Eigener Bericht und Fotos zur Ausstellung Deutscher Kolonialismus im Deutschen Historischen Museum in Berlin

Parallel mit dem Landesmuseum Hannover nimmt sich auch das Deutsche Historische Museum in Berlin in seiner vom 14. Oktober 2016 bis zum 14. Mai 2017 stattfindenden Ausstellung DEUTSCHER KOLONIALISMUS. FRAGMENTE SEINER GESCHICHTE UND GEGENWART des Themas Kolonialismus an.

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Abb. 1

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Abb. 2 

Die Ausstellung ist themenmäßig geordnet. 

Sie beginnt mit Kolonialfiguren, die "einen afrikanischen und ozeanischen Blick auf die Symbole und das Personal der Kolonialherrschaft erlauben", wie in der Beschriftung erklärt wird. Es sind spannende Exponate wie eine große Colonfigur (Abb. 4) aus Nigeria oder Kamerun, die einen Offizier darstellt, oder auch eine Figur mit Mütze aus dem ehemaligen  Bismarck-Archipel (Abb. 7).

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Abb. 4 Offizier, Kamerun oder Nigeria

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Abb. 5 Bismarck-Archipel, Papua Neuguinea

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Abb. 6 Bootsaufsatz, Papua Neuguinea (Neu-Irland oder Bismarck-Archipel)

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Abb. 7 Bismarck-Archipel, Papua-Neuguinea

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Abb. 8 Offizier, Soldat, Dahomé

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Abb. 9 Doppelgesichtige Figur

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Abb. 10 Bakongo, Kongo

Ein grosser Schaukasten (Abb. 11) weist danach auf Kolonialismus im globalen Kontext hin. Besonders beeindruckend eine in Prag um 1555 entstandende Mohrenmaske (Abb. 12). Sie wurde auf einem Turnier eingesetzt, bei der eine Partei aus christlichen Rittern bestand, die andere durch Masken auf den Visieren als feindliche Türken und 'Mohren' verkleidet war.

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Abb. 11

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Abb. 12 'Mohrenmaske' als Wechselvisier

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Abb. 13 Figurengruppe von Urmenschen mit Tieren

Zwiespältig wird das Thema Deutsche als Herrscher mit Themen wie Militär, Verwaltung, Gewalt behandelt. Zwar wird diesem Aspekt ein breiter Raum gegeben und u.a. auf den Maji-Maji-.Aufstand und den Völkermord an den Herero und Nama hingewiesen, aber wie auch in Hannover ist das Ganze sehr brav. Das Leiden, das auch deutsche Kolonialherren über die Bevölkerung brachten, wird nicht so recht deutlich, es fehlt an den Blick öffnenden Bildern oder auch an emotional aufrührenden Einzelschicksalen. Der Mensch wird nicht sichtbar. So sind die gezeigten ethnologischen Gegenstände der betroffenen Völker (Abb. 23) in erster Linie pittoresk - was auch auf eine eindrucksvolle Askari-Figur (Abb. 18) und sogar auf ein toll geputzes und blinkendes Maschinengewehr (Abb. 20) zutrifft...

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Abb. 14 Arbeitszimmer von Heinrich Schnee, letzter Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und prominenter Vertreter des Kolonialrevisionismus 

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Abb. 15 Kilimandscharo, 1914, Walter von Ruckteschell

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Abb. 18 Askari, Ostafrika

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Abb. 23 Kriegsbeute des Maji-Maji Krieges

Der Eindruck, dass es damals wohl gar nicht so schlimm war, wird dadruch verstärkt, dass im Anschluss die Zusammenarbeit in den Kolonien thematisert wird, z.B. auf medizinischem Gebiet.

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Abb. 24 Mobiler Webstuhl aus dem Ewe-Gebiet, Togo, vor 1881

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Abb. 25

Bei Grenzbeziehungen und Grenzüberschreitungen im Kolonialen Verhältnis geht es u.a. um die Einordnung in Rassen und Stämme, anthropologische Ordnungsschemen oder auch Kolonialausstellungen, kurz darum, wie versucht wurde, zwischen uns und den anderen zu unterscheiden und sie dadurch auch zu diskriminieren. Aber auch hier bleibt die Ausstellung seltsam harmlos. So werden Gipsstückformen zu Gesichtsmasken (Abb. 26) gezeigt, nicht aber die auch noch in Deutschland vorhandenen Sammlungen von Schädeln, mit denen versucht wurde, Menschen zu bestimmten Rassetypen zuzuordnen. 

Und wenn als ein wesentlicher Beleg für Abgrenzung und auch Diskrimierung ein schönes weißes Kleid aus Baumwolle gezeigt wird (Abb. 27), um zu demonstrieren, wie sich die Europäer durch Kleidung von den Indigenen absetzten, dann ist das halt auch in erster Linie pittoresk.

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Abb. 26

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Abb. 27

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Abb. 29

Im Abschnitt Koloniales Sammeln und Sammeln und Ordnen in Museen werden u.a. eine Figur der Fang und eine Maske der Bule/Bulu (die heute eher durch Affenfiguren bekannt sind) (Abb. 33), der Sarotti-Mohr (Abb. 32) und heutige Sammler der kolonialen Zeit gezeigt. Es geht also nicht nur um das Sammeln von Objekten aus den Kolonien, sondern auch um das Sammeln von hiesigen Gegenständen, die mit der Kolonialzeit zu tun haben.

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Abb. 33 Figur der Fang, Maske der Bule (auch Bulu), beides Kamerun

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Abb. 35

Kolonialzeit ohne Kolonien handelt davon, wie versucht wurde, die durch den ersten Weltkrieg verlorenen Kolonien wieder zurückzugewinnen, indem z.B. der Askari-Mythos inszeniert wurde. Es scheiterte u.a. daran, dass für Hitler die Gewinnung von zusätzlichem Lebensraum im Osten eine wesentlich höhere Priorität hatte.

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Abb. 36 Uniformrock für Angehörige des deutschen Kolonialkriegerbundes

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Abb. 37

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Abb. 38 Askarifigur

Bei Dekolonialisierung und geteilte Erinnerung geht es um die Unabhängigkgeit ehemaliger Konlonialstaaten, aber auch um die "antiimperialistische Solidarität als Leitbild der DDR". Höhepunkt bzgl. seiner Symbolkraft ist sicherlich das gestürzte Denkmal von Hermann von Wissmann mit Askari und Löwe (Abb. 40). Es wurde 1909 eingeweiht, kam nach dem ersten Weltkrieg nach London, wurde ab 1922 von der Universität Hamburg aufgestellt und nach vielen Studentenprotesten gelang erst in der Nacht des 31. Oktober 1967 der Denkmalsturz. Seitdem wurde es in der Universitätssternwarte eingelagert.

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Abb. 39 Skulptur eines Soldaten der mosambikanischen Befreiungsarmee FRELIMO, stand ab 1975 im Museum für Deutsche Geschichte, dem zentralen Geschichtsmuseum der DDR

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Abb. 40 Gestürztes Denkmal von Hermann von Wissmann mit Askari und Löwe

Die Ausstellung endet in der jüngsten Vergangenheit, mit Themen wie Dekolonialisierung und kalter Krieg oder auch der Neuen Schwarzen Bewegung mit der Zeitschrift Afro Look. Eine Zeitung von Schwarzen Deutschen für Schwarze Deutsche.

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Abb. 41 Afro Look

Am Ende bleibt ein ambivalenter Eindruck. Einerseits ist es eine Ausstellung, die Spaß macht, sinnvoll gegliedert, mit guten Exponaten und Erläuterungen und einem lesenswerten Katalog.

Andererseits: Hätte man sich einen solch milden Rückblick auf die Zeit erlaubt, wenn es um das NS-Regime und den Holocaust gegangen werden? Kann es wirklich sein, dass als vorherrschender Gedanke zurückbleibt: 'So schlimm war es ja gar nicht in den deutschen Kolonien.' 

Auf alle Fälle scheint solch eine Nostalgie in einer chaotischen und krisengeschüttelten Gegenwart angesagt: Die Ausstellung ist nach Ausssagen von Museumsmitarbeitern ein Publikumsrenner.

DEUTSCHES HISTORISCHES MUSEUM

Zeughaus und Ausstellungshalle
Unter den Linden 2
10117 Berlin

Tel. +49 30 20304-0

ÖFFNUNGSZEITEN

täglich 10–18 Uhr

www.dhm.de

Vielen Dank an das Deutsche Historische Museum für die Erlaubnis zu fotografieren und die Bilder auf www.about-africa.de zu posten.

Text und Fotos: Ingo Barlovic

Autor

  • Ingo Barlovic

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  • Quellen-Nennung: Eigener Bericht und Fotos zur Ausstellung Deutscher Kolonialismus im Deutschen Historischen Museum in Berlin; Ingo Barlovic; 2016; https://www.about-africa.de/auktion-messe-galerie-ausstellung/796-eigener-bericht-und-fotos-zur-ausstellung-deutscher-kolonialismus-im-deutschen-historischen-museum-in-berlin
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