Simon Sebaq Montefiore-Die Welt - Eine Familiengeschichte der Menschheit. Buchbesprechung von Ingo Barlovic

"Die Welt - Eine Familiengeschichte der Menschheit" heißt das ambitionierte Werk des britischen Historikers Simon Sebaq Montefiore. Darin versucht er auf 3.400 Seiten, darunter 2.500 Seiten Text und fast 1.000 Seiten Anmerkungen (Gilt für das eBook. Für die gebundene Ausgabe werden 1536 Seiten angegeben) nicht weniger als die Geschichte der Menschheit zu erzählen - und dabei auch die Geschichte des 'globalen Südens' einzubeziehen.

Inhalt

Montefiore möchte die Geschichte der Menschheit so umfassend wie möglich beschreiben. Er beginnt mit Akkad, dem ersten Großreich der Geschichte, und endet mit Putins Krieg gegen die Ukraine. Dabei beleuchtet er so weit wie möglich auch die außereuropäische Geschichte. Besonders beeindruckend sind die Passagen über China und Asien, auch Indien ist sehr relevant.

Afrika kommt relativ kurz vor, aber es wird deutlich, dass dieser Kontinent mehr zu bieten hat als die koloniale Opferrolle, die er vor allem für deutsche Journalisten spielt. Afrika hat eine von den Europäern unabhängige eigenständige Geschichte mit starken Königreichen und Königen. Der Autor vernachlässigt auch nicht Süd-, Mittel- und Nordamerika.

Zusätzlich geht Montefiore häufig auf mächtige Frauen ein: Die Geschichte der Menschheit wird eben nicht nur von Männern geprägt, auch wenn dies frühere Geschichtsbücher oft vermuten ließen.

Bewertung

Montefiores Buch zu bewerten ist sehr schwierig, da es sich um ein Ungetüm handelt. Ein Buch, an dem man sich reiben kann und das in vielerlei Hinsicht ambivalent ist:

  • Das Buch versucht wirklich umfassend zu sein: Das führt aber bei der ganzen Ereignismenge, dass man beim Lesen teilweise abschaltet. Manchmal wusste ich nicht mehr, was auf der Seite davor war. Die Geschichte wird teilweise zu komprimiert dargestellt.
  • Dementsprechend ist der Umfang eine Herausforderung: Wann immer ich Zeit hatte, habe ich darin gelesen - und es hat über 3 Monate gedauert, bis ich fertig war. Man muss sich für dieses Werk Zeit nehmen.
  • Montefiore geht zwar chronologisch vor, aber im Inhaltsverzeichnis findet man keine Zeittafel, sondern nur Kapitelüberschriften, die manchmal verwirren. Wer weiß schon, worum es bei ‚Song, Fujiwara und Chola‘ geht? Oder wann ‚Die Timuriden, Ming und Obas von Benin‘ spielt? Als Leser ist man geradezu gezwungen, das Buch von vorne nach hinten zu lesen, es fällt schwer, sich einfach mal so bestimmte Ereignisse herauszupicken. Jedem größeren Kapitel, er nennt es ‚Akt‘, ist vorangestellt, wie viele Menschen damals auf der Erde lebten. Und vor jedem Akt stehen die Namen der Mächtigen, die in diesem Kapitel eine Rolle spielen.
  • Stilistisch ist das Buch sehr unausgewogen.
    • Es gibt Passagen, in denen Montefiore mitreißend erzählt und man dann noch mehr über bestimmte Herrscher erfahren möchte, die er einem wirklich näher bringt.
    • Teilweise hat man jedoch das Gefühl, ein Telefonbuch zu lesen, wenn 10 oder mehr Namen auf einer halben Seite aneinandergereiht sind. Es wirkt dann sehr trocken.
    • Dann merkt man immer wieder, wie sehr der Autor Klatsch und Tratsch liebt: Geradezu genüsslich berichtet er, wenn Player schwul sind oder besondere sexuelle Neigungen haben.
    • In die gleiche Richtung: Immer wieder gibt es saloppe Beschreibungen der Herrschenden, die man in einem solchen Werk nicht vermutet hätte. („... war ein eitler und unfähiger Hanswurst...“) Das ist durchaus lesbar, manchmal witzig, oft treffend, manchmal aber fast zu flapsig. Spätestens hier wird deutlich, dass der Autor nicht (nur) den alten Studienrat als Leser im Auge hat, sondern (auch) ein jüngeres Publikum.
    • Schließlich beschreibt er Gewalt recht drastisch („... wer keine Hoden und keinen Penis vorweisen konnte, wurde geköpft...“).
  • Der deutsche Untertitel führt in die Irre: Es geht nicht um Familien, sondern um Herrscher.
  • Das Buch bemüht sich durchaus um Vielfalt: Oft genug werden auch starke Frauen beschrieben. Andererseits interessiert sich Montefiore wenig für den ‚normalen Menschen‘. Wie es war, zu den damaligen Zeiten unter den Herrschenden zu leben, bleibt nach der Lektüre unklar.
  • Als Nicht-Historiker kann ich nicht beurteilen, wie wissenschaftlich genau das Werk ist. Aber selbst mir ist aufgefallen, dass er manchmal Anekdoten erwähnt, bei denen unklar bleibt, ob sie wahr oder Propaganda sind.
  • Und was habe ich über die Welt in ihrer Gesamtheit gelernt?
    • Dass Menschen immer Menschen bleiben – egal ob die Herrscher Männer sind oder Frauen, in der westlichen Welt leben oder im globalen Süden. Dass die Mächtigen auf jedem Kontinent morden, pfählen, köpfen oder kastrieren.
    • Und dass die Familie des Herrschenden von ihm entweder gefördert - oder umgebracht wird, um sich Rivalen vom Hals zu schaffen.

Fazit

Bleibt die Frage: Lohnt es sich, ‚Die Welt - Eine Familiengeschichte der Menschheit‘ zu lesen?  Ja, bei allen Schwächen, die das Werk hat. Denn es ist wirklich eine über weite Strecken lesbare, umfassende Geschichtslehre in komprimierter Form. Wobei gerade Regionen, Ereignisse und Personen (Frauen!), die in der Schule vernachlässigt wurden, eine wichtige Rolle spielen.

Man sollte sich aber die Zeit nehmen und im Idealfall die erwähnten Ereignisse recherchieren. Verzichtet man darauf und hat keine profunden Geschichtskenntnisse, dann bleibt als eher oberflächlicher Gesamteindruck nur übrig:  Egal wo, egal wann, die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Gewalt. Eine differenziertere Betrachtung hat man schon kurz nach der Lektüre eines Kapitels vergessen.

Die Welt - Eine Familiengeschichte der Menschheit von Simon Sebaq Montefiore:

1536 S. (Gebundene Ausgabe), 2023, Klett Cotta

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Vielen Dank an den Klett Cotta Verlag  für das Rezensionsexemplar

Autor

  • Ingo Barlovic

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  • Bilder und andere multimediale Inhalte bedürfen immer der Freigabe durch den/die Urheber.
  • Quellen-Nennung: Simon Sebaq Montefiore-Die Welt - Eine Familiengeschichte der Menschheit. Buchbesprechung von Ingo Barlovic; Ingo Barlovic; 2024; https://www.about-africa.de/buch-publikation-internet/1622-simon-sebaq-montefiore-die-welt-eine-familiengeschichte-der-menschheit-buchbesprechung-von-ingo-barlovic
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