Kolonialismus in den Dingen heißt die neue Ausstellung, die vom 8.11.2024 bis 18.5.2025 im Museum Fünf Kontinente in München zu sehen ist. Kuratiert von Richard Hölzl, dem neuen Provenienzforscher des Museums, will sie zusammen mit einem Begleitbuch „das Museum Fünf Kontinente und seine Bestände aus der Kolonialzeit“ beleuchten.
Diese Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit geschieht anhand von Objekten aus dem Museum. Die Ausstellung beginnt mit einer Figur (Foto 1), die der Apotheker Heinrich Rothdaucher 1878 auf den Philippinen erwarb.
Es folgt ein Zahlenstrahl, der die Entwicklung des Museums während der (nicht nur deutschen) Kolonialzeit vom ‚Museum mit kolonialen Beständen‘ über das ‚Kolonialmuseum‘ bis zum Museum nach 1945 (‚Abwehrreflex und Gedächtnisverlust‘) aufzeigt. An Objekten sind u.a. Werke aus Gabun und dem Königreich Benin sowie eine Bugschnitzerei aus Kamerun zu sehen (Foto 3-6).
In weiteren Räumen (Foto 7-58) gibt es Erläuterungen zu afrikanischen Kulturmittlern, zu Deutschland im Krieg, zu den kolonialen Verstrickungen Bayerns, zum Boxeraufstand oder zum Handel mit Kolonialwaren, darunter eine Plantagenwirtschaft auf Samoa. Und natürlich zu dem Ungleichgewicht zwischen den Kolonisten und den Kolonialisierten. Und wie man letztere kontextualisiert hat, um die kolonialen Aktivitäten zu rechtfertigen. Klassisches Framing.
Gegen Ende der Ausstellung werden die Diskussionen der letzten Jahre um Aspekte wie Restitution aufgegriffen und ein Gedicht von Alma Simba zitiert, die „nach Wegen sucht, die Geschichten der unsichtbaren Akteurinnen und Akteure zu erzählen“. Einen Hauch von Optimismus verströmt der kurze Abschnitt „Gemeinsam forschen“ (Foto 59-64).
Bewertung
Was kann man zu dieser Ausstellung sagen? Eierseits: Ja, alles richtig gemacht und München und das Museum können sich auf die Schulter klopfen, immerhin haben sie ihre Kolonialgeschichte öffentlich aufgearbeitet. Die Ausstellung hat ihren Teil dazu beigetragen.
Andererseits gebe ich zu, dass ich ‚Kolonialismus in den Dingen‘ so unglaublich brav fand. Es gab - vielleicht mit Ausnahme des Gedichts von Alma Simba - nichts, was mich emotional berührt hätte. Weder die Inhalte noch die ausgestellten Objekte.
Wo ist etwas, das aufrüttelt, das zum Beispiel zeigt, wie die Kolonialmächte zum Teil in ihren Kolonien gewütet haben? Wo sind die Fotos, die z.B. beim Thema Bayern einer aufkommenden fast wohligen Nostalgie entgegenwirken? Oder wo bleibt auf der anderen Seite die Perspektive der indigenen Bevölkerung, die damals in den Kolonien gelebt hat? War das nur Gewalt und Unterdrückung oder zum Teil auch "normales Leben" in einer sich verändernden Zeit
Und die Objekte? Welche schaffen es, abgesehen von dem viel diskutierten Schiffsschnabel, beim Betrachter gleichermaßen Wow-Effekte auszulösen und die deutsche Kolonialschuld aufzuzeigen? Zumindest bei mir so gut wie keines.
Daneben gibt es Details, die irritieren, darunter:
- Warum ist als Titelbild und Eingang zur Ausstellung ein Werk von den Philippinen zu sehen? Damals eine spanische Kolonie. Ein Objekt namens Anito. Auf meine Recherche in einer Facebook-Gruppe gab mir der Forscher Emil Maranon III dazu folgende Auskunft: "This is stylistically a "tinagtagu" from the Applai area of the Mt. Province. They can be described roughly as a "house guardian", meant to "hold the fort" and watch over the house when the occupants are away. They are treated as part of the household and often addressed as "grandpa" or "grandma". Und: “I am inclined to believe that this too has been commissioned by local craftsmen as a representative specimen to be taken home’. Also wohl eine Auftragsarbeit, die in den Besitz eines deutschen Apothekers gelangte.
- Oder der Titel „Buschiris Dolch“. Bushiri war der Anführer des Aufstandes auf Sansibar gegen die Machtübernahme durch die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft. Der Dolch, so steht es im Begleitbuch, war wohl nie in seinem Besitz. Warum dann der Name?
- 2 Bücher von Karl May werden natürlich auch erwähnt und mit dem Kolonialismus-Stempel versehen.
- Die Schweiz unterteilt ihre Benin-Objekte in Kategorien wie sicher geraubt, wahrscheinlich, wahrscheinlich nicht, sicher nicht. In München scheint eine solche Einteilung zu fehlen, zumindest wird sie in der Ausstellung nicht vermittelt.
Wie ist die Gestaltung? Oft gibt es große Texttafeln und dazu kleine Bilder. Und das, obwohl ein Bild mehr sagen kann als 1000 Worte. Erneut dieser mutlose und kraftlose Versuch, alles richtig zu machen.
PS
Vielen Dank für die Einladung zum Presserundgang. Dort erzählte Richard Hölzl, dass der Schiffsschnabel aus Douala das einzige Objekt sei, für das es eine Rückgabeforderung gäbe. Auf Nachfrage musste er einräumen, dass diese nur medial und nicht offiziell erfolgt sei. Und zwar von einem Nachfahren der einstigen Besitzer, dessen Anspruch auf das Kunstwerk in den Gemeinschaften umstritten ist. Und warum nicht offiziell? Weil, so Hölzl, offizielle Stellen nur dann Rückgabeforderungen stellten, wenn sie davon ausgingen, dass sie damit Erfolg haben könnten. Aus meiner Sicht keine überzeugende Begründung.
Der Kurator ging auch auf einen Leoparden aus dem Königreich Benin ein. Es habe ein Pendant gegeben, das aber verkauft worden sei. Dass er diese Geschichte ungenau wiedergegeben hat, ist das eine. Dass er aber nicht auf die Museumsmitarbeiterin Karin Guggeis hinwies, die zwei Meter von ihm entfernt stand, fand ich dann doch irritierend. Schließlich hat Guggeis in ihrem großartigen Buch ‚Star oder Loser‘ die Geschichte des Leoparden ausführlich wiedergegeben. Auch im Katalog wird darauf hingewiesen. Vielleicht war Stölzl auch nur etwas nervös und hat in dem Moment einfach vergessen, Karin Guggeis vor der versammelten Presse zu erwähnen?
Fotogalerie Fuenf_Kontinente_Kolonial
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