30 Jahre hat der deutsche Künstler Bernd Zimmer, ein ehemaliger Vertreter der ‚Jungen Wilden‘, diese Idee verfolgt und nun in nur 4 Jahre zusammen mit einem kleinen Team, wichtigster Mitarbeiter war seine Frau Nina, realisiert: Eine Halle der Kunst mitten in der Natur, getragen von über 100 fast 4 Meter hohe Säulen, die von international renommierten Künstlern gestaltet wurden: Stoa169.
Diese offene Säulenhalle, die an einer Wiese in der Nähe der Gemeinde Polling bei Weilheim liegt, etwas über 50 km entfernt von München, wurde am 13. September eröffnet. Sie erfährt seit dem enormen Zuspruch: Nicht nur in der Presse - so gab es u.a. einen Bericht in der Tagesthemen,- sondern auch von Besuchern: Bei meinen drei Besuchen seit der Eröffnung zählte ich in der halben Stunde, in der ich jeweils vor Ort war, im Schnitt immer 20 Personen, die den schönen ca. 15-minütigenFußweg vom Parkplatz an der Ammer entlang auf sich nahmen. Die Eröffnung fiel wegen Corona etwas kleiner als ursprünglich angedacht aus: Es durften nur 200 eingeladene Gäste teilnehmen.
Bernd Zimmer (mitte) kurz vor dem Durchschneiden des Bandes am 13.9.2020. Rechts von ihm Georges Adéagbo und Staatsminister Bernd Sibler. Ganz links (Meister-) Schüler aus der Klasse Pamela Rosenkranz der Akademie der Bildenden Künste, München
Diese Welt unter einem Dach, eine Art Dokumenta im der Natur, zeigt die Arbeiten von Künstlern aus über 50 Länder und bietet damit nicht nur enorme Schaueffekte, sondern auch die Möglichkeit, unterschiedliche künstlerische Positionen zu studieren. „Da steht Afrika, da steht China, da England, die stehen einfach nebeneinander“, sagte mir dazu Bernd Zimmer.
Wer vor Ort ist, sollte sich auf alle Fälle Zeit nehmen und zumindest das kleine Beiheft für 5 Euro erwerben und zu Hand nehmen, in dem alle Säulen abgebildet und mit einem kurzen Text versehen sind. Denn so entgeht man der Verführung, zu schnell durch die Säulen zu gehen und sich in erster Linie oberflächlich an den reichhaltig vorhandenen Schaueffekten, den bunten Farben und spannenden Formen, zu erfreuen. Wenn Stoa169 auch als eine Art Gesamtkunstwerk wirkt, darf man nicht vergessen, dass sie aus im Moment über 80 eigenständigen Kunstwerken besteht - weitere 40 werden Corona-bedingt erst nächstes Jahr errichtet. Und jedes dieser Kunstwerke verdient eine individuelle Betrachtung.
Für mich war vor allem der Gegensätze zwischen den Säulen der Künstler aus Afrika, Indien, Australien oder den Marquesas auf der einen Seite und denen aus der sogenannten westlichen Welt auf der anderen erhellend.
Erstere waren deutlich plakativer und packender. Eine politische Arbeit war die Säule der Nigerianerin Sokari Douglas Camp, die aus Ölfässern mit Logos von Ölmultis besteht. Sie verweist auf die Ausbeutung und Umweltverschmutzung des Küstengebietes durch die großen Konzerne, die von korrupten nigerianischen Eliten unterstützt werden.
Für mich noch eindrucksvoller war die Skulptur von Kwame Akoto-Bamfor aus Ghana. Sein Sklave hinter Gittern deutet nicht nur mahnend auf das Gestern, sondern auch auf die Fortsetzung der Kolonialisierung und Versklavung mit anderen Mitteln heute.
Arbeiten mit religiösem Hintergrund schufen der Beniner Georges Adéagbo, Maheatete Huhina von den Marquesas und die Australierin Margaret Baragurra. Adéagbo verbindet Eindrücke, die er zu Religion und Brauchtum in Polling gewonnen hatte mit afrikanischen Figuren, darunter Venavis. Huhina hat eine überdimensionierte Tiki-Skulptur geschnitzt, ein großartiger Wächter des Friedens. Baragurra schließlich zeigt das Wüstenland Kaljarri in Westaustralien im Stil der berühmten australischen Aborigines-Kunst, die ja auch sakral konnotiert ist.
Dagegen erscheinen deutsche Beiträge etwa von Markus Oehlen oder Karin Kneffel deutlich unspektakulärer: Es sind Transformation von für sie typischer zweidimensionaler Malerei auf eine Säule. Bernd Zimmer geht Stoa169 auch malerisch an und gibt dem Dach der Welt eine kosmische Dimension. Außerdem kann eine Glocke betätigt werden, deren Klang schon nach kurzem an die Einstürzenden Neubauten erinnert. Etwas ratlos macht die Konzeptkunst von Daniel Spoerri und Katherina Sieverding (da hilft auch die Broschüre nicht weiter).
Von den übrigen Werken blieben mir im Gedächtnis:
- Die Arbeiten von Cucci und Czarnecki, die an die Antike erinnern.
- Die bildhauerischen Lösungen von Zoderer, Halley und dem großen Sigrún Ólafsdóttir und die Seilensäule von Loginov.
- Die Knautschi genannten Krabbelfiguren von Wolfgang Stiller.
- Das Werk des Inders Subodah Gupa, dessen Säule aus Edelstahldosen bestand. Ähnlich eindrucksvoll die Säule aus Plastik-Wasserflaschen des Amerikaners Willie Cole. Sie beinhalten im Innern ein Bild der Jungfrau Maria.
- Und vor allem die 4 Engelköpfe/Putten des Nikolaus Lang, der damit an zwei von Six und Martius zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom Amazonas mitgenommene Indianerjungen erinnern möchte. Für mich eine der stärksten Arbeiten.
Rech unique ist die Akademiesäule der Klasse Rosenkranz an der Akademie der Bildenden Künste in München. Die Installationskünstlerin Pamela Rosenkranz ist derzeit einer der Rising Stars der Kunst-Szene. Auf den ersten Blick eher unscheinbar, lässt sie sich aber drehen und erzeugt Klänge, die an eine Spieluhr erinnern. Es war fast die einzige Arbeit, die sich vom eher statischen Säulenkonzept löste.
Übrigens wird Stoa169 auch die nächsten Jahre im Gespräch blieben: 10 Jahre lang wird jedes Jahr eine andere Kunstakademie die Möglichkeit erhalten, eine Säule zu gestalten. Für zumindest die nächsten 9 Jahre sind damit Kunstevents auf der ehemaligen Bauernwiese in Polling sicher. Darüber hinaus wird es spannend was die Witterung die bestehenden Säulen in den nächten Jahren verändern wird.
Stoa ist ein Must-See!
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Fotogalerie Stoa169 - Eröffnung
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Fotos: Ingo Barlovic