Sharon Dodua Otoo, die in London geborene Schriftstellerin und Aktivistin bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, sorgte 2016 für Aufsehen, als sie mit ihrem Text ‚Herr Gröttrup setzt sich durch‘ den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Der 2021 erschienene Romandebüt Adas Raum der in Berlin lebenden Autorin stieß in der Öffentlichkeit ebenfalls auf sehr positive Resonanz.
Inhalt
Sharon Dodua Otto schreibt in ihrem Buch von vier Schicksalen von Frauen mit dem Namen Ada, die parallel montiert werden. Die erste Ada lebt 1459 in Totope in Ghana. Sie ist eine Ga und hat gerade ihr zweites Kind verloren. Als sie sich weigert, ihr Kind ‚schnell zu vergessen‘ wie es die Älteren, die „Zahnlosen“, von ihr verlangen, wird sie mit einem Reisigbesen verprügelt – der das Kapitel aus seiner Sicht erzählt. Im Roman gibt es öfters solche gewagten Erzählperspektiven, die mich an Zeitreise- oder Parallelweltromane erinnern. Später wird sie von einem Portugiesischen Kaufmann getötet.
Lady Ada Lovelace wird heute als Erschafferin des ersten modernen Computerprogramms angesehen. Ihr wird eine Affäre mit dem Schriftsteller Charles Dickens nachgesagt, die Teil der Geschichte ist. Sowohl ihr Geliebter Dickens, Ihr Mann als auch breite Teile der Öffentlichkeit sind befremdet von Ihr Interesse in die Mathemantik, weil sie keine Beschäftigung für Frauen im Viktorianischen Zeitalter ist. Im Roman wird sie von ihrem Ehemann erschossen, in Wirklichkeit stab sie 1852 an Krebs.
Die dritte Ada verbringt ihre letzten Tage in Kohnstein bei Nordhausen, einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, in dem die V-Waffen produziert wurden. Sie lebt dort als Zwangsprostituierte.
Die Ada der heutigen Zeit ist eine hochschwangere schwarze Frau, die vergeblich versucht, in Berlin eine Wohnung zu finden. Am Ende zeichnet sich so etwas wie ein Happyend ab: Sie bringt ihre Tochter zur Welt, und vielleicht wird sie mit dem Kindsvater einen Neuanfang versuchen.
Verbunden werden die vier Geschichten durch eine wertvolle Kette der Ada aus Ghana, die für drei Frauen eine verhängnisvolle Rolle spielt, bis sie bei der Ada von heute ankommt.
Bewertung
Sharon Dodua Otto geht es wohl darum, zu zeigen wie Frauen schon immer diskriminiert wurden und verknüpft dies mit Kolonialismus, Rassismus und Antisemitismus und Gewalt durch Männer. Mein Problem mit dem Buch war, dass einen die Geschichten sehr unterschiedlich packen und ein heterogener Eindruck zurückbleibt: Die Story um die erste Ada beginnt nachdrücklich, wenn beschrieben wird, mit welchen Wiederständen sie in der Dorfgemeinschaft zu kämpfen hat. Dass der Portugiese auftritt, verhilft Otto dazu, die Geschichte mit Kolonialismus zu verbinden und das Halsband auf den Weg durch Zeit und Raum zu bringen, wirkt aber etwas aufgesetzt und überambitioniert, zu voll gepackt.
Die englische Ada, das Mathematik-Genie, wird Opfer der Gesellschaft und ihres Mannes, allerdings lässt zumindest mich dieser Teil des Buches eher kühl. Es erinnert halt eher an ein bürgerliches Drama. Und dass der Ehemann durch die Kolonialzeit als gebrochener Mann nach Hause kommt, geht etwas unter, da er zu sehr als Betrogener erscheint und m:E. die Geschichte durch das Auftreten von Dickens etwas verwässert wird.
Wie groß das Werk hätte sein können, das belegt die Intensität der Kohnstein-Episode, sehr nahe geht einem auch die vergebliche Wohnungssuche. Sie führt automatisch zu der Frage, wie man selber gehandelt hätte, wenn sich eine hochschwangere schwarze Frau, die des Deutschen nicht ganz mächtig ist, sich für eine Miterwohnung vorgestellt hätte… Natürlich lässt dies auch an Josef und Maria denken, nur halt ohne Josef.
Mein Fazit: Sharin Douda Otto kann schreiben und relevante Geschichten erzählen. Ich hätte mir aber gewünscht, wenn ihr Roman etwas gestrafft worden wäre. Andererseits: Lieber ist ein Erstlingswerk zu ambitioniert, als dass es sich in leicht konsumierbaren Nettigkeiten verliert.
Noch ein Funfact: Eine aufstrebende Blockchain-Plattform ist Cardano, deren Kryptowährung ADA heißt: Nach Ada Lovelace, die ja in Ottos Roman eine große Rolle spielt.
Sharon Dodua Otoo: Adas Raum
S. Fischer Verlag, 220 Seiten, 2021
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Vielen Dank an S. Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar