Der 1989 verstorbene Ernst Neger war als Sänger eine Ikone der Mainzer Fastnacht ("Humba Humba Tätärä) und Inhaber eines Dachdeckerbetriebes, den mittlerweile sein Enkel Thomas Neger betreibt. Das Logo des Betriebs zeigt seit 60 Jahren ein 'Neger'-Stereotyp, mit großen Ohrringen und wulstigen Lippen, über einem stilisierten Dach einen Dachdeckerhammer schwingend. Daneben steht der Name des Firmeninhabers - jetzt Thomas, früher Ernst Neger. Das Logo ist hier zu sehen.
Um dieses Logo ist seit einiger Zeit, insbesondere befeuert mit Hilfe der sozialen Medien, ein heftiger Streit entbrannt. Die facebook-Gruppe 'Das Logo muss weg-Für eine Welt ohne Rassismus' (hier ist die dazugehörige Website), die am 30. März 2015 bereits 2800 Anhänger ('gefällt mir') auf facebook hat, sieht darin ein "rassistisches Werbelogo". Sie wird unterstützt von der Fachschaft Ethnologie und Afrikastudien der Universität , "die in der Verbindung der Reklamefigur mit dem Firmennamen durchaus eine Ausprägung von Alltags-Rassismus sieht." (Allgemeine Zeitung vom 3.2.15)
Gegen diese Ansicht spricht sich massiv die facebook-Gruppe 'Ein Herz für Neger' aus, die Stand 30. März 2015 auch schon über 2200 Likes sammeln konnte - obwohl sie erst 5 Tage vorher gegründet wurde. Für sie ist das Ziel der Logo-Gegner "die Zerstörung eines Traditionsbetriebs und der Person Thomas Neger (CDU) (...). Erfundener Rassismus wird nur als Vorwand genommen." (Eintrag auf facebook vom 30.3.15)
Seit einiger Zeit hat die Debatte die Mainzer Provinz verlassen und wird national aufgegriffen, z.B. im Berliner Tagesspiegel oder in der Radiosendung Zündfunk des Bayerischen Rundfunks (die mich auf das Thema gebracht hat).
Die Diskussion läuft sichtbar aus dem Ruder. So berichtet die Allgemeine Zeitung vom 3.2.15: "Vermutlich seit Montagabend verteilen Unbekannte im Stadtgebiet Aufkleber, unter anderem an Laternenpfählen, auf denen Thomas Neger als Rassist beschimpft wird. Zu sehen ist auf den etwa handgroßen Aufklebern ein Foto des Unternehmers und CDU-Stadtratsmitglieds, darüber steht „Rassismus ein Gesicht geben“. Darunter prangen Firmenschriftzug und Logo mit dem Satz „Rassismus einen Namen geben“. Ganz unten, recht klein, steht schließlich „Weg mit dem scheiß Logo. Rassismus fängt im Alltag an.“
Auf der anderen Seite finden sich auf der 'Weg mit dem Logo'-Seite (vereinzelte) Hater-Kommentare wie "He ihr faulen Gutmenschen, geht arbeiten, dann seid ihr abends müde. Ich denke unsere Welt hat im Moment andere Probleme wie das 60 Jahre alte Logo der Fa. Neger. Geht los und verbessert aktiv die Welt... Sorgt euch um den Rassismus der Außerdeutschen gegenüber den "Biodeutschen" ( Migrantenausdruck für die deutsche Urbevölkerung). Man, man, man.... Es gibt wichtigeres als das Logo."
Oder anders gesagt: Die Diskussion polarisiert, kennt nur noch Schwarz oder Weiß, wo doch eigentlich Differenzierung not tun würde. Wer gegen das Logo ist, ist ein fauler Gutmensch. Und die Fürspecher erscheinen als Rassisten. Typisch Internet
Mir persönlich fällt es irgendwie schwer, eindeutig Stellung zu beziehen. Einerseits erachte ich die Diskussion um ein 60 Jahre altes Logo als übertrieben, wie ich auch kein Problem mit einem Ausdruck wie Völkerkundemuseum habe - der ja zusehends in Misskredit fällt, da die Nähe zum Kolonialismus hineininterpretiert wird. Andererseits habe ich keine dunkle Hautfarbe wie einige der Initiatoren der 'Das Logo muss weg'-Gruppe und kann deshalb nicht nachvollziehen, wie man sich fühlt, wenn man solch ein Logo sieht. Und Rassismus im Alltag verspürt.
Die Mainzer Diskussion sollte auf alle Fälle ein Anschub sein, eigene Einstellungen kritisch zu hinterfragen.
Nachtrag vom 7. April 2015: Jetzt hat auch die BILD das Thema entedeckt.