Aus Kunst und Kontext, Ausgabe 2/2011, Seite 15
Jean David, Jahrgang 1961, ist zwischen die Kunstwerke Afrikas hineingeboren worden. Die Eltern, Denise und René David, waren ab den 1960iger Jahren begeisterte Afrikareisende und Galeristen, die vor Ort viele Stücke erwarben. Reisen in Afrika war in dieser Zeit beschwerlich und die Eltern meist monatelang unterwegs. Masken und Figuren waren im Leben von Jean David eine Selbstverständlichkeit, denn "zuhause gab es immer afrikanische Kunst". Ein Totenbett der Senufo zum Murmelspielen und eine Auswahl von Masken zum abzeichnen, welches Kind hat das schon?
Die Zeiten waren alternativ und die Eltern lebenslustig. Bis 1968 lebten die Davids in Basel, dann folgten drei aufregende Pariser Jahre 1968-71 in einer Zeit der Demonstrationen und Studentenaufstände. 1971 zog die Familie nach Berlin. 1975 kam Jean David erneut nach Frankreich, diesmal vier Jahre auf ein Internat bei Paris, wo er mit siebzehn sein Baccalauréat (Abitur) machte. Die Eltern hatten inzwischen eine Galerie in Zürich eröffnet. Es folgte 1978 die Rückkehr in die Schweiz und das Studium: erst Volkswirtschaftslehre in St. Gallen (HSG) und dann an der Hotelfachschule Lausanne bis 1988.
In Kindheit und Jugend reiste Jean David nicht mit seinen Eltern in Afrika, als junger Mann machte er diese Erfahrung in den 1980iger Jahren. Mit dem Zug und Auto in mehreren Reisen von der Elfenbeinküste, über Burkina Faso, Togo, Ghana, Benin bis nach Nigeria. In den Semesterferien arbeitete er immer wieder in der Galerie, z.B. ist die heute wohlsortierte Bibliothek ein Ergebnis dieser Zeit. Er hatte aber damals nicht die Absicht im Familienbetrieb einzusteigen. Dieser Schritt ergab sich erst 1990 nachdem er zwei Jahre ein Restaurant besaß und seine Schwester Claudine, die in der Galerie arbeitete, die Stelle aufgab um sich ihrer Familie zu widmen.
Ein wichtiger Schwerpunkt von Jean David ist seit 2004 Olowe of Ise, einer der bekanntesten Schnitzer der Yoruba aus der Region Ekiti, der um 1875 geboren wurde und etwa 1938 verstarb. Im eigenen Land in seiner Zeit sehr geachtet zog der Meisterschnitzer mit seinen Schülern zu den Fürstenhöfen, um dort Auftragsarbeiten in seinem unverwechselbaren Stil auszuführen. Meist sind es fi gural verzierte Pfosten, Türen und Schalen, aber sogar Stühle und ein Sarg sind im Stil Olowes nachweisbar.
Durch den Erwerb eines Stückes, das er heute einem Olowe-Schüler zuordnet, stieß Jean David 2004 auf diesen Schnitzer. Inzwischen ist er sicher der Galerist, der sich in den letzten Jahren am meisten mit den Werken Olowes und seiner Schule auseinandergesetzt hat. Teilweise konnten in Afrika Gespräche mit noch lebenden Familienmitgliedern und einigen bisherigen Eigentümern von Stücken filmisch und fotografisch dokumentiert werden. In seiner Datenbank sind inzwischen mehr als 100 Stücke zusammengetragen. Bisher ist nur ein Buch zu Olowe erschienen, von Roslyn Walker, das jedoch wegen der Unvollständigkeit nur als Beginn weiterer Forschung betrachtet werden kann.
Das Museum "Detroit Institute of Arts" (USA) erwarb nach detaillierter Prüfung eine Schale und einen Thron, beide Stücke wurden von dem Yoruba-Experten John Pemberton III. dem Meisterschnitzer zugeordnet. Ein weiterer Thron wurde von der "Art Gallery of Hamilton" (Toronto, Canada) erworben.
Schon vor einigen Jahren hat die Galerie Walu mit der Arbeit an einem Yoruba-Buch begonnen, dass vor allem herorragende, bisher unveröffentlichte Stücke aus Privatsammlungen zeigen wird. Die Texte sind von Hans Witte, Uli Beier (beide inzwischen verstorben) und Gabriele Weisser geschrieben. Das Buch soll Englisch und Deutsch erscheinen.
Die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Auktionshaus Koller (im Familienbesitz), das größte Schweizer und eines der führenden europäischen Auktionshäuser begann im Frühjahr 2003, nachdem die Galerie Walu seit Frühjahr 2002 erfolgreich drei Versteigerungen in Eigenregie veranstaltet hatte. Inzwischen haben 14 gemeinsame Auktionen, jeweils jährlich zwei, mit Afrikanischer und Ozeanischer Kunst stattgefunden.
Koller ist für Administration und Durchführung der Auktion zuständig, während die Galerie Walu die Verantwortung für die Annahme der Auktionsobjekte, deren Einschätzung und Beschreibung trägt. Als zuständiger Experte für Afrikanische und Ozeanische Kunst zeichnet Jean David verantwortlich. Nach der November-Auktion 2010 wurde ein Umsatz von 670.000 CHF und eine Verkaufsquote von 70 % gemeldet (Auktionsnachricht). Bei drei Stücken wurden Preise zwischen 74.400 bis 92.400 CHF erzielt, die "höchsten für afrikanische Kunst-Objekte des Jahres 2010" im deutschprachigen Raum.
Obwohl Jean David einen wichtigen Teil seiner Schulzeit in Paris verbrachte, also zweisprachig Deutsch und Französisch aufgewachsen ist, ist seine frankophone Orientierung zu den Händlern in Brüssel und Paris eher gering. An den jährlichen Messen BRUNEAF (Brüssel) und Parcours des Mondes (Paris) nimmt er nicht teil. Ganz pragmatisch sieht er keinen Vorteil in diesem zeitlichen und fi nanziellen Zusatzaufwand und hat auch keinen Bedarf, da doch seine Kunden, sowohl Verkäufer, als auch Käufer, in die Schweiz kommen.
Seine Weiterbildung besteht in der täglichen, intensiven Beschäftigung, wie er sagt: "sieben Tage die Woche afrikanische Kunst". Denn: "Geschmack beruht auf Erfahrung. Eine Abkürzung gibt es nicht. Der persönliche Maßstab ist das erlebte und angestrebt wird das Ideale". Seine Bibliothek ist umfangreich und auf dem neusten Stand; das Surfen im Internet von morgens bis abends ist Teil seines Lebens. Allein hier sieht er pro Tag dutzende neue Objekte. Außerdem besucht er auf seinen zahlreichen Reisen andere Galerien und Ausstellungen in Museen,
Im Umgang mit seinen Kunden ist ihm der Kontakt und der Aufbau eines langjährigen Vertrauensverhältnisses wichtig. Jean David sieht sich als Vermittler und der persönliche Kontakt steht deshalb im Vordergrund.
Als über die Jahre gewachsenes Geschäft verfügt die Galerie Walu, im Unterschied zu vielen Kunstvermittlern, über ein vergleichbar großes Warenlager. Kommissionswaren finden sich in der Galerie so gut wie gar nicht.
Geplant ist aufgrund des sich verändernden Marktes eine sanfte Schwerpunktverlagerung im 2012. Ausgebaut wird im speziellen die Auktionstätigkeit, die mit Online-Auktionen ergänzt wird.
Jean David ist ein entspannter und intelligenter Gesprächspartner, mit einer seltenen Mischung aus Gesprächigkeit und Zuhörenkönnen. Gesellig und Familienmensch, ist er jedoch kein Club- und Vereinsmeier. Zwar seit Jahren Mitglied in der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur, jedoch ein eher seltener Gast bei Tagungen, obwohl sein Fachwissen, sein Auge und Interesse für Details, sowie seine humorvolle Art seine Vorträge zu abwechslungsreichen Erlebnissen machen, und bei den Tagungen sehr geschätzt sind.
Im deutschsprachigen Raum ist er sicher einer der vielseitigsten und umtriebigsten Händler mit Galerie, zwei Mal im Jahr Auktionen, einem innovativen Internetauftritt und fast jährlichen Verkaufsausstellungen mit Publikationen.
GALERIE WALU - ZÜRICH
Benannt nach einer Maske der Dogon (Walu), wurde die Galerie im Jahr 1957 gegründet. Zunächst bis 1968 in Basel (Weisse Gasse, Gerbergasse und St. Alban Vorstadt) dann 1968-71 in Paris (rue Contrescarpe), 1973-1975 Berlin-Charlottenburg in der Bleibtreustrasse und ab 1978 bis heute in Zürich, zuerst am Seilergraben, dann an der Rämistrasse.
René David lebt heute in Togo und besitzt dort ein Privatmuseum für afrikanische Kunst (Musée International du Golfe de Guinée).
Seit 1990 arbeitete Jean David fest in der Galerie, im Jahr 1999 übernahm er die Geschäftsführung von seinem Vater und gründete mit seiner Frau Jane die Galerie Walu AG. Jane und Jean David zeigten im folgenden Jahrzehnt ihren eigenen Stil: jedes Jahr mindestens eine Verkaufsausstellung mit regionalen (Baule 2001, Ogoni 2002, Ghana-Akan-Komaland 2003, Chokwe 2003, Gabun 2005, Nigeria 2007, Senufo 2007) und thematischen Schwerpunkten, z.B. "Afrikanische Sitze" (2001), "African Jewelry" (2002), "Gold in der Kunst Westafrikas (2010), "Zauberhafte Formen - Gebrauchsgegenstände aus Afrika" (2011). Darunter auch eine Ausstellung mit Werken des zeitgenössischen, in Ghana geborenen, Künstlers Owusu Ankomah. Ein faszinierendes Experiment war die Ausstellung "Schwarz Afrika" (2007), als die Besucher mit Taschenlampe und verschiedenartigem Licht die ausgestellten Stücke erkunden konnten. Elf Ausstellungskataloge mit vielen Abbildungen und gut strukturierten Texten sind in den Jahren 2001 bis 2011 erschienen, darunter auch, das ungewöhnliche Layout- Experiment: "White" (2004).
Ein Standardwerk sind die beiden Bücher (Ringordner) zu den Zwillingsfi guren (Ibeji) der Yoruba, ein Gemeinschaftswerk von Fausto Polo und Jean David. Mehr als 165 unterschiedliche Stile sind mit Beispielen belegt.
Seit 2000 gibt es den, sehr gut strukturierten Internetauftritt mit vielen Fotos und auch einem Film. Die Texte sind immer mindestens dreisprachig (Englisch, Deutsch, Französisch), aber auch teilweise Italienisch, Spanisch, Chinesisch und Russisch.
Das Archiv ist sehr übersichtlich, hier erschließen sich die vergangenen Aktivitäten der Galerie bis etwa zum Jahr 2000. Zum 55-jährigen Jubiläum soll eine komplette Retrospektive in DVD-Form erscheinen.
Auf der Internetseite sind auch Verweise zu Museen, in denen sich Stücke der Galerie befinden und auf Bücher in denen Stücke publiziert wurden.
Der Leitsatz der Galerie lautet: "Unsere Aufgabe" sehen wir darin "durch Ausstellungen, Publikationen, Leihgaben, Donationen u.a.m. die Würdigung der traditionellen Afrikanischen Kunst fortzusetzen und damit zu einem interkulturellen Verständnis beizutragen."
Verfasser: Andreas Schlothauer