Diese Szene in dem Megablockbuster Black Panther war für viele ein Gamechanger: Der Ex-Soldat und zukünftige König von Wakanda (wenn auch nur für eine kurze Zeit) Killmonger steht in einem britischen Museum vor einer Vitrinen mit Artefakten aus Afrika und möchte eines an sich nehmen. Als der Museumsdirektor daraufhin erwidert, es sei nicht zum Verkauf, antwortet Killmonger: “How do you think your ancestors got these? Do you think they paid a fair price? Or did they take it… like they took everything else“.
Durch diese Szene kam die Restitution afrikanischer Kulturgüter und deren Erwerb im kolonialen Kontext in der Populärkultur an. Sie steht aber auch für ein neues Selbstbewusstsein afrikanischer und afro-amerikanischer Intellektuelle und Künstler, die einen eigenständigen Weg Afrikas fordern und sich auf den cultural heritage des Kontinentes besinnen. Dazu stellt sie die westliche Deutungshoheit für afrikanische Objekte und den kolonialen Blick in Frage.
Aber natürlich ist Black Panther ganz prosaisch auch etwas anderes: Eine Comicverfilmung mit Helden, die aus Afrika stammen - auch wenn die Hauptfigur von weißen US-Amerikanern ersonnen wurde. Damit kommen zwei Dinge zusammen, die mich sehr interessieren: Comics und die Kunst und und Kultur Afrikas.
Die erste Auflage von KABOOM! Von Stereotypen und Superhelden-Afrikanische Comics und Comics zu Afrika erschien bereits im Jahr 2015, also einige Jahre bevor Black Panther die Kinokassen rockte. Es ist die Begleitpublikation einer Ausstellung der Baseler Afrika Biographien mit Studierenden der Geschichte an der Universität Basel. Dass 2020 die wesentlich erweitere 2.Auflage im Brandes & Apsel Verlag herauskam, liegt sicherlich an dem zunehmenden Ruf nach Diversität in der Gesellschaft und dem Interesse an Themen abseits des weißen Mainstreams. Aber wohl auch an dem Erfolg von Black Panther.
KABOOM! merkt man an, dass die Ausstellung auf einem „basisdemokratischen“ Ansatz basiert: Die Studierenden konnten bei entscheidenden Facetten mitreden, was teilweise zu einer recht heterogenen Qualität der einzelnen Beiträge führt.
Zu Beginn schildert Antonio Uribe von den Schwierigkeiten im Aufbau einer Sammlung von afrikanischen Comics, wobei man vor allem lernt, dass ein Fokus auf Südafrika und Nambia gelegt wurde.
Der Grund, warum ich nahe dran war, dass Buch nicht weiter zu lesen, ist der folgende Artikel von Jakob F. Dittmar. Dittmar, der mit der wissenschaftlichen Arbeit ‚Comic-Analyse‘ habilitierte, möchte afrikanische Typen und Stereotypen in Comics analysieren. Dieses an und für sich spannende Vorhaben macht er sich mit einem unlesbaren Stil kaputt. Dieser beinhaltet lange Sätze, Nominalstil, Wiederholungen oder aufgesetzte Fremdwörter. Oft hat es den Anschein, er möchte eigentlich Triviales durch sein Wortgewichse (pardon) bedeutungsschwanger aufblasen. Fragt sich nur, ob er nicht anders kann oder will.
Inhaltlich geht es darum, dass es Comics gibt, die mit rassistischen Stereotypen arbeiten und diese wiederholen und verstärken. Andere würden differenzierter damit umgehen und damit mehr Anregungen für „die Auseinandersetzung (kultureller) Repräsentation von verschiedenen Sichtweisen innerhalb der eigenen Kultur“ bieten. Wow, welch überraschende Aussage.
Als ein positives Beispiel führt er Arbeiten von Anton Kannemeier auf, der z.B. einen schwarzen Politiker mit afrikanischen Stereotypen wie den dicken Lippen und im gleichen Bild einen schwarzen Arbeiter als Individuum zeichnet. Mich hat dieses Bild erinnert an die Stereotypen des jüdischen Kapitalisten, die im Stürmer veröffentlicht wurden.
Nach einem autobiografischen Comic von Kannemeier beschreibt Simon Krüsi seine Gedanken zum afrikanischen Comic und die Anregungen für seinen Webcomic ‚Westfield‘, der auch abgedruckt ist. Mit seinem Bezug auf afrikanische Schildermalerei, die Arbeiten von Chéri Samba und seinem theoretische Hintergrund liefert er in seinem kurzen Aufsatz mehr Insights über afrikanische Comics als Dittmar mit seinem seitenlangem Geschreibsel.
Tabea Wullschleger und Patricia Kuhn weisen in ihrem Beitrag auf rassistische Darstellungen in westlicher Werbung und Comics hin, die ihres Erachten heute noch präsent sind.
Ein gelungener Artikel stammt von Lena Heizmann und Mitautoren: Lehr- und Sachcomcis. Leider fehlt hier der Bezug zur afrikanischen Schildermalerei, die ja beispielsweise über Krankheiten wie Aids aufklären sollen.
Die Arbeit von Corinne Lüthy et al fand ich etwas zwiespältig: Sie zeigt auf, wie der afrikanische Alltag in Comics aussieht. Sie wählt dazu zumeist Beispiele, die für das westliche Publikum nachlesbar sind: Werke, die man auch in gutsortierten Büchereien findet. Allerdings eben keine authentisch afrikanische Trivialliteratur. Diese fehlt mir.
Katrin Müller geht es um Politik und Propaganda und damit auch um Karikaturen. Eine wirkmächtige, allerdings heftig umstrittene Karikatur ist abgebildet: The Rape of Justice von Zapiro thematisierte den Vergewaltigungsprozess gegen den damaligen südafrikanischen Präsidentschaftskandidat Jacob Zuma, den er zu meist mit einer Dusche auf dem Kopf zeichnet. Aus Sicht mancher der damaligen Leser beinhaltet die Zeichnung „das rassistische Stereotyp des gefährlichen schwarzen Mannes, der sich an weißen Frauen vergeht“.
In dem für mich persönlich besten Artikel berichten Lisa Roulet und Raffele Perniola von afrikanischen Superhelden in US- und Südafrikanischen und Nigerianischen Comics. Wie in den 1970er Jahren parallel zu den Blaxpoitation-Filmen die ersten schwarzen DC- und Marvel-Helden entstanden. Wie dann ab Mitte der 1970er Jahren in England produzierte Comics für den afrikanischen Markt hergestellt wurden, wobei die Zeichner zuerst einiges über die spezifische Symbolik lernen musste. So erfuhren sie, „dass Fettleibigkeit in Nigeria ein Zeichen von Erfolg war und nicht von Gier“. Oder dass es nicht als sexistisch gelte, „wenn Powerman stets flirtete und bei Frauen großen Erfolg hatte.“ Oder die Reihe um ‚Mighy Man‘, die nicht nur reine Unterhaltung war, sondern Teil eines Propagandaprojektes der Südafrikanischen (Apartheid-) Regierung. Der Protagonist ist ein ehemaliger Polizist mit Superkräften, der gegen Kleinkriminelle und Kommunisten kämpft.
Wenn die heutige Superhelden-Szene in Afrika nach wie vor stark US-dominiert ist, haben sich trotzdem lokale Comic-Szenen etabliert, beispielsweise in Südafrika die Fußballhelden Supa Strikas oder in Nigeria der jugendlichen Superheld Kwezi. Und mit Malika gibt es sogar eine weibliche Superheldin.
Im letzten Kapitel beschreiben Pius Vögele und weitere Autoren die Entwicklung des Südafrikanischen Underground Comics. Dabei gehen sie vor allem auf Bitterkomix mit seinem Mastermind Anton Kannemeyer ein.
Was bleibt als Fazit? Alles in allem ist KABOOM! Von Stereotypen und Superhelden-Afrikanische Comics und Comics zu Afrika eine lohnende Lektüre, da sie Einblicke schafft in eine spannende Welt, die bisher vernachlässigt wurde: Der afrikanische Comic und die Nutzung rassistischer afrikanischer Stereotypen in westlichen Serien. Bisher gab es wenn überhaupt eine solche Diskussion über Tim und Struppi.
Damit macht die Veröffentlichung Lust drauf, sich noch stärker mit dem Thema auseinanderzusetzen, z.B. auch mit den Parallelen zu visueller Werbekunst wie den handgemalten Filmplakaten aus Ghana. Sie ist aber keine umfassende Enzyklopädie - und will dies auch nicht sein. Denn dafür liegt ihr Fokus zu sehr auf nur wenige afrikanische Länder wie Südafrika.
C. Lüthy, R. Ulrich, A. Uribé (eds): KABOOM! Von Stereotypen und Superhelden-Afrikanische Comics und Comics zu Afrika
156 Seiten | Zweisprachig: Deutsch und englisch | 2020 | Brandes & Apsel (Verlag)
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Vielen Dank an den Verlag Brandes & Apsel für das Rezensionsexemplar
PS: Wer etwas über Stereotypen und den Einfluss der Black Lives Mater-Bewegung lernen möchte, dem seit der letzte Lucky Luke-Band Fackeln im Baumwollfeld empfohlen: Der Zeichner Achdé verzichtet darin bei den Afro-Amerikanern auf zeichnerische Stereotypen, karikiert dagegen umso mehr die reichen Südstaatler. Es ist ein bitterböser und äußerst witziger Comic, trotz leichter dramaturgischer Schwächen am Ende.Bei Lehmanns gibt es übrigens auch für 12,00 Euro das Hardcover zu Lucky Luke-Fackeln im Baumwollfeld