Vom 10. Juli 2020 bis zum 28. Februar 2021 zeigt das Münchner Museum Fünf Kontinente die Ausstellung Tikimania. Bernd Zimmer, die Marquesas-Inseln und der europäische Traum von der Südsee. In ihr werden Arbeiten des bedeutenden deutschen Künstlers Bernd Zimmer kontrastiert mit fabelhaften Objekten der Marquesaner, von denen viele um 1800 gesammelt wurden.
Bernd Zimmer wurde bekannt als einer der 'jungen oder neuen Wilden', die Ende 1970er/Anfang der 1980er Jahre vor allem von Düsseldorf (mit Malern wie den Oehlen-Brüdern oder Martin Kippenberger) und Berlin (mit Fetting, Salome, Bach und eben Zimmer) aus den Kunstmarkt mit ihren expressiven Bildern aufmischten. Im Gegensatz zu seinen Kollegen malte Zimmer aber kaum Figuratives, sondern profilierte sich schnell mit farbintensiven Bildern, die keine konkreten Landschaften darstellen. Es sind eher Lichtfelder, die Gefühle von Landschaften wiedergeben.
Zu den wenigen Ausflügen ins Figurative von Bernd Zimmer gehört seine Tiki-Werkreihe, Gemälde, Holzdrucke, Papierarbeiten und Skulpturen. Für ihn sind die Tikis in seinem Werk Stellvertreter, die für ihn selbst oder für seine Familie stehen. Kennen gelernt hat Zimmer die Marquesas-Inseln bei einer Reise, auf die ihn der Ethnologe Michael Koch begleitet hat. Koch ist im Begleitkatalog auch mit Beiträgen vertreten.
Die Kuratorin Hilke Thode-Arora hat es in ihrer Ausstellung aber vermieden, einfach nur Werke von Zimmer und die Marquesas-Schätze des Museums Fünf Kontinente zu präsentieren, sondern sie hat dazu ein überzeugendes Ausstellungskonzept gefunden: Es geht dabei eben auch um den "europäischen (und teilweise auch amerikanischen) Traum von der Südsee". Dementsprechend werden nicht nur die Arbeiten des von den Marquesas faszinierten Bernd Zimmer gezeigt , sondern auch welche von einem anderen großen europäischen Künstler, der von der Südsee träumte: Paul Gauguin.
Ebenfalls ein Thema ist, wie sehr Tikis und die damit verbundenen Sehnsüchte in die westliche populäre Kultur Einklang fand, in Musik, Innenaussattung oder auch Bars in den 1950er/1960er Jahren. Diese Mode war danach out of fashion, scheint seit einiger Zeit aber wieder an Popularität zu gewinnen.
Zu den Fotos
1. Hilke Thode-Arora und Bernd Zimmer
Als Einstieg wird die Frage, was eigentlich ein Tiki ist, beantwortet durch die Objekte in einer Ausstellungsvitrine, die unterschiedliche Ausprägungen von Tikis wiedergeben. Skupturen von Bernd Zimmer und zeitgenössischen Künstlern von den Marquesas sind zu sehen, daneben aber auch eine großartige Keule und ein Stelzentritt, der 1841 gekauft wurde. Für Hilke Thode-Arora sind Tikis "Konnotationen von ehrfurchtgebietender, übernatürlicher Macht.“
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4: Rechts Skulpturen von Bernd Zimmer. Links oben: Skulptur von Kai Sarnes
5.1841 gekaufter Stelzentritt
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8. Doppelkopfkeule, 1841 gekauft
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Dominiert wird die Ausstellung von den Bildern von Bernd Zimmer, insbesondere die großen Gemälde und Holzdrucke aus seiner Tiki-Reihe. Zu sehen sind aber auch kleinere Arbeiten auf Papier.
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In einem getrennten Raum in Mitte der Ausstellung werden weitere Skulpturen von Bernd Zimmer und ein Film über ihn gezeigt. Sehr spannend ist dann, wenn seine Kunst auf die Gemälde von Paul Gauguin trifft. In der Pressekonferenz hat Zimmer Gauguin als ein Vorbild bezeichnet: Zum einen hätte Gaugin wie auch er nicht als Künstler begonnen sondern wäre einem 'normalen' Beruf nachgegangen. Zum anderen hätte Gauguin ebenfalls versucht, sich stilistisch von anderen Malern abzusetzten. Zimmer versucht das Gleiche mit seinen Farb- bzw. Lichfeldern, die sich deutlich von den Werken der anderen 'jungen Wilden' unterschieden haben bzw. unterscheiden.
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Ein weiterer Schwerpunkt sind die großartigen, alten Tiki-Exponate aus der Sammlung des Museums Fünf Kontinente, die zumeist aus der ersten Hälfte des 19. Jhd. stammen oder noch älter sind.
Berühmt ist der Stelzentritt (Foto 25), den Georg Heinrich von Langsdorff 1804 als Mitglied der „ersten russischen Weltumseglung“ des Adam Johann von Krusenstern gesammelt hatte. Er wurde 1912 in den Almanach 'Der Blaue Reiter' der gleichnamigen, wichtigen expressionistischen Künstlergruppe aufgenommen und ist damit eine Ikone der Kunst der Moderne. Absolut beeindruckend ist die 142cm große Tiki-Figur (Foto 32) von den Marquesas-Inseln, die der Ethnologe Karl von den Steinen 1928 in Paris erworben hat. Sie ist auf einem Foto zusammen mit dem Forschungsreisenden zu sehen (rechts) (Foto 34).
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25. Der 'Klettertiki', der im Almanach 'Der Blaue Reiter' abgebildet war
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43. Gesammelt 1804
44. Gesammelt 1804. Könnte Menschenknochen sein
In einer Art Hütte werden schließlich Beispiele für die Tikipop-Bewegung gezeigt.
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Fotos: Ingo Barlovic
Zu der Ausstellung ist ein reich bebilderter, sehr guter Katalog erschienen, der im Buchhandel 38 Euro kostet. Wer den Katalog kaufen und about africa einen Gefallen tun möchte, kann ihn versandkostenfrei durch diesen Link über Lehmanns bestellen. Natürlich kann man sich über diesen Link auch informieren, ohne zu bestellen. (Beim Draufklicken auf den Link wird ein Cookie gesetzt)
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Der Katalog kann auch direkt im Museum für 36,90 Euro bezogen werden.
Vielen Dank an das Museum Fünf Kontinente, dass ich die Ausstellung während der Pressebegehung am 11. Juli 2020 fotografieren durfte.