Ich gebe es zu: Das Museum der Kulturen in Basel gehört zu meinen Lieblingsmuseen, weil es mit seinen Ausstellungen immer wieder aufzeigt, wie ein ‚ethnologisches‘ Museum sich in der heutigen Zeit aufstellen kann. Es werden spannende Objekte präsentiert, mit denen Geschichten erzählt und Zusammenhänge begreifbar gemacht werden, die auch für heutige Besucher relevant sind. Basel vermeidet zum einen, dass Werke als l’art pour l’art präsentiert werden. Und zum anderen die fatale Tendenz mancher Museen, nicht mehr an die Kraft ihrer Objekte zu glauben und sich in ideologischen Diskursen zu verlieren.
Ein typisches, gelungenes Beispiel für Ausstellungen in Basel ist ‚Memory - Momente des Erinnerns und Vergessens', die auf einer Etage noch bis zum 5.Juli 2024 läuft. In ihr geht es um das Erinnern und Vergessen, darum wie gesellschaftlich bedeutende Ereignisse überliefert oder auch verschwiegen werden. Dabei ist die Ausstellung explizit kulturübergreifend. Solch universelle kulturelle Gemeinsamkeiten zeigen Archetypen menschlichen Handelns, Denkens und Fühlen. Sie weisen auf die Quintessenz des Menschen.
Faszinierend sind beispielsweise beschriftete und bemalte Totenbretter aus der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Auf ihnen wurden zuerst Leichnamen aufbewahrt, später wurden sie zum Gedenken an den Toten an der Hauswand befestigt, bis sie von der Witterung verblassten oder das Haus den Besitzer wechselte. In Borneo wurden für das Gedenken an einen Verstorbenen Hampatongs in der Nähe von Gemeinschaftshäusern aufgestellt. Im Gegensatz zu den Totenbrettern besitzen sie auch eine Schutzfunktion: Sie halten Krankheiten aber auch böse Geister fern.
Auf die höfische Erinnerungskultur weisen berühmteste Exponate hin, die sich im Museum der Völker befinden: Bronze - bzw. Messingsarbeiten aus dem Königreich Benin, mit denen dan Beniner Herrscher erinnert wurde. Ich denke bei diesen Arbeiten, die zurecht zu den eindrucksvollsten Kulturschätzen der Welt gehören, immer an Südstaaten-'Helden': Schließlich sind die Beniner Könige/Obas bekannt dafür, über Jahrhunderte zu den größten Sklavenhändlern Afrikas zu gehören.
Gemälde aus Äthiopien schließlich erzählen von der Erinnerungspolitik: Wie im Zuge der Dekolonialisierung oder nach dem Kalten Krieg offizielle Geschichte in Frage gestellt wird und neue Narrative von früher nicht gehörten Akteuren das Verdrängte wieder ins Licht rücken.
Zu den Fotos:
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2 Neolithische Felszeichnungen und -gravuren aus der Westsahara
3 Königreich Benin
4 Königreich Benin
5 Königreich Benin
6 Neuirland, Malangan-Skulpturen
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9 Ahnenmasken der Guarani aus Bolivien
10 Ahnenmasken der Iatmul, Sepik
11 Hampatong, Borneo
12 Hampatong, Borneo
13 Osttimor
14 Osttimor
15 Nias
16 Nias
17 Lintel 3, Tempel IV Tikal; Maya; Tikal, Guatemala
18 Vorne: Erzählaltar kavad; Mewar-Distrikt, Rajasthan, Indien; Ende 20. Jh; Hinten: Pabuji; Bhilwara-Distrikt, Rajasthan, Indien; erste Hälfte 20. Jh
19 Matsiguenga, Peru, Amazonien. 1970er
20 Mexiko
21 Rechts: Gedenkbretter, Schweiz
22 Äthiopien
Fotos: I. Barlovic
Vielen Dank an das Museum der Kulturen, dass ich vor Ort fotografieren durfte.