Wer Waren aus einem Nicht-EU-Land nach Deutschland einführt, muss in der Regel beim Zoll Umsatzsteuer in Höhe von 19% auf den Warenwert bezahlen. Es gibt aber Ausnahmen, die den Käufer von Stammeskunst berühren: Wenn Objekte in die Position 97 des Warenverzeichnisses “Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten“ eingereiht werden, wird nur eine Einfuhr-Umsatzsteuer in Höhe von 7% erhoben.
Wer also beispielsweise ein Objekt aus den USA oder der Schweiz einführt, das dieser Position zugerechnet wird, spart 12% Umsatzsteuer. Weitere Zollgebühren fallen nicht an. Und da geht es bei auf Auktionen erworbenen Objekten um den Gesamtwert einschließlich Aufpreis und eventuell Versand, und nicht nur um die Umsatzsteuer, die allein für das Aufgeld anfällt. Kostet also ein Werk 1.000 Euro inkl. Aufpreis, würde der Käufer dadurch 120 Euro sparen.
Allerdings ist es nicht so einfach, dass das gekaufte Stück in Position 97 eingereiht wird. Unter welchen Umständen fallen Objekte der Tribal Art in diese Position? Sie unterteilt sich in 3 für Stammeskunst relevante Untergruppen:
- 9703: Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art
- 9705: Zoologische, botanische, mineralogische oder anatomische Sammlungsstücke und Sammlungen; Sammlungsstücke von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem, völkerkundlichem oder münzkundlichem Wert
- 9707: Antiquitäten, mehr als 100 Jahre alt .
9707: Antiquitäten, mehr als 100 Jahre alt
Wohl noch am einfachsten verhält es sich bei Position 9707: Antiquitäten. Kann nachgewiesen werden, dass ein Objekt vor 1907 hergestellt wurde, greift bei Normalbesteuerung die 7% Regelung (auf den Fall der Differenzbesteuerung möchte ich hier nicht eingehen). Das Problem ist natürlich: Es ist sehr selten, dass bei einem Objekte die Provenienz soweit zurückliegend bekannt ist, in der Regel haben die Stücke deutlich nach 1907 ihr Ursprungsland verlassen, ohne dass ein Beleg über das Entstehungsjahr vorliegt.
Inwieweit der Zoll hier ein Gutachten akzeptiert, das eine Entstehungszeit vor 1907 bestätigt, habe ich nicht weiter verfolgt, da sich dann vielerlei Fragen stellen: Wie teuer ist das Gutachten, welcher Gutachter ist kompetent und wird akzeptiert und vor allem: welcher Gutachter lehnt sich besonders bei Holzobjekten aus Afrika oder Ozeanien soweit aus dem Fenster, dass er solch ein hohes Alter bestätigt.
(Die Probleme des Nachweises als Antiquität sind noch gravierender bei Fragen des Artenschutzes).
Damit wird ein Werk der Tribal Art wohl in den seltensten Fällen als Antiquität akzeptiert werden.
Und wie ist es bei Positionen 9703 und 9705? Dafür habe ich bei der Pressestelle der Generalzolldirektion eine Presseanfrage gestellt. Dabei gab es ein Problem: Zuständig für solche Fragen ist das Zollamt Hannover, das verbindliche Einreihungsauskünfte geben kann. Da Hannover aber nur verbindliche Einreihungsauskünfte gibt, wenn sie auf konkrete Objekte bezogen sind, werden sie allgemeine Fragen erst gar nicht beantworten.
Aus diesem Grund wurde im Anschluss intern die Anfrage an die Generalzolldirektion, Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung, Abteilung Wissenschaft und Technik weitergereicht. Diese präzisierte die Anforderungen, damit ein Objekt in eine dieser beiden Positionen gehört:
9703: Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst
„Die Position 9703 des Zolltarifs erfasst „Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst“. Das sind die in überkommenen Techniken bzw. in modernen Gestaltungsformen bildhauerisch gestalteten Rundplastiken, Hoch- und Flachreliefs einschließlich der Reliefs für Bauverzierungen aus Stoffen aller Art mit Ausnahme der Handelswaren (…). Für die Beurteilung der Frage, ob es sich im Sinne der genannten Anmerkung um eine "Handelsware" handelt, sind ausschließlich objektive Kriterien maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Ware - auch wenn sie vom Künstler handgefertigt wurde - immer dann als Handelsware anzusehen, wenn sie nach ihrer äußeren Gestaltung vergleichbaren, industriell oder handwerklich hergestellten Erzeugnissen ähnelt und mit diesen im Wettbewerb steht (vgl. EuGH-Urteil vom 18. September 1990 - Rs. C 228/89 - , EuGH 1990 I S. 3401, HFR 1991 S. 238). Waren von einem solchen handelsgängigem Charakter werden nach ihrem Verwendungszweck bzw. ihrer stofflichen Beschaffenheit in den Zolltarif eingereiht mit der Folge, dass sie dem Regelsteuersatz unterliegen.“
Die wichtigen Punkte, die ein Tribal Art Objekt erfüllen muss, sind demnach
- Es muss bildhauerisch gestaltet sein
- Aber vor allem: Es darf sich um keine Handelsware handeln, d.h. sie darf nicht vergleichbaren, industriell oder handwerklich hergestellten Erzeugnissen ähneln und mit diesen im Wettbewerb steht.
Und jetzt wird es kompliziert: Es muss belegt werden, dass ein Objekt nicht einfach gehandelt wird und es nicht in Konkurrenz zu anderen Objekten steht, sondern dass es quasi originäre Bildhauerkunst ist. Im einfachsten Fall: Wenn ein afrikanischer Bildhauer den Auftrag erhält, für den Kult eine Figur zu schnitzen, könnte sie unter die 7% Regelung fallen. Werden solche Skulpturen, z.B. Masken oder Figuren, aber beispielsweise von Schnitzern für den Touristenmarkt hergestellt (wo sie einem Wettbewerb ausgesetzt sind), sind sie Handelsware, es wird in diesem Fall 19% Steuer erhoben.
9705: Sammlungsstücke von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem, völkerkundlichem oder münzkundlichem Wert
Noch anspruchsvoller ist allerdings die Einordnung in 9705, d.h. Sammlungsstücke von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem, völkerkundlichem oder münzkundlichem Wert. Dazu die Generalzolldirektion:
- „Für die Auslegung des Begriffs „Sammlungsstück“ i. S. dieser Tarifposition ist daher nicht die allgemeine Verkehrsauffassung heranzuziehen, sondern allein der Wortlaut der Position 9705 sowie der dazu ergangenen Erläuterungen zum Zolltarif. Aus dem Wortlaut der Position 9705 ergibt sich eindeutig, dass von dieser Position nur Sammlungsstücke aus bestimmten Gebieten der Wissenschaft, so u. a. solche von geschichtlichem/völkerkundlichem Interesse erfasst werden. Derartige Gegenstände müssen nach ihrer objektiven Beschaffenheit einzigartige (nicht im arithmetischen Sinn) exemplarische Bedeutung für die Geschichte bestimmter Völker haben. Solche Gegenstände, die wegen ihrer Seltenheit heute kaum oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten beschaffbar sind, stellen daher wertvolle Überlieferungen vergangener Zeitabschnitte dar, mit deren Hilfe geschichtliche Zusammenhänge und Entwicklungen nur zu begreifen sind.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zu den Voraussetzungen, die Waren der Position 9705 erfüllen müssen, ergänzend folgende Kriterien festgelegt:
Sammlungsstücke i. S. der Position 9705 des Zolltarifs sind Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenstände sind und einen hohen Preis haben. - Von geschichtlichem Wert i. S. der Position 9705 sind solche Sachen, die einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentieren oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichen (siehe beiliegende Ablichtung).
Im Fall einer in Betracht zu ziehenden Einreihung einer Ware in die Position 9705 des Zolltarifs ist es Aufgabe des Steuerpflichtigen, die Eignung des einzelnen Objekts zur Aufnahme in eine Sammlung sowie den geschichtlichen Wert - ggf. durch ein Sachverständigengutachten - nachzuweisen. Die unbegründete Behauptung eines Sachverständigen, es handle sich bei dem bestimmten Gegenstand um ein Sammlungsstück von geschichtlichem (bzw. kulturhistorischem) Wert, reicht jedoch nicht aus. Es sind vielmehr Tatsachen und Umstände darzulegen, die ggf. von einem anderen Sachverständigen nachgeprüft werden können (vgl. Erl. KN Abschnitt XXI (NEH) RZ 08.1)."
Damit wird aber für Tribal Art die Latte äußerst hoch gelegt: Es muss sich nachweislich um ein sehr seltenes Objekt von einzigartiger exemplarischer Bedeutung sein – und dies trifft auf die meisten Skulpturen und Masken aus Afrika und Ozeanien nicht zu.
Konkrete Beispiele
Um die Einordnung an einem konkreten Beispiel fest zu machen, habe ich der Pressestelle des Zolls als Beispiel das Foto einer bei Zemanek-Münster erworbenen Maternite der Igbo oder Ogboni geschickt, samt Text aus dem Katalog dieses Auktionshauses und angefragt, ob solch ein Objekt ein „Originalerzeugnis der Bildhauerkunst“ (Pos. 9703) wäre.
Foto: Thomas, Lother; © Zemanek-Münster
Dazu der Katalogtext:
„Große sitzende weibliche Figur der Igbo, Nigeria. Holz, Reste von polychromer Bemalung, eine kleinere Assistenzfigur/Kind auf dem Schoß haltend und einen massiven keulenartigen Gegenstand in der rechten Hand, das Gesicht geweißt, die aufwändige Zopffrisur mit Spiegelglas-Einlage, kleinere Fehlstellen, Risse, starker Farbabrieb, rep. an mehreren Stellen (rechtes Handgelenk, Frisur auf linker Seite, Nackenzopf, rechter Arm der kleinen Figur, Hockerbasis); außer den "ikenga"-Figuren, die für eine ganz bestimmte Person hergestellt wurden und in dessen persönlichem Besitz waren, wurden die meisten Igbo-Figuren für gemeinschaftliche Interessen geschaffen und waren auch in Gemeinschaftsbesitz. Die meisten Skulpturen wurden in Schreinen aufbewahrt, die speziellen Schutzgeistern geweiht waren...
Höhe: 92 cm
Die Antwort der Generalzolldirektion, Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung, Abteilung Wissenschaft und Technik, Dienstort Berlin:
"Zu dem von Ihnen konkret angefragten Objekt in Form einer weiblichen Figur der Igbo (Nigeria, Holz) habe ich - anhand der von Ihnen gemachten Angaben - keine Bedenken, diese Ware als „Originalerzeugnis der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art“ in die Position 9703 des Zolltarifs (Codenummer 9703 0000 00 0; Zollsatz: 0%, Steuersatz bei der Einfuhr aus der Schweiz: 7%) einzureihen.
Eine Einreihung dieses Objekts als „Sammlungsstück von geschichtlichem/völkerkundlichem Wert“ in die Position 9705 schließe ich allerdings aufgrund der mangelnden Seltenheit dieser Objekte sowie des fehlenden Nachweises über den geschichtlichen/völkerkundlichen Wert aus."
Aber Achtung: Auch wenn dieses Objekt wohl als Originalerzeugnis der Bildhauerkunst eingeordnet werden würde, ist dies kein Persilschein für Werke der Stammeskunst, sondern es wird von Fall zu Fall entschieden. Dies lernte ich, als ich beim Zollamt Weilheim einen im Auktionshauses Schuler für über 1.000 CHF gekauften Löffel der Guro abholen wollte. Die dafür Zuständige war der Ansicht, dass solch ein Löffel nur ein Gebrauchsgegenstand sei, wie man ihn auch in Afrika auf der Straße kaufen könne, ein Alltagsgegenstand, und eben kein Originalerzeugnis der Bildhauerkunst.
Foto: Schuler Auktionen
Hierbei spielte auch die eher kurz gehaltene Objektbeschreibung des Auktionshauses eine Rolle („Guro. Elfenbeinküste. Holz, schwarz gefärbt. Gerader Griff mit stilisiertem Büffelkopf-Ende. L 30 cm. – Gebrauchsspuren. Herkunft: Provenienz: Sammlung Max und Berthe Kofler-Erni, Riehen“), die den Löffel (Bezeichnung: Iri Ganä) wirklich als Alltagsgegenstand wahrnehmen lies, eben als eine Handelsware: Es war für die Mitarbeiterin nicht ersichtlich, ob er ein Gebrauchsgegenstand war, der einfach so zum Zubereiten oder Servieren von Speisen verwendet wird. (Interessant ist hier auch, dass, worauf Peter Weis hinweist, z.B. die u.U. wertvollen Dan-Löffel nochmals teurer sind, wenn sie offensichtlich im Alltag früher benutzt wurden!)
Verlangt wurde deshalb nach einem Gutachten, dass die Besonderheit des Löffels unterstreicht. Im konkreten Fall geholfen hat dann die Informations-Mail des Afrika-Kurators eines ethnologischen Museums, der u.a. beschrieb, dass solch ein Löffel ein Prestigeobjekt ist.
Und dieser kritische Blick hätte genauso auf eine Maske fallen können, falls nicht einwandfrei belegt wird, dass es sich nicht um Handelsware handelt, denn, wie die Mitarbeiterin mir mitteilte: „Masken können Sie in Afrika am Straßenrand kaufen, und die sehen so aus, wie die in den Auktionen“.
Da es wie beschrieben auf den Einzelfall ankommt, ob ein geringerer Umsatzsteuersatz anerkannt wird, hängt dies neben der Aussagekraft der eigenen Unterlagen auch stark vom Good Will des Zoll-Mitarbeiters ab, auf den man bei der Einfuhr trifft.
Im Gespräch mit der Mitarbeiterin der Zollstelle ergab sich ein weiteres Problem: Weder in der Beschreibung des Auktionshauses noch in der Email des Kurators wurde die Holzart des Löffels bestimmt. Dies berührt zwar nicht den Umsatzsteuersatz, sondern die noch viel wichtigere Frage, ob das Objekt überhaupt eingeführt werden darf, Stichwort Artenschutz.
Ein Fazit
Die Generalzolldirektion wies mich darauf hin, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) zu beantragen, die Rechtssicherheit für künftig geplante Einfuhren aus Drittländern hinsichtlich der Zuweisung bestimmter Waren in den Zolltarif bietet. Benötigt wird dazu das Antragsformular 0307, zu finden unter www.zoll.de (https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/Zolltarif/verbindliche-Zolltarifauskunft/Antragstellung/antragstellung_node.html)
Damit ist wohl grundsätzlich die sauberste Vorgehensweise, vor der Einfuhr die wesentlichen Informationen des Objektes (idealerweise auch ein Gutachten) und damit Begründungen, dass es sich um ein „Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst“ handelt, an das Zollamt Hannover zu schicken und eine verbindliche Auskunft einzuholen. Empfehlenswert wäre auch die Angabe der Holzart, um Probleme mit dem Artenschutz zu vermeiden – was aber natürlich einfach ist.
Sollte dies nicht möglich sein, weil z.B. das Objekt ‚spontan‘ auf einer Auktion erworben und mitgenommen wurde, hilft nur, so viel Informationen wie möglich darüber zu haben und auf einen verständnisvollen Zollmitarbeiter zu hoffen. Bzw. falls doch 19% bezahlt werden muss, sich im Anschluss an Hannover zu wenden. Wird das Objekt dann bei 9703 eingereiht, kann man das zu viel bezahlte Geld zurückverlangen.
Übrigens: Sollte das Objekt in der Schweiz gekauft und über Österreich nach Deutschland eingeführt werden, gelten die Österreichischen Gesetze. Denn alle einfuhrumsatzsteuerpflichtigen Waren müssen an der ersten Grenzzollstelle zur Europäischen Gemeinschaft zollamtlich behandelt werden. Dort ist zwar auch ein ermäßigter Steuersatz auf Kunstgegenstände und Antiquitäten vorgesehen, dieser beträgt aber 13%, ist also fast doppelt so hoch wie In Deutschland. Ob es sich aber beispielsweise für einen Käufer aus München lohnt, von Zürich aus einen Umweg über Konstanz zu machen und nicht die Österreichische Grenze zu passieren, muss jeder für sich selbst entscheiden.
PS Ich bin kein Jurist, die im Artikel gemachten Aussagen sind damit ohne Gewähr
Lieben Dank an Peter Weis für seine Mitarbeit
Ingo Barlovic