Myanmar Ausstellung im Museum Fünf Kontinente, München

Termin: 19.09.2014 bis 03.05.2015

Ein Museum im Aufbruch? Eine Zwischenbilanz

Der Anspruch von Christine Kron, die 2011 den Direktorenposten des Münchner Völkerkundemuseums antrat, war hoch: Das Museum sollte aus seinem gefühlten Dornröschen-Schlaf aufwachen und in das 21. Jahrhundert aufbrechen bzw. auch dort ankommen.

Nach drei Jahren lässt sich dieser Aufbruch bei internen Abläufen und beim Marketing belegen. Der Freundeskreis des Museum wurde stärker auf das Museum ausgerichtet (siehe dazu den Beitrag auf about africa). Die Kommunikation erhielt eine Frischzellenkur - es gibt beispielsweise einen aktiven und wirklich gepflegten Facebook-Auftritt. Das Museum leistete sich einen neuen Namen: Museum Fünf Kontinente. Und es wurde die Digitalisierung der Bestände vorangetrieben, wobei es aber noch an öffentlich zugänglichen Ergebnissen fehlt. Geschuldet wohl an einem Mangel an Geld und Manpower?

Der Erfolg der neuen Direktion muss sich aber in erster Linie daran messen, wie sehr die Öffentlichkeit abgeholt und fasziniert werden kann. Elementar dafür sind Angebote des Museums an die Öffentlichkeit und vor allem an die Besucher: Vorträge, Veröffentlichungen, Ausstellungen.

Buddha im Fürstenschmuck. Südliche Shan-Staaten. © Museum Fünf Kontinente, Marianne Franke

 Buddha im Fürstenschmuck. Südliche Shan-Staaten. © Museum Fünf Kontinente, Marianne Franke

Tatsächlich lässt sich hier eine Neuorientierung erkennen: So zeigt sich bei den Vorträgen ein deutlich gesteigerter Publikumszuspruch: durch neue, spannende und gut beworbene Vortragsreihen wie den Lucian Scherman Lectures oder Carpet Diem (wobei die häufige Anwesentheit der Direktorin sicher auch zum Erfolg beiträgt) und die stärkere Anbindung der unter der Leitung des Freundeskreises stehenden Veranstaltungen an das aktuelle Museums-Programm.

Bzgl. der Veröffentlichungen gab es u.a. ein nahezu bahnbrechendes, auf der gleichnamigen Ausstellung basierendes Buch zu den Völkerschauen in Deutschland (From Samoa with Love). Darin sind die Angehörigen indigener Völker endlich einmal nicht als Opfer-Stereotypen kolonialer Herrschaft oder 'Der edle Wilde'-Abziehbilder dargestellt, sondern als echte Menschen mit eigenen Interessen, als handelnde Subjekte.

Und der Ausstellungsbetrieb? Da fiel vor allem bei kleineren Ausstellungen der Versuch auf, Ethnologie mit heute relevanten Themen und Probleme zu verknüpfen: Mit dem Drama der Erdölförderung in Nigeria oder auch der Gewalt gegen Mädchen und Frauen in Form von Säure- und Brandattentaten.

Doch welche Richtung lassen die größeren Ausstellungen erkennen? Vielleicht ist hierfür die aktuelle Myanmar-Ausstellung eine Blaupause, schließlich war in einer am 1. September 2014 in der AZ abgedruckten DPA-Meldung zu lesen: "Die Ausstellung «Myanmar. Von Pagoden, Longyis und Nat-Geistern», die Mitte September startet, läute eine neue Ära in der Geschichte des Hauses ein."

Sitzender Tänzer

Sitzender Tänzer, Mandalay, um 1850. Privatsammlung.© Museum Fünf Kontinente, Marianne Franke

Der Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung, der 18. September 2014, war auf alle Fälle gut gewählt: So gewann das Museum den Wettlauf mit dem Linden Museum in Stuttgart, das ebenfalls Myanmar für sich als Thema entdeckte, um genau einen Monat.

Der Auftakt war verheißungsvoll: Ca. 300 Gäste kamen zu Eröffnung, viele davon verfolgten auf dem Boden und der Treppe vor dem Veranstaltungsraum die Einführung auf einem großen Bildschirm mit. Bei seinen Events scheint das Museum Fünf  Kontinente wirklich zu ziehen.

Und wie ist die Ausstellung selber? Einfach ausgedrückt: Sie ist schön und zeigt in mehreren Räumen Aspekte des Lebens und der Kultur auf Myanmar - Gestern und Heute. Dabei werden Impressionen von heute kombiniert mit Fotos und Objekten, die Lucian und Christine Sherman vor 100 Jahren in Myanmar gemacht bzw. gesammelt haben.

Deputy Commissioner Grant Brown und das Ehepaar Scherman, Februar 1911. © Museum Fünf Kontinente, Christine Scherman

Deputy Commissioner Grant Brown und das Ehepaar Scherman, Februar 1911. © Museum Fünf Kontinente, Christine Scherman

Zu sehen sind u.a.: Im ersten Raum für westliche Outsider kitschige Heiligenfiguren und ein Marktstand, der an den afrikanischen Stand erinnert, den das Stuttgarter Linden Museum seit Jahrzehnten präsentiert. Die äußerst spannende Geschichte des Goldenen Briefs, den König Alaugphaya König George II geschickt hat. Nur ist leider weder der Brief noch der originale Transportbehälter ausgestellt. Der angeblich einzige Brillen-Buddha - der aussieht, als käme er aus einem Abenteuerfilm aus Hongkong mit Jacky Chan. Eindrucksvolle Holzfiguren, Nat-Geister aus dem 17./18. Jahrhundert. Prunkvolle Kostüme, die das Ehepaar Schermans 1910/1911 gesammelt hat. Faszinierende Zeugnisse der Kultur der Naga, die als Kopfjäger berüchtigt waren. Die Welt der Fischer. Marionettenfiguren - real und als Video. Und zum Abschluss Werke moderner myanmarischer Künstler.

Marionette „Elefant“. Sammlung Scherman. © Museum Fünf Kontinente, Marianne Franke

Marionette „Elefant“. Sammlung Scherman. © Museum Fünf Kontinente, Marianne Franke

Das Ganze ist sorgfältig in Szene gesetzt worden, geschmackvoll und mit großen Bildern unterstützt präsentiert und wirklich sehenswert!

Aber: Irgendwie beschlich mich als Besucher das Gefühl, ich wäre in einer sehr guten Tourismus-Veranstaltung für Myanmar: Es ist alles schön, macht Lust, das Land zu bereisen - Myanmar ist ja im Moment 'in'. Irgendwie fehlen aber Momente, die berühren oder den eigenen Horizont erweitern. So erfährt man in der Ausstellung selbst wenig darüber, wie das Land unter der Diktatur gelebt hat und lebt, wie die Menschen mit der plötzlichen Öffnung zurechtkommen, inwieweit die Naga und andere indigenen Völker sich ihre Kultur bewahren, welche Spannungen heutzutage in der Gesellschaft existieren, über individuelle Schicksale, die nahe gehen, wo es Anknüpfungspunkte und Fremdheiten zwischen der dortigen Bevölkerung und uns Europäern gibt etc. etc.. Probleme werden kaum angesprochen und auch der Alltag bleibt verborgen - außer man sieht pittoreske Fotos von Fischern in ihren Booten als Alltag an. Und irgendwie fehlt es an einer Story, die die Ausstellung erzählt - abgesehen vom Gegensatz Früher zu Heute, der aber nicht so deutlich wird.

Fischer

Fischer am Inle-See. © Birgit Neiser

Doch kann das Museum deshalb kritisiert werden? Vielleicht ist ja gerade in einer konservativen Stadt wie München dies der erfolgversprechende Weg: Mit den kleineren Ausstellungen auch mal zum Denken anregen. Und mit den großen Ausstellungen ein Publikum ansprechen, das sich das Museum unter 'Mainstream' vorstellt. Werden nähere Informationen gewünscht, kann auf das Kleingedruckte, d.h. den Ausstellungskatalog, verwiesen werden. Ich persönlich hätte mich aber gefreut, wenn die Ausstellung Widerhaken in meinem Kopf festgesetzt hätte, die länger als nur bis zum Nachhauseweg gewirkt hätten.

Kann also mit dieser Ausstellung die Öffentlichkeit abgeholt und fasziniert werden? Ein 'Ja', mit einem etwas kleineren 'Aber'. Die Myanmar-Ausstellung ist ehrbar für einen Neustart, es bleibt jedoch noch Luft nach oben.

PS: Wenn ich einen Wunsch frei hätte: ein zeitgemäßes Audioguide-System - auch wenn so etwas Geld kostet. Es muss ja nicht unbedingt so aufwändig sein wie das im Ägyptischen Museum.

Die Ausstellung dauert vom 19. September 2014 bis zum 3. Mai 2015. 

Zur Ausstellung ist ein Begleitband erschienen.

 

 

                           

Autor

  • Ingo Barlovic

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  • Quellen-Nennung: Myanmar Ausstellung im Museum Fünf Kontinente, München; Ingo Barlovic; 2014; https://www.about-africa.de/auktion-messe-galerie-ausstellung/409-myanmar-ausstellung-im-museum-fuenf-kontinente-muenchen
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