Nach den Stellungnahmen von Prof. Dr. Eberhart sowie Karl Schädler und Günter Zink hat mir auch Hanns Schell seine Überlegungen zur Neupräsentation und Jubiläumsausstellung des Museum der Völker in Schwaz geschickt. Der Unternehmer und bekannte Bergsteiger Hanns Schell ist Gründer des Museums Schell Collection in Graz, das eine fasziniernde Auswahl von Schlössern und Schlüsseln zeigt. Zudem hatte er weite Teile der Sammlung Chesi erworben, die er dem Museum der Völker in Schwaz als Leihgabe zur Verfügung stellt.
Sehr geehrter Herr Barlovic!
Ich habe Ihre kritischen Überlegungen bezüglich Neupräsentation des Museums in Schwaz erhalten.
Wir haben mit Lisa Noggler-Gürtler wie auch mit Helmut Eberhart ein sehr freundschaftliches, ja herzliches, menschliches Verhältnis. Mit Lisa, die mit ihrem kleinen Team einen Teil der von uns erworbenen Sammlung Chesi bewahrt und verwaltet und präsentiert und mit Helmut Eberhart, der seit nun Jahrzehnten mit unserer Schloss- und Schlüsselsammlung sehr verbunden ist, hatten wir immer eine konfliktfreie Zusammenarbeit.
Sie haben mich gebeten, meine persönliche Sicht zur neuen Ausstellungspräsentation zu kommentieren. Das mache ich gerne, möchte allerdings ausdrücklich betonen, dass diese Meinung sehr subjektiv und in keinster Weise wissenschaftlich begründbar ist!
Beide Genannten sind studierte Historiker und Kunstwissenschaftler, während ich als Nichtakademiker nur ein „Ordinary Shopkeeper“ bin und ich es mir in keinster Weise anmaße, wissenschaftliche Sichtweisen und Erkenntnisse zu kritisieren, ja zu verstehen.
Als ich Gert Chesi während einer lang zurückliegenden Antiquitätenmesse in Innsbruck kennen lernte, fiel mir sein Präsentationsstand, der neben unserer Ausstellung platziert war, schon auf. Wir kamen ins Gespräch und er lud uns ein, sein Museum in Schwaz zu besuchen. Ich hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt nie für Ethnologie interessiert und war wie erschlagen, als ich zum ersten Mal seine Sammlung sah.
Unvergessen wird mir der Hauptraum bleiben mit der ideal beleuchteten und präsentierten Figurengruppe und den an den Seitenwänden ausgestellten Skulpturen. Neben der Figurengruppe waren auch zwei korrespondierende thailändische Türen ausgestellt, die mir sofort ins Auge stachen, da sie selten und prachtvoll waren und unser Sammelgebiet streiften.
Gert führte uns mit großer Sachkenntnis und Sammlerstolz durchs ganze Haus. Fast alle Exponate waren fürs Auge exzellent präsentiert. Die großformatigen Bilder voll Ästhetik und künstlerischem Können rundeten den Gesamteindruck ab. Das hervorragende Kunstmagazin A4 trug später ebenfalls bei, dass wir immer dann, wenn wir in Tirol waren, beim „Chesi vorbei schauten“.
Nach langem Zögern wagte ich es dann, Gert zu fragen, ob er mir die zwei zitierten Türen verkaufen würde. Gert verneinte dies mit der Bemerkung, dass er die Türen alleine nicht abgeben möchte, aus wirtschaftlichen Gründen aber gezwungen sei, die ganze Sammlung zu verkaufen.
Nach langen Beratungen mit meinem Sohn Christof trafen wir die für uns folgenschwere Entscheidung, die ganze Sammlung zu erwerben. Wir beide haben einen gewissen „Bewahrungskomplex“ und wollten einfach nicht, dass Gerts Lebenswerk in verschiedene Hände kommt und der Öffentlichkeit damit verloren geht.
Die Krise 2008 hat uns dann wirtschaftlich so beeinträchtigt, dass an einen neuen Museumsstandort in Graz neben unserem bestehenden Museum nicht mehr zu denken war.
So wurden viele Sammelstücke, die nicht mehr für die neue Museumskonzeption passten oder aus Platzmangel ausgelagert. Die Neuerwerbungen, die Chesi inzwischen erwerben konnte und ins Museum einbrachte und unsere benötigten Exponate wurden als Leihgabe übernommen und weiter in Schwaz präsentiert. Dies zur langen Vorgeschichte, um zu erklären, wie es zu dem von mir subjektiven Empfinden jetzt gekommen ist.
Wir sind gerne zur Feier des Achtzigjährigen, der agil und vital wie ein Fünfzigjähriger wirkt, gekommen und waren auch neugierig, wie sich das Museum jetzt präsentiert.
Im Vergleich zur alten Gestaltung war der Eindruck niederschmetternd. Der Präsentation allgemein fehlte der „Pfiff“ eines Chesi, den ich ob dieser Gabe immer bewundert hatte. Als interessierter Besucher will ich mich an der Schönheit und Ästhetik der Objekte „ergötzen“. Nicht umsonst ist die Verpackungsaufmachung zu 40% für die Kaufentscheidung eines Produktes verantwortlich und deshalb so aufwendig und farbenfroh von der Industrie gestaltet!
Ich muss gestehen, dass ich an diesem Tag oft abgelenkt wurde und so nicht mit allen Sinnen die Ausstellung in mich aufnehmen konnte. Ich vermisste die bevorzugte Präsentation der Olowe-Kunstwerke (waren sie überhaupt ausgestellt?), die „außerirdischen“ Nok-Figuren waren nicht dort, wo ich sie immer bewunderte.
Ich habe bald nach der Eröffnung des berühmten Branly-Museums schwer die sogenannten Schaudepots kritisiert, da man beim Aufstieg über die Rampe nur das „Magazin“ gleicher und somit „seelenloser „Stücke“ sieht.
Wie enttäuscht war ich im nächsten Stockwerk im Schwazer Museum, dem sogenannten Showroom. Vielleicht ist das die derzeitige wissenschaftlich korrekte Präsentation, mir entfuhr leider die unzeitgemäße Äußerung: „Das ist ja eine Rumpelkammer“!
Für mich, wie auch wahrscheinlich für 95% der Besucher soll das Museum das Gemüt und die Seele erfrischen und es interessiert wahrscheinlich nur eine Minderheit der wissenschaftliche Kontext. Ähnlich wie nach meinem Besuch im Musee du quai Branly ist es mir nach dem leider viel zu kurzem Besuch des Völkerkundemuseum, jetzt hochtrabend Weltmuseum genannt, gegangen.
In dieses Museum sind Unsummen an Steuergeldern geflossen, welches zusätzlich viele Jahre wegen Umbau und Neugestaltung geschlossen war (warum eigentlich?), um dann ein für mich totales negatives Aha-Erlebnis zu produzieren. Die Exponate sind in den alten Vitrinen schrecklich umständlich beschriftet - das nächste Mal nehme ich eine Gymnastikmatte mit, auf die ich mich lege, wenn ich manche Beschriftung „erlesen“ möchte und auch eine starke Taschenlampe, um die Exponate auch sehen zu können.
Ins „Weltmuseum“ gehe ich nur mehr, da ich nur einen Teil gesehen habe und weil ich mich selbst überprüfen möchte, ob ich nicht zu kritisch war.Ins Museum der Völker würde ich nach dem jetzigen Stand nur mehr gehen, weil ich mit Lisa Noggler und Frau Kitzmann plaudern möchte und weil ich doch wieder unsere mit mehr als viel Herzblut erworbenen Schätze sehen möchte. (Haben diesen Februar nach 12 Jahren die letzte Zahlungsrate abgestottert).
Natürlich komme ich sofort begeistert ins Museum, wenn Gert eine Führung anbietet und durch seine Erzählungen die Objekte zum Leben erweckt. Eine Führung durch die Damen des Museums habe ich noch nicht erlebt, vielleicht gelingt es ihnen genau so, mich zu begeistern.
Alle meine Ausführungen sind wirklich nur von mir sehr subjektiv gesehen und sollen keinesfalls das beste Verhältnis zu den Entscheidungsträgern trüben!
Mit freundlichen Grüßen
Hanns Schell