Seit letzter Woche gibt es die "Sammlung digital" des Linden-Museums in Stuttgart, eine gut gemachte Datenbank, bei der im Moment ca. 2.000 Objekte digital erfasst wurden. Wie das Museum auf einer Online-Pressekonferenz am 30.11.2020 mitgeteilt hat, hat man dabei versucht, so sorgfältig wie möglich vorzugehen: So hat man sich nicht auf die alten Texte und Eintragungen verlassen, sondern sie neu geschrieben. Damit will man zum einen Ungenauigkeiten und Diskriminierung (v.a. in der Sprache) vermeiden und zum anderen sich die Objekte partizipativ u.a. mit Mitgliedern der Herkunftsgesellschaften erarbeiten. Und dies benötigt Zeit.
Dementsprechend wollte sich die Direktorin des Museums Inés de Castro auch nicht festlegen, wann der größte Teil der 160.000 Objekte des Museums digitalisiert sein wird. Auf meine Frage sprach sie von mindestens 15 bis 20 Jahre. Ein Grund für den fehlenden Zeithorizont: Es ist ein Neubau des Museums geplant, und dies könnte ein Zeitfresser sein, oder aber auch die Digitalisierung erleichtern.
Die Datenbank ist sehr gut geworden mit einfacher Usability, es gibt gute Objektfotos (auch dies ein Zeitfresser: "Fotos sind ein Nadelöhr", so De Castro) und Beschreibungen. Ein breiter Raum wird den durch Provenienzforschung gewonnenen Erkenntnissen eingeräumt, wie die Stücke erworben wurde. Aus meiner Sicht leider wurde nicht mit einem schnell zu erfassenden Ampelsystem gearbeitet, bei dem z.B. Rot bedeutet, 'Wurde nachweislich geraubt etc‘, Grün: 'Der Erwerb ging mit rechten Dingen zu' und gelb: 'Nähere Umstände des Erwerbs sind nicht bekannt.' Als ein Grund gab De Castro dafür an, dass die Erwerbskontexte zu kompliziert seien und man bei solch einer Bewertung nicht zu eurozentriert sein wolle. Es könnte ja sein, dass der konkrete Erwerb von einer Herkunftsgesellschaft anders aufgefasst wird.
Damit scheint es aber in der nächsten Zeit in Baden-Württemberg keine Restitutionslösung zu geben, wie es in den Niederlanden angedacht ist: Dort hat man vor, gestohlene oder unter Druck gesammelte Güter schnell an den Staat zurückgegeben, von dessen Gebiet es geraubt wurde. Für De Castro ist dies keine optimale Lösung, weil die Objekte nicht direkt den Herkunftsgesellschaften zugeführt werden.
Die alten Sammlungslisten werden übrigens nicht allen Interessenten zugänglich gemacht, sondern nur Wissenschaftlern und den Herkunfts-Communities.
Zur Website 'Sammlung digital' des Linden-Museums.