kunsthaus Dahlem in Berlin der Rezeption des afrikanischen Kontinents in der deutschen Bildhauerei. Anhand der Werke von 12 Künstler*innen wird dargestellt, wie sich der Kolonialismus auf die Bildhauerei auswirkte, wie der Kulturhegemonialismus Exotisierung und Sehnsucht nach dem Fremden prägte, und wie nach der Kolonialzeit beziehungsweise nach 1945 tradierte Begrifflichkeiten und Darstellungsweisen oft unreflektiert fortschrieben wurden.
DER HISTORISCHE KONTEXT
Zum Ende des 19. Jahrhunderts begann das Deutsche Reich mit der Annexion afrikanischer Kolonien, die euphemistisch als »Schutzgebiete« bezeichnet wurden. Die deutsche Bevölkerung reagierte mit großer Begeisterung auf die Kolonialpolitik und auch die bildende Kunst zeigte sich davon nicht unbeeindruckt. Durch Reisen in Übersee und entsprechende Reiseberichte gelangten Eindrücke von den als exotisch
empfundenen Modellen in das Formen- und Themenrepertoire der Bildhauer. Deren Interesse an den Menschen in Afrika begründete der Kunsthistoriker Emil Waldmann 1916 damit, dass »diese Rassen noch einfache und nicht überarbeitete oder schlecht gewordene Körper darbieten, wie sie der europäische Modellmarkt im allgemeinen zu liefern pflegt.«
Erklärte man einerseits den »Afrikaner« zum naturnahen, unverfälschten Ideal, so spiegeln die skulpturalen Darstellungen und die sie begleitenden Kommentare in den frühen 1910er und 1920er Jahren zugleich die rassistische Rhetorik des Kolonialismus wieder. In den Begriffen Exotismus und Orientalismus der Kunstkritik und Kunsttheorie manifestierte sich eine romantisierende Wahrnehmung, die über die tatsächlichen Lebensumstände in den eroberten Gebieten hinwegtäuschte. Kulturelle Eigenständigkeit und Gleichwertigkeit gestanden die Weißen den afrikanischen Völkern nicht zu.
Foto: Tina Born
KÜNSTLERISCHE POSITIONEN
In der Auseinandersetzung mit Afrika entwickelten sich unterschiedliche Herangehensweisen: Künstler*innen entdeckten die afrikanische Kunst und Kultur als Motivgeber für ihre eigenen Werke. Zitate aus der afrikanischen Plastik fanden sich als Bildmotive in der Malerei und beeinflussten die Formgebung in der Skulptur. Bekannte Beispiele dafür liefern die Werke der französischen Kubisten, aber auch die Gemälde der Brücke-Maler. Befördert wurde diese Auseinandersetzung durch Publikationen von Kunsthistorikern wie Carl Einstein oder Wilhelm Worringer in denen die afrikanische Plastik nicht nur als Illustration einer als kulturanthropologische Lektüre diente, sondern auch als motivische und formale Inspirationsquelle der westeuropäischen Moderne. Nach 1945 widmeten sich Bildhauer*innen wie Jeanne Mammen oder Karl Bobek, angeregt durch eine intensive Picasso-Rezeption in Ausstellungen und Kunstkritik, erneut diesem Thema und griffen in der formalen Gestaltung ihrer Plastiken Elemente afrikanischer Kunst auf.
In ganz anderer Weise verlief die Rezeption bei Bildhauern wie Fritz Behn oder Rudolf Maison, die den Kontinent selber bereisten. Anstelle einer Integration afrikanischer Formensprache wurde der als »fremd« wahrgenommene Mensch als solcher porträtiert und oft auch idealisiert – durch strenge Ausformung der Gesichtszüge, ästhetisierte Höhung der Gesamtgestalt oder sogar, wie im Werk von Walter von Ruckteschell, durch die Adaption einer schwarzen Frau als Mariendarstellung. Dem kolonialen Blick der damaligen Zeit verhaftet, schufen die weißen Bildhauer nicht selten stereotype Darstellungen des Afrikaners als einem rassifizierten Wesen.
FRITZ BEHN
Weib, von Panther überfallen, vor 1920, Bronze, 37 x 40 x 23 cm, Sammlung Karl H. Knauf, Berlin, Foto: Bayer & Mitko, Kunstauktionshaus Neumeister München
Bernhard Hoetger, Bildnis der Tänzerin Sent'm'Abesa, 1917, Bronze (Gelbguss), 37,5 x 25,5 x 30 cm, Niedersächsisches Landesmuseum,Hannover
Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2019. © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Faszination der Bildhauer für den afrikanischen Kontinent ungebrochen. Als es die wirtschaftliche Lage erlaubte, bereisten Künstler*innen wie Gerhard Marcks und Emy Roeder in den 1950er und 1960er Jahren den Kontinent und kehrten tief beeindruckt zurück. Ihre Reiseeindrücke verarbeiteten sie in ihren bildhauerischen Werken. Es entstanden streng stilisierte und abstrahierte Skulpturen. Durch die Betonung des Formalen erfuhren diese Werke zugleich auch eine deutliche Entpolitisierung und entzogen sich auf diese Weise einer bildlichen Stellungnahme oder Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Konflikten oder tradierten rassistischen Konnotationen der Zeit.
Hans Wimmer, La Belle Africaine – ABA, 1966, Bronze, 53 x 41,5 x 31,5 cm, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Schleswig, Foto: Nick Ash, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019.
NACHWIRKUNGEN
Durch Appropriation von Bildelementen, durch Stilisierung des »Fremden« aber auch durch offenkundige Hegemonialisierung des »Europäischen« gegenüber des »Afrikanischen« in der bildenden Kunst werden Seh- und Redegewohnheiten bis in die heutige Zeit geprägt. Ein Beispiel dafür ist die Verwendung von Begriffen wie »Primitivismus« als Stil-Beschreibung afrikanischer Kunst, die ohne weitere Kontextualisierung weiterhin verwendet werden.
Erst jüngst haben diese tradierten Seh- und Redegewohnheiten eine kritische Hinterfragung erfahren, die sukzessive auch zu einer Sensibilisierung im Sprachgebrauch geführt hat. In der Ausstellung ist es daher bewusst vermieden worden, rassistisch belastete Terminologie wortwörtlich zu verwenden. Stattdessen wurde – wo notwendig – auf das Hilfskonstrukt »N*« zurückgegriffen.
LISTE DER KÜNSTLER*INNEN
Fritz Behn
Karl Bobek
Bernhard Hoetger
Rudolf Maison
Jeanne Mammen
Gerhard Marcks
Emy Roeder
Walter von Ruckteschell
Eva Schwimmer
Gustav Seitz
Hans Wimmer
Sophie Wolff
DATEN UND FAKTEN
Ort:
Kunsthaus Dahlem
Käuzchensteig 8
14195 Berlin
Telefon: +49 30 8312012
www.kunsthaus-dahlem.de