Die am 23. Mai 2020 von Zemanek-Münster durchgeführte Live Online-Auktion Voyage Tribal Art verlief eher schleppend. Nach meiner Zählung wurden während der Auktion weniger als 25% der 272 angebotenen Lose für insgesamt ca. 85.000 Euro (ohne Aufpreis) verkauft. Auch wenn bei dem Würzburger Auktionshaus erfahrungsgemäß im Nachverkauf noch einige Objekte einen neuen Besitzer finden werden, stellt sich die Frage nach den Ursachen für die Zurückhaltung der Käufer.
Dazu einige Thesen von mir, bei denen es um den Markt im Allgemeinen und um die Zemanek-Auktion im Speziellen geht.
1. Die Corona-Krise mindert die Kauflust
Gegen dieses Kaufargument ist kaum etwas zu sagen. In einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit überlegt man sich ganz genau, für was man sein Geld ausgibt - und dies ist nicht zwangsläufig Kunst.
2. Der Privathandel nimmt zu
Ich habe vereinzelt gehört, man könne im Moment sehr gut von privat kaufen. Durch das Internet (Facebook!) sind mittlerweile viele Sammler miteinander vernetzt, die natürlich auch Objekte anbieten bzw. privat kaufen. Dabei hat sich durch Facebook-Gruppen wie Great or Fake das Risiko minimiert, von anderen Fälschungen zu erwerben. Heutzutage kann jeder seine gekauften Objekte öffentlich ‚begutachten‘ lassen. Falls dann die Community der Ansicht ist, etwas sei falsch, führt dies letzten Endes oft zur Rücknahme des Objektes - andererseits müsste der Verkäufe damit rechnen, in der kleinen Tribal Art-Community einen großen Gesichtsverlust zu leiden.
Damit verlieren aber ein Auktionshaus oder auch Galeriebesitzer ihr ‚Monopol‘ bzgl. der Beurteilung eines Objekts. Viele Sammler glauben, sie bräuchten das Urteil des Experten eines Auktionshauses nicht mehr, wenn es doch Facebook gibt. Und sind deshalb auch nicht bereit, in einer Auktion mehr Geld zu bezahlen - beispielsweise das Aufgeld -, als wenn sie beim Sammler direkt kaufen. Das Aktionshaus verliert an Mehrwert. Der Sammler verkauft lieber an privat, weil er sich dadurch die Abgabe ans Auktionshaus spart.
3. Der Tribal Art Markt schwächelt
Seit fast 2 Jahren zeigt sich, dass der Markt für Tribal Art rückläufig ist. Dies gilt für die teuren Objekte im 6- und 7-stelligen Bereich, da weniger Großartiges angeboten wird und für die „mittleren“ im 5-stelligen Bereich, der es allgemein im Kunstmarkt schwierig hat: Die Objekte sind den Großsammlern und Investoren nicht teuer genug, und der ‘normale Sammler‘ kann es sich oft nicht leisten.
Zusätzlich werden die günstigen Objekte im 4-stelligen Bereich noch günstiger. Dies liegt u.a. an dem Überangebot auf dem Markt - es suchen einige Sammlungen neue Käufer, weil sich der Nachwuchs nicht dafür interessiert, mit was der Vater bzw. Großvater sein Haus vollgestellt hat.
Dazu gibt es immer mehr Auktionen von Häusern wie Woolley & Wallis, Lyon & Turnbul oder De Zwaan, von Millon oder Ader, in denen Hunderte von Tribal Art-Objekte für 3-stellige Preise aufgerufen werden. Die Auktionsangebote sind zumeist sehr heterogen und haben viele Lose, die bestenfalls ‚dekorativ‘ sind. Aber sie tragen mit zu einem neuen (Billig-) Preis-Blick auf die traditionelle Kunst der Indigenen bei.
Dass sich die Diskussion in den sozialen Medien oft auf die Authentizität von Objekten fokussiert, hat übrigens dazu geführt, dass immer weniger Interessenten einen Blick für Qualität haben und deshalb nicht einsehen, warum sie teurere Objekte kaufen sollen („ist doch auch echt…“). Es fehlt an Angeboten, um „Sehen zu lernen“.
Ein weiterer Grund für den Preisdruck: Durch Plattformen wie Arthkade herrscht eine enorme Transparenz über das Auktionsgeschehen, Dementsprechend sind viele höchstens bereit, für ein Objekt nur das Geld zu bezahlen, für das es bei einer vergangenen Auktion zugeschlagen wurde. Damit verliert der Verkäufer aber Geld, weil er beispielsweise die Auktionsgebühren nicht draufschlagen kann.
4. Das Angebot von Zemanek-Münster bei der Auktion war nicht aufregend genug
Für mich persönlich gab es in der Zemanek-Auktion wenige wirklich spannende Objekte. Ich konnte kaum Entdeckungen machen. Dies lag vielleicht daran, dass es zumindest mir manchmal vorkam, als hätten Händler versucht, ihre gute B-Ware, die sie schon seit einiger Zeit im Lager haben, zu monetarisieren. Aber Achtung: Dies ist mein ganz persönlicher Eindruck, andere mögen es anders sehen.
Für mich war die Mehrheit der angebotenen Lose durchaus gut, sie löste aber keinen Haben-Müssen-Reflex aus.
5. Hohe Aufrufpreise sind im Moment kontraproduktiv - auch wenn sie eigentlich realistisch sind
Zemanek-Münster ruft seine angebotenen Lose sicherlich nicht unrealistisch hoch auf, schließlich müssen sie dem Trend entgegengehen, dass Tribal Art verramscht wird. Andererseits: Wenn die Preise bei anderen Auktionshäusern und durch den Privathandel fallen, und dazu Zemanek eben recht weniger Must-Have-Objekte anbietet, dann kann sich das Würzburger Auktionshaus diesem Trend nicht ganz entziehen, da es bzw. der Einlieferer sonst auf der Ware sitzen bleibt.
Die nicht niedrigen Aufrufpreise führen zu einem weiteren Problem, das bei der Live-Auktion besonders deutlich wurde: Es fehlte an Bietduellen, die sich oft bei niedrigeren Aufrufpreisen einfinden. Es gibt kaum etwas Langweiligeres als vergeblich aufgerufene Objekte, die keinen Käufer finden. Dies trägt auch dazu bei, dass es der Auktion an Event-Charakter fehlt - ein wichtiger Grund für die Durchführung von Auktionen.
6. Der Live Online-Auktion hat es an ‚Live-Feeling‘ gefehlt
Ich gebe zu, dass ich bei der Zemanek-Auktion von 23. Mai erst etwas später eingestiegen bin. Und ich dachte dann zuerst, meine Internetverbindung wäre nicht in Ordnung. Aber dann bemerkte ich, dass dies wohl Absicht war: Es gab keine Bild- oder Tonübertragung der Auktion. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es einen Auktionator gab, oder alles nur vollautomatisch abgewickelt wurde.
Eine Live-Auktion macht eigentlich nur dann Sinn, wenn der Live-Charakter zumindest ansatzweise vorhanden ist. Dies war bei Zemanek nicht der Fall. Selbst das kleinste Auktionshaus zeigt bei Live-Auktionen den Auktionator oder lässt zumindest seine Stimme vernehmen, so dass man wenigstens ein wenig Auktionsfeeling hat. Gibt dies die Auktionsplattform von Zemanek-Münster nicht her?
Ich darf erst gar nicht daran denken, wie vor kurzem das Auktionshaus Hammer seine Auktion durchgeführt hat. Wie Jean David bis spät am Abend mit einer 2. Kamera durch die Räume gefegt ist, um Detailaufnahme von den Objekten zu zeigen, wie er 5-sprachig um Objekte auch schon im 2-stelligen Bereich gekämpft hat. Am Ende war David sichtlich erschöpft - aber wohl auch glücklich: die Auktion ist zumindest aus meiner Sicht sehr gut gelaufen.
Natürlich ist David Zemanek kein Entertainer wie Jean David und hat andere Qualitäten. Aber etwas mehr Stimmung darf wirklich sein. Ich fand es geradezu deprimierend.
Zusätzlich wurde bei der Zemanek-Auktion zumeist der Mindestpreis aufgerufen, und wenn kein Gebot ankam, fiel das Los durch. Es wurde aber so gut wie nie versucht, mit spontanen niedrigen Preisen Kauflust zu wecken, die Aufrufpreise schienen Gesetz. Wenn mal etwas unter dem unteren Schätzpreis angeboten wurde, dann blieb einem die innere Logik dafür unklar.
7. Die Objekte konnten vor Ort nicht angeschaut werden
Aufgrund der Corona-Restriktionen war es nicht möglich, sich die Objekte vor Ort anzuschauen. Dieses ist aber vor allem für erfahrene Sammler unerlässlich. Sie möchten das Objekt erspüren: Es von allen Seiten anschauen, es in die Hand nehmen und Nutzungsspuren nachvollziehen. Weil diese Möglichkeit gefehlt hat, haben manche von ihnen wohl erst gar nicht an der Auktion teilgenommen.