Zur Sammlung Reinhard Klimmt in Osnabrück und deren Rezeption
Wieder einmal erhitzt eine Afrika-Ausstellung die Gemüter [Habari Afrika! Schönheit und Schrecken in der traditionellen und zeitgenössischen Kunst Afrikas].
Wieder einmal geht es um die Frage, was echt ist und was falsch.
Selbstverständlich hat die Öffentlichkeit Anspruch darauf, zu erfahren, ob sie es mit Falsifikaten oder Originalen zu tun hat. Selbstverständlich ist eine Diskussion über diese Frage erlaubt.
Mehr noch: Sie muss geführt werden, um Sammler und Liebhaber afrikanischer Kunst auch mit den Problemen, die ihr anhaften, vertraut zu machen.
Die Frage, die mich beschäftigt, ist aber eine andere:
Wer meldet sich da lautstark zu Wort und warum auf diese Weise?
Es ist noch nicht allzu lange her, da verstanden sich die Sammler afrikanischer Kunst als eine Gemeinschaft, deren Interessen sie freundschaftlich verbanden. Einige von ihnen organisierten sich in Vereinen und suchten Kontakt zu den Verwaltern großer Sammlungen, anderen genügte es, sich an den erworbenen oder mitgebrachten Objekten zu erfreuen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass diese Zeit der gemeinsamen Begeisterung vorbei ist.
An ihre Stelle tritt eine Gesellschaft aggressiver Experten, die abgehoben vom Rest der Kollegen ihre Geschäfte tätigen.
Die Ausstellung der Sammlung Klimmt in Osnabrück ist ein Beispiel dafür, wie sehr sich die Szene verändert hat, wie sehr eine Elite über den Rest der Sammler zu herrschen beginnt. Nicht die Fakten sind es, die mich ärgern, es ist der Stil derer, die ein Problem erkannt haben und damit an die Öffentlichkeit drängen, bevor sie auch nur den Versuch unternommen haben, ihren Verdacht oder ihr Wissen mit den Betroffenen zu diskutieren. Sie nutzen schnellstmöglich die Gelegenheit, um anzuprangern, nicht um zu helfen, Fehler zu korrigieren. Hätte man anstelle des Fokus-Redakteurs nicht auch Herrn Klimmt anrufen können? Das hätte freilich keine Schlagzeilen gebracht und wäre auch kein Beitrag zur Selbstdarstellung gewesen.
Einmalig an dieser Komödie ist aber der Umstand, dass hier Händler gegen einen Kunden agieren und die Namen ihrer Kollegen, die diesen Kunden betrogen haben, unerwähnt bleiben. Hier wird ein Stellvertreterkrieg ausgefochten, der der Szene den größtmöglichen Schaden zufügt, weil ein „Skandal“ wie dieser viele entmutigen wird, ihrer Leidenschaft weiterhin nachzugehen.
Es ist auch typisch für diese Diskussion, dass ihr wesentlichstes Argument das der investierten Steuergelder ist. Ich habe bisher nirgendwo gelesen, dass alles in der Ausstellung falsch gewesen wäre. Es scheint so zu sein, dass etliche Stücke Fälschungen sind. Hätte man diese mit dem Hinweis „Falsifikat“ gekennzeichnet, wäre die ganze Diskussion hinfällig gewesen.
Es ist bekannt, dass in jedem Museum Stücke zu finden sind, deren Echtheit angezweifelt werden kann. Die Verwalter dieser Objekte geraten aber nur selten in vergleichbare Turbulenzen. Ein Sammler wie Klimmt, dessen berufliche Vergangenheit die Diskussion erst auf ein so hohes Niveau gebracht hat, war das ideale Ziel, weil es natürlich einen Unterschied macht, ob ein unbekannter Idealist ins Visier der Kritik gerät oder jemand, dem [Altbundeskanzler Gerhard] Schröder und [Ethnologieprofessor Till] Förster Texte zum Katalog beigesteuert haben.
Die aktuelle Diskussion zeigt aber auch die Veränderungen, die sich bei Sammlern und Händlern abzeichnen. Die Platzhirschen von einst sind alt geworden. Sie reisen nicht mehr und begnügen sich damit, Objekte, die irgendwann nach Europa gelangt sind, herumzureichen. Begründet wird das damit, dass es in Afrika nichts mehr zu erwerben gäbe. Leider ist diese Befürchtung nicht gänzlich unberechtigt. Trotzdem vergeht kein Jahr, in dem nicht gute Objekte aus Afrika nach Europa gelangen. Klimmt sagt entschuldigend, er hätte ohnehin nie bei afrikanischen Händlern gekauft. Nun wurde er eben von europäischen schlecht bedient.
Die Unsicherheit und die Angst, betrogen zu werden, haben dazu geführt, dass sich der Handel und die Sammler zunehmend auf Provenienzen stützen. Diese sind inzwischen wichtiger geworden als die Objekte selbst. Das lässt sich leicht erkennen, wenn man die Preise von Objekten mit und ohne Herkunftsnachweis vergleicht.
Eine weitere Irritation ist durch die gängigen Bewertungskriterien entstanden. Hier hat sich die Ästhetik an die vorderste Stelle gereiht, gefolgt von der ethnologischen Sicht, die eine rituelle Verwendung der Gegenstände verlangt. Afrikas Tempel sind nach wie vor mit Kultgegenständen gefüllt. Was diese entwertet, ist ihre mangelnde künstlerische Qualität, ihre fehlende Expression. Wer in Afrika lebt und Zugang zu traditionellen Gesellschaften hat, der weiß, dass auch diese Fetische und Ahnenfiguren irgendwann in außerafrikanischen Sammlungen landen werden, spätestens dann, wenn sich die Kriterien des Sammelns wieder von den elitären Ansprüchen gelöst haben. Dass diese Gegenstände in Afrika bleiben werden, ist unwahrscheinlich. Bis heute gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich im Ursprungsland auch nur ansatzweise ein Interesse bilden könnte, das über den rituellen Gebrauch hinaus die Erhaltung von Kulturgut gewährleisten würde. Die Erklärung dafür liegt in dem Umstand, dass traditionell denkende Menschen dort jeden Kultgegenstand, der nicht in einem religiösen Zusammenhang seiner Funktion gerecht wird, als obsolet betrachten.
Die Zukunft muss in Afrika, aber auch in Europa die Standpunkte verändern oder es wird so weitergehen wie bisher: Vermarktung der Kulturen als Wirtschaftsfaktor und eine wahnwitzig übersteigerte Wertschätzung einiger Objekte, deren bedeutendste Eigenschaft ihr Vorbesitzer ist.
Ich würde mir eine Phase der Abkühlung wünschen, in der Gleichgesinnte wieder zueinanderfinden, auch wenn deren merkantile und ethnografische Ansprüche auseinanderdriften. Der Freundeskreis afrikanischer Kunst könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Vielen Dank an Gert Chesi!
Haus der Völker (HDV)
Museum für Kunst und Ethnographie
St. Martin 16, AT-6130 Schwaz
Öffnungszeiten Museum / Café / Shop:
täglich von 10h - 18h
Führungen:
jeden Sonntag um 15h
(ab 5 Personen) und auf Anfrage
Tel. +43-5242-66090
Fax. +43-5242-66091
Email:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web:
www.hausdervoelker.com
www.hdv-online.eu