Buchbesprechung: Dialoge – Neo-Expressionistische Gemälde und Alt-Afrikanische Kunstwerke

'Dialoge – Neo-Expressionistische Gemälde und Alt-Afrikanische Kunstwerke' heißt eine Ausstellung, die ab dem 7. Juli 2023 im Museum Sammlung Zimmer in Merzig-Hilbringen zu sehen ist. Dazu ist ein 180 Seiten dicker Katalog, ein gebundenes Buch, erschienen. In der Ausstellung und im Katalog werden großformatige Werke der ‚Jungen Wilden‘, v.a. des Berliner Malers Rainer Fetting, aus der Sammlung Martin Zimmer Objekten im traditionellen Stil aus Afrika aus der Sammlung von Hans-Joachim Welsch gegenübergestellt.

Das Buch herausgegeben hat die Hans-Joachim Welsch Stiftung in Saarlouis.

Zum Inhalt

Nach Vorworten des ehemaligen Außenministers Heiko Maaß, Schirmherr der Ausstellung, und der beiden Sammler, werden auf gegenüberliegenden Seiten Gemälde der Jungen Wilden afrikanischen Werken gegenübergestellt.

Danach gibt der Ethnologe Wolfgang Meyn den theoretischen Unterbau für das Ausstellungskonzept – Meyn ist auch der Kurator der Ausstellung und hat sie zusammen mit den beiden Sammlern konzipiert.  Dabei geht es Meyn vor allem um kulturübergreifende Gemeinsamkeiten der afrikanischen und der europäischen Kunst, wobei er sich insbesondere auf die deutschen Expressionisten der Moderne wie Marc und Macke beruft. Aber es geht nicht nur um Gemeinsamkeiten, sondern auch um Spannungen, die durch die Zusammenschau entstehen und um die Verträglichkeit dieser so unterschiedlich wirkenden expressiven Kunstrichtungen. Der Ausstellungsgedanke ist: Vom Vertrauten im Fremden. Ausführlich zitiert Meyn den vor fast 100 Jahren gestorbenen Freiburger Ethnologen Ernst Grosse.

Auf den Beitrag von Wolfgang Meyn folgt ein 10-seitiger ‚Visueller Rundgang durch die Ausstellung.'

Nach einem sehr persönlichen Aufsatz von Reinhard Klimmt zu seiner Liebe zur Afrikanischen Kunst („Africa is on my mind“) werden im Bildteil auf 80 Seiten afrikanische Objekte der Ausstellung bzw. der Sammlung Welsch vorgestellt und von Wolfgang Meyn beschrieben und ethnologisch eingeordnet.

Auf weiteren 25 Seiten sind die Objekte erneut zu sehen, dieses Mal mit kleineren Abbildungen und noch ausführlicheren Beschreibungen.

Das Buch endet mit einer Bibliografie und den Provenienzen der afrikanischen Werke.

Versuch einer Bewertung

Ich mag die Jungen Wilden sehr, die Neo-Expressionisten, die mit ihren figurativen Bildern in den späten 1970er bis Mitte der 1980er (nicht nur) auf dem deutschen Kunstmarkt für Furore gesorgt haben. Es ist kein Wunder, dass seit fast 30 Jahren ein großes Gemälde von einem von ihnen,  Markus Oehlen, an unserer Wand hängt. Rainer Fetting fand ich spätestens seit dem Film ‚Wer hat Angst vor Rot, Gelb, Blau?‘ aus dem Jahr 1991 klasse, in dem Bilder von Fetting eine Hauptrolle spielten. Im Katalog sind ca. 30 Gemälden von ihm – häufig mit homoerotischen Anspielungen – aber auch von anderen Malern wie Helmut Middendorf abgedruckt. Auf alle Fälle sind Buch und Ausstellung eine echte Entdeckung für mich, da ich – obwohl selber (Exil-) Saarländer - das Museum Sammlung Zimmer nicht kannte.

Dazu ist das Ausstellungskonzept nachvollziehbar: Werke der deutschen Neoexpressionisten der expressiven afrikanischen Kunst gegenüberzustellen. Der Expressionismus der Moderne, der vor über 100 Jahre entstand, wurde ja auch schön öfters zusammen mit Werken aus Afrika und Ozeanien ausgestellt. Heckel, Schmidt-Rottluff, Pechstein und Co. haben diesen ja einiges zu verdanken. Also warum nicht die ‚Nachfolger‘?

Schließlich erscheinen die Objektbeschreibungen und ihre ethnologischen Einordnungen durch Wolfgang Meyn als kompetent.

Und was hat mich persönlich nicht vollständig überzeugt?

Als nicht optimal empfinde ich die Qualität der Objektfotos. Sie haben häufig ein helles Licht von der Seite, das vielleicht an die Sonne oder einen Sonnenaufgang denken lassen soll. In meinen Augen sieht es aber manchmal so aus, als wäre die Farbtemperatur nicht perfekt gewählt. Und auch die Lichtsetzung scheint nicht immer optimal, manchmal sind Teile von Figuren arg dunkel bzw. man kann die Oberfläche nicht gut sehen. Schließlich hätte man sich bei manchen Objekten eine Lichtführung gewünscht, die den Ausdruck der einzelnen Stücke besser herausgearbeitet hätte.

Dazu sind die Aufnahmen ohne (eventuell künstlichen) Schatten freigestellt, was einen etwas vorläufigen Charakter mit sich bringt.

Daneben scheint mir die Auswahl der konkreten Gemälden der Neoexpressionisten und der Werke aus Afrika auf den Doppelseiten etwas beliebig.

Die Sammler-Community der traditionellen afrikanische Kunst wird sich natürlich die Frage stellen, ob die Stücke ‚authentisch‘ sind, d.h. von der jeweiligen Ethnie kulturell oder zumindest traditionell verwendet wurden. Das alte ‚Echt-oder-Falsch-Spiel'. Mir kommt es vor, als würde Hans-Joachim Welsch diesen Aspekt weniger umtreiben, ob also ein Werk wirklich verwendet wurde, eine Neuerfindung im alten Stil ist oder eine Replik. Er hat wohl eher danach ausgesucht, was ihn visuell begeistert bzw. wo aus seiner Sicht die ganz eigene afrikanische Formenspreche bildhauerisch überzeugend umgesetzt wurde.

Beispielsweise hat Wolfgang Meyn viele der Fang Objekte im Buch / der Ausstellung  2002 in Süd-Kamerun erworben. Bei einer Maske der Fang (S. 106) schreibt er, ein nahezu identisches Exemplar wäre vor 1895 gesammelt worden. Damit hat der Leser die Wahl: Handelt es sich um ein Werk aus der Werkstatt des ursprünglichen Künstlers, das 100 Jahre überdauert hat. Oder wurde dieser Maskenstil fortgeführt? Oder ist es eine rezente Replik?

Bei einer großen Schutzfigur (S. 101) gibt Meyn an, sie stamme „zweifelsfrei bereits mindestens aus dem 19. Jahrhundert.“ Da würde mich eine C-14 Messung brennend interessieren, die ja immerhin sagen kann, ob das Holz vor oder nach 1950 gewachsen ist.

Als Provenienzen werden neben Wolfgang Meyn u.a. aufgeführt Bernd Schulz, Italiaander, Kim Redlich, Hartmut Zimmer, Reinhart Klimmt, Kunst Wende oder auch das Auktionshaus Zemanek. Aber wie gesagt: Ich gehe davon aus, dass sich Hans-Joachim Welsch nicht an dem Echt-oder-Fasch-Bashing innerhalb der Szene beteiligen möchte.

Fazit

Ein Fazit fällt mir schwer. Einerseits finde ich es gut, wenn in einer öffentlichen Ausstellung die Kunst Afrikas auf Augenhöhe mit zeitgenössischer deutscher Kunst präsentiert wird! Dies ist umso wichtiger in einer Zeit, in dem immer wieder der Generalverdacht Raubkunst durchs mediale Dorf getrieben wird.

Andererseits habe ich mir einen Blick auf afrikanische Kunst und ihre ‚Authentizität‘ angeeignet, dem von den Fotos her manche der Objekte widersprechen - insbesondere die Fang-Objekte, die aus der Sammlung Meyn stammen. Und da finde ich es etwas problematisch, wenn große originäre Kunst zusammen mit Objekten ausgestellt wird, die aus meiner Sicht teilweise Repliken bzw. neuere Werke im alten Stil sind. Meine Meinung über diese Objekte ist aber subjektiv und kann natürlich falsch sein.

Vielen Dank an Hans-Joachim Welsch für die Zusendung des Katalogs

Autor

  • Ingo Barlovic

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  • Quellen-Nennung: Buchbesprechung: Dialoge – Neo-Expressionistische Gemälde und Alt-Afrikanische Kunstwerke; Ingo Barlovic; 2023; https://www.about-africa.de/buch-publikation-internet/1577-buchbesprechung-dialoge-neo-expressionistische-gemaelde-und-alt-afrikanische-kunstwerke
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