Drei Sammlergenerationen in einer wegweisenden Tribal Art-Auktion am 27. Mai 2017 bei Zemanek-Münster

In den 1960er und 70er Jahren herrschte in Deutschland bei der traditionellen außereuropäischen Kunst eine Aufbruchsstimmung. Getrieben u.a. durch Bücher von Schmalenbach oder Himmelheber und der Sehnsucht nach der Ferne kamen immer mehr Objekte der Stammeskunst nach Deutschland: Direkt aus Afrika durch Sammler/Händler wie Boris Kegel-Konietzko oder Bernd Muhlack, ‚vom Afrikaner‘, d.h. von afrikanischen Vermittlern, die deutsche Kunden zu Hause besuchten, aber auch durch Kunsthändler wie Ludwig Brettschneider oder Galerien - beispielsweise hat Arno Henseler bereits 1975 seine immer noch bestehende Galerie in München eröffnet.

Dabei richtete sich der deutsche Blick vor allem nach Westafrika, die für die frankophonen Sammler wichtigen Regionen wie Kongo oder Gabun wurden fast ausgeklammert und damit häufig auch teure, sehr fein geschnitzte Spitzenqualität. Unter den Stücken, die den Weg in die deutschen Sammlerzimmer fanden, war wie nicht nur Edelmetall, sondern auch Katzengold. So berichtet Gert Stoll, die deutsche Koryphäe für die Kunst der Yoruba, es sei damals möglich gewesen, in Hotels in Nigeria erstklassige Ibejis zu erwerben. Diese standen zusammen mit für den Markt gemachten Objekten zum Verkauf. Man benötigte Kennerschaft für den Aufkauf – ein Expertentum, das viele damaligen Sammler nicht auszeichnete. Oft ließen sie sich nur minderwertige oder gefälschte Ware andrehen.

Dieser Aufbruch führte zu wenigen Weltklasse-Kollektionen, zu einigen beachtlichen Sammlungen, aber auch zu vielen Wohnhäusern, die unters Dach mit Fälschungen vollgestopft waren, wie es der schon damals umtriebige Karl-Ferdinand Schädler einmal formuliert hatte. Diesem Sammlungs-Wildwuchs setzte Schädler etwas Wuchtiges entgegen: Sein 1973 erschienenes Buch Afrikanische Kunst in deutschen Privatsammlungen wurde zu einem Art Kanon dafür, was in Deutschland als authentische Kunst angesehen wurde.

Die Afrikasammlung des 1925 geborenen Walter Schmidt, von der am 27. Mai 2017 als Teil der Tribal Art Auktion 86 des Auktionshauses Zemanek-Münster in Würzburg 65 Objekte mit einem eigenem Katalog unter den Hammer kommen, ist geradezu prototypisch für eine beachtliche deutsche Sammlung der damaligen Zeit. Sie beinhaltet gute, authentische Stücke, die teilweise in Schädlers wegweisendem Buch veröffentlicht wurden und deren Provenienzen eine Zeitreise zulassen: Es finden sich Namen wie Muhlack, Brettschneider, Kegel-Konietzko, Wyss, Henseler, Walter Kaiser, Gert Stoll (Galerie Schwarz-Weiß) oder auch der Münchner Galerist Wiesnet-Henning. Aber ebenfalls typisch: Angeboten werden  - wenn überhaupt - nur wenige Triple A-Stücke, was sich auch an den realistischen Schätzwerten ablesen lässt, die zumeist  im 3- bis 4-stelligen Bereich liegen.

Höhere Taxen erreichen eine auf 15.000 Euro geschätzte Reliquarfigur der Kota aus Gabun (Lot 54), die bereits 1960 publiziert wurde und eine äußerst fein geschnitzte Maske der Guro mit Vogelfigur (Lot 23) für 12.000 Euro, deren schräg stehende Augen faszinieren.

Kota Lot 54

 Lot 54, Kota, Foto: Lother, Thomas

Guro Lot 23

Lot 23, Guro, Foto: Thomas, Lother

Sehr gut ist eine in Schädlers Buch abgebildete weibliche Figur der Mende (Lot 1), angesetzt für 5.000 Euro. Bemerkenwert neben vielen weiteren Werken aus dieser Sammlung auch Objekte der Senufo und der Baule von der Elfenbeinküste. Ein Auktionsangebot, das Spaß macht!

Mende Lot 1

Lot 1, Mende, Foto: Thomas, Lother

 

Die Versteigerung der Sammlung Schmidt hat eine enorme Marktbedeutung: Sie ist ein Gradmesser dafür, wie sich zumindest in Deutschland der Markt für Stammeskunst in der nächsten Zeit weiter entwickeln wird. Wird die Preis-Schere zwischen den nur guten Objekten und der vor allem von den großen Auktionshäusern als Spitzenstück gehypten Werke weiter auseinanderdriften, oder gelingt es Zemanek-Münster, diese Entwicklung aufzuhalten? Werden also die Lose nur zögerlich und wenn überhaupt am unteren Ende ihrer Schätzpreise zugeschlagen, oder werden sie - was ich persönlich vermute - überzeugende Ergebnisse erreichen?

Am 27. Mai werden noch Teile zwei weiterer Kollektionen auktioniert: Ludwig Leicher hat eine Generation vor Schmidt, noch vor dem 2. Weltkrieg, seine Sammlung aufgebaut, vieles ist aber im Krieg verloren gegangen. Zum Aufruf kommt recht viel Asiatica, darüber hinaus eine schon 1883 von Carl A. Pöhl verkaufte männliche Figur von den Osterinseln (Lot 86), die mit 20.000 Euro geradezu vorsichtig taxiert wurde.

Osterinsel Lot 86

Lot 86, Osterinsel, Foto: Thomas, Lother

Bei der zum Verkauf angebotenen Stammeskunst des bekannten Frankfurter Künstlers Bernhard Jäger, der seine Sammlung zusammen mit seiner Frau, der Expertin für außereuropäischen Schmuck Ute Wittich, aufgebaut hat, ist es erhellend, Paralallen zwischen diesen Objekten und seinen eigenen Arbeiten und künstlerischen Phasen zu entdecken. Fast immer finden sich ausdrucksstarke Gesichter und es gibt wenig klassisch-Schönes, sondern eher Spannungsvolles. Recht viele seiner Objekte stammen von Peter Loeberth, wie eine auf 3.000 Euro geschätzte geradezu malerische Maske der Ituri (Lot 154).

Ituri Lot 154

Lot 154, Ituri, Foto: Thomas, Lother

 

Mit 40.000 Euro am höchsten bewertet wird von den insgesamt 518 Lots, unter denen sich wirklich spannendes Material befindet, ein Kunstwerk, das nicht aus den 3 genannten Sammlungen stammt: Ein seltener Kopfaufsatz der Eket aus Nigeria (Lot 300), der in seiner radikalen Reduziertheit und Abstraktion zeigt, was seit über 100 Jahren Künstler und Sammler an der Art premier begeistert. Ein vergleichbares, aber wohl noch älteres  Objekt mit der Provenienz Jacques Kerchache wurde 2013 von Sotheby’s für über 800.000$ verkauft.

Eket Lot 300

 Lot 300, Eket, Foto: Thomas, Lother

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Eine gekürzte Version dieses Artikels erschien in Kunst und Auktionen 09/2017.

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