L‘année prochaine á Paris...
Lange Reisen mit dem Auto bin ich gewöhnt, auch Übernachtungen in Stadthotels. Bekannt war mir auch die eigenartige Bettdecke der Franzosen, sie haben nicht das deutsche, individuell-nächtliche Einkuschelbedürfnis. Wirds nachts kalt, friert man schnell. Minimaler Standard. Kein Problem. Hauptsache das Klo ist sauber, hat ein Brille, die Spülung funktioniert, Dusche und Wasserhahn geben brav Wasser von sich und die Kacheln bleiben an der Wand. Die Matratze sei weder zu hart, noch zu weich und stinke nicht. Abgewetzte Teppiche und wackelige Möbel gehören in einigen europäischen Großstädten zum Hotelstandard - bekannt. Wach zu werden, weil das Dauergeräusch murmelnder, lachender, kreischender Nachtabenteurer, plötzlich weg ist und die Stille um 3.00 morgens fremd erscheint - hinnehmbar. Warum also Paris im schönen Monat September? 120 Euro die Nacht? Durchschnitt für ein Hotelzimmer in Paris.
Es ist die Zeit des Parcours des mondes (Le salon international des arts premiers IXe édition), d.h. mehr als 70 Galerien, mit und ohne PdM-Fahne, zeigen außereuropäische Kunst vom 8. bis 12. September. Hunderte, meist weiße, Verrückte aus aller Welt ziehen allein, oder in kleinen Gruppen aufgeregt palavernd, durch das Zickzack der engen Gassen aus Rue des Beaux-Arts - Rue de Seine - Rue Callot - Rue de Mazarine. Die durchschnittlich 10 bis 50 Stücke pro Galerie summieren sich auf einige tausend Stücke, die im Quartier Saint-Germain-des-Prés zu sehen sind. Poliert bis naturbelassen, hässlich und schön, echt und falsch, neuwertig und richtig alt, die Vielfalt der Stücke ist sehr groß. Entweder hat die Expertenauswahl diesmal nicht funktioniert oder sie wurde abgeschafft. Endlich, denn ich treffe die Auswahl gern selbst. Nichts langweiliger als die einheitlichen, von Händler- und Sammlergenerationen polierten Stücke, die eigenartigerweise in deutschen Museen so selten zu finden sind. Fälschungen entstanden und entstehen auch außerhalb Afrikas.
Galeristen aus Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Spanien, Deutschland, England, Amerika und auch einige wenige aus afrikanischen Ländern (leider habe ich nicht nachgefragt). Besonders herrlich die charakterliche Vielfalt, von absolut Snob und arrogant, über gehemmt-unsympathisch bis gehemmt-aber-lieb, ahnungslos und sehr freundlich oder ehrenhaft-professoral. Auch ein Sonnenvitalbank-Jungschnösel ist dabei. Und ein paar Galeristinnen. Allerdings überwiegt das männliche Element jenseits der 60.
Ähnlich die Schar potenzieller Käufer. Zwar auch eher über 70 Jahre, aber schon durchsetzt von der Altersgruppe zwischen 40 bis 60. Erfreulicherweise auch ein paar jüngere Gesichter, dann aber meist nicht deutsch sprechend, sondern französisch. Frauen auch hier in der Unterzahl. Richtig edel gekleidet waren nur wenige. Die Schönheit einer Figur oder Maske ist den meisten Sammlern wichtiger als die eigene Kleidung.
Im Gespräch erweisen sich fast alle Galeristen als Experten. Die afrikanische Kunst aller Regionen und Gruppen kann dir hier jeder erklären. Das schönste Stück, das Seltenste, davon gibt es nur noch zwei andere, usw. Bescheidenheit gehört nicht zu den Verkaufsstrategien, wissenschaftliche Genauigkeit auch nicht. Klar, ich verstehe: der wirtschaftliche Druck. Schon die Ladenmiete und Teilnahmegebühr ist nicht gerade billig: die Werbung nicht zu vergessen. Einige haben teure Kataloge produziert. Das Geld muss jetzt wieder verdient werden. Eine knappe Woche, um möglichst viel Ware umzusetzen. Nur wenige Händler haben genug finanzielles Polster und wirken gelassen.
Zwischendurch noch eine Ausstellungseröffnung: „Ode au grand Art Africain - Les statues meurent aussi“ im Monnaie de Paris (siehe Parcours-des-mondes-IX-Paris-2010_Dossier-de-presse_17-juin-2010_Pressemeldung, Seite 17: L’EXPOSITION A LA MONNAIE DE PARIS).
Parcours de Mondes, das ist die Love-Parade der Sammler und Galeristen. Äußerlich um Seriosität bemüht, ist unsere Leidenschaft für den Normalbürger mindestens so grell, bunt und vielfältig, wie das Berliner Original der 1990iger Jahre. Alte Männer, die mit jugendlicher Kraft von Galerie zu Galerie tänzeln. Geballte Energie und Konzentration für wenige Tage. Gemeinsame Begeisterung und endlich einmal wieder über das Lieblingsthema reden. Einen großen Teil des Jahres verbringen wir in unseren Höhlen, von niemandem recht verstanden, aber zwei Mail im Jahr, im Juni in Brüssel und im September in Paris, treffen wir uns und feiern auf unsere Art.
Übrigens: Wer in Ruhe einen sehr guten Tee trinken und Kuchen essen möchte, bei angemessenem Preis- Leistungsverhältnis, der verschwindet durch ein großes Stahlgitter in einen Hinterhof der Rue Mazarine in den „Salon de the“.
Vielen Dank an Dr. Andreas Schlothauer!
Anmerkung, Links
- Die Parcours des Mondes ("Spaziergang durch die Welten") ist eine Messe für außereuropäische Kunst, eine internationale Tribal-Art-Messe, "ein Rundgang durch die Galerien von Saint-Germain-des-Prés", dem Pariser Galerienviertel. Neben ortsansässigen Galeristen stellten 2010 37 Händler aus 10 weiteren Ländern aus. "Als Begleitprogramm gelang es dem Museum "Monnaie de Paris", jene afrikanischen Skulpturen als Leihgaben zu erhalten, die Regisseur Alain Resnais und Chris Marker 1953 für den antikolonialen Kurzfilm "Auch Statuen sterben" filmte. (Handelsblatt, 9.9.2010, http://www.handelsblatt.com/finanzen/kunstmarkt-ausstellungen/galerienwochenende-raritaeten-fuer-tribal-art-sammler-in-paris;2652227)"
- Homepage www.parcours-paris.eu/
- Parcours-des-mondes-IX-Paris-2010_Dossier-de-presse_17-juin-2010_Pressemeldung.pdf
- Parcours-des-mondes-IX-Paris-2010_liste-officielle-des-participants_LISTE-DES-GALERIES-PAR-PAYS_Aussteller-Haendler.pdf