Eric Makin während seines Vortrags im Völkerkundemuseum München, Frühjahr 2008
Wo wir sind
Landkarte Modul-ID: 121:
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Audiomitschnitt des Vortrags
Folie 1: Einleitung
Als Andreas Schlothauer mich fragte, ich weiß nicht, es ist drei, vier, fünf Monate her, ob ich Interesse hätte, bei unserer Tagung ein paar meiner Bilder zu zeigen, habe ich sofort ja gesagt.
Das sollte kein Problem sein. Ich war inzwischen in etwa 30 afrikanischen Ländern. Ich habe zwischen 10.000 und 12.000 Bilder aus den letzten 25 Jahren. Ich wollte heute nur etwa die Hälfte zeigen…
Keine Sorge, ich habe ungefähr 60. Ich habe mich entschlossen mich auf eine Reise zu konzentrieren, die ich damals mit Henning Christoph gemacht habe, inzwischen ein guter Freund von mir. Er ist ein Voodoo-Experte.
Wir waren zwei Wochen zusammen in der Republik Benin, nicht "Benin" in Nigeria. Ich bin selbst kein Voodoo-Experte und wenn der ein oder andere sich gut auskennt mit Voodoo und ich gelegentlich einen Fauxpas mache, tut es mir leid, also, ich tue mein bestes. Ich habe recherchiert.
Ich habe damals, vor drei Jahren, einfach Bilder gemacht, ohne teilweise zu verstehen, was ich überhaupt gesehen hatte. Ich kann nur sagen, Voodoo ist eine absolut faszinierende Welt, ist eine sehr lebendige Religion.
Folie 2: Henning Christoph, Soul Of Africa
Auf diesem Bild sehen wir Henning Christoph, er steht übrigens rechts im Bild ;-), mein guter Freund und sechsmaliger World Press Prize Award Winner. Glauben Sie mir, er kann ziemlich gut mit der Kamera umgehen, aber alle Fotos von heute sind von mir. Er ist Ethnologe, er hat sein eigenes Voodoo-Museum in Essen (Rüttenscheider Straße 36).
Ich finde es ja auch ein bisschen komisch, ausgerechnet in Essen; wahrscheinlich das einzige Voodoo-Museum in Europa. Es ist "übersichtlich", in einer ehemaligen Zahnarztpraxis, aber hoch interessant. Es gibt auf dem Tisch hier draußen einen Flyer von dem Museum und wenn Sie in der Gegend sind, kann ich das sehr empfehlen (http://www.soul-of-africa.com/).
Wir haben gestern den Vortrag von Tobias Wendl über die Erforschung des Mami-Wata-Kults gehört (MU-2008FT-09). Henning hat einen sehr großen Mami-Wata-Altar in der Ausstellung und interessanterweise scheint dort dasselbe Bild von Mami Wata zu sein, das wir in den letzten zwei Tagen bereits mehrmals gesehen haben. Auf jeden Fall ist das Voodoo-Museum in Essen eine Reise wert!
Kurze Information: Tobias Wendl hat gestern auch eine Bemerkung gemacht, dass momentan im Fowler Museum in Los Angeles eine große Ausstellung läuft, soweit ich weiß, auch zum Thema Voodoo. Viele von den Fotos, die ausgestellt werden, kommen von Henning Christoph. So wie Tobias Wendl hoffe ich, dass diese Ausstellung irgendwann in Deutschland landet, weil das bestimmt sehr spannend und interessant ist. (www.fowler.ucla.edu/incEngine/?content=cm&cm=past_news&article_id=1052158432&art=&did=47 [Link nicht mehr verfügbar 07/2011])
Folie 3: Weltreligion
Was ist überhaupt Voodoo? Ich beschreibe meine eigenen Eindrücke, die ich in den letzten drei Jahren gewonnen habe. Die Bezeichnungen variieren je nach Land, Voodoo, Vodon, Vodou, in den USA Hoodoo, in Brasilien Candomblé, in Kuba Sentéria...
Voodoo heißt Gott oder Geister. Voodoo ist in erster Linie eine Schutz- oder Heilungsreligion. Und als ich das schrieb hatte ich das Zitat von Henning Christoph noch nicht gelesen. Es steht hier unten links auf seinem Flyer: "Voodoo tut den Menschen gut - meistens".
Das fand ich auch interessant. Voodoo kommt aus der Region Benin, also der Republik Benin, das Nachbar zu Nigeria ist und u.a. an das so genannte Yorubaland angrenzt. Vodon kommt nicht, wie manchmal behauptet, aus Haiti. Es gibt darüber immer noch Diskussionen: Benin, Haiti, wer auch immer. Ich bin inzwischen wie Henning Christoph der Meinung, dass es tatsächlich aus Westafrika kommt, und dass Voodoo mit der Sklaverei in die Karibik, in die Südstaaten und nach Brasilien "transportiert" wurde, wenn man das so nennen möchte.
Zwischen 50 und 60 Millionen Anhänger weltweit, das hat mich schon beeindruckt, als ich das zum ersten Mal las. Ich habe vor zwei oder drei Jahren mit einer in Benin gesprochen, die sagte: "In Benin, wenn ich das richtig sehe, gibt es Christen, es gibt Muslime und es gibt Voodoo". Auf die Frage wie sich das verteilt sagte sie "Es gibt 60 Prozent Christen, es gibt 40 Prozent Muslime und 100 Prozent Voodoo".
Es ist jetzt eine anerkannte Religion in Benin, meint, vom Staat anerkannt.
Natürlich wurde die Religion nicht allein durch den frühen Sklavenhandel verbreitet, aber ich glaube, dass besonders die Yoruba dabei die Religion nach Brasilien, in die Karibik und in die Südstaaten mitgenommen haben, wo sie, wie erwähnt, heute Hoodoo heißt.
Ich hatte vor etwa 18 Monaten Gelegenheit einen Voodoo-Priester aus North Carolina kennen zu lernen. Das war sehr, sehr interessant. Besonders in der Karibik und in Südamerika ist Hoodoo natürlich vom Katholizismus sehr beeinflusst, aber es ist eine sehr, sehr flexible Religion, und Voodoo vereint letztens alles. Es gibt immer dann hinduistische, islamische oder christliche Einflüsse, wenn der Voodoo meint, das könnte von Interesse sein, das hat eine gewisse Stärke. Dann wird es einfach übernommen; ein bisschen anders als bei uns im Westen.
Folie 4: Göttervielfalt, Geister und Ahnen
Es gibt sehr viele Gottheiten, so genannte Gottheiten, in der Voodoo-Welt, aber ganz oben steht der Schöpfergott Mawu-Lissa, der damals ganz am Anfang auf der Erde gewohnt hat. Wir kommen ganz am Ende meines Vortrags dazu, warum Mawu-Lissa nicht mehr auf der Erde wohnt, das ist sehr, sehr interessant. Vodon sind kleine Gottheiten, sie kümmern sich um die natürlichen Elemente, z. B. das Meer, die Sonne, den Mond, den Wind, das Feuer oder das Wasser und sogar die Ahnen sind Vodon, also, das wusste ich nicht. Wieso, das ist so eine Sache, das habe ich auch nicht hundertprozentig verstehen können: Manche Ahnen werden Vodon, manche Ahnen werden nicht Vodon. Warum, wieso, weswegen, es tut mir leid, das weiß ich nicht. Aber auf jeden Fall ist es das Ziel jedes Gläubigen ein Vodon zu werden.
Last but not least, bevor wir unsere Fotos zeigen, eine der wichtigsten Personen im Voodoo-Panthéon ist Heviosso, bei Ihnen wahrscheinlich besser bekannt als Shango.
Benin, wie gesagt, grenzt direkt an Nigeria. In Süd-West-Nigeria sind die Yoruba, und natürlich auch in Süd-Ost-Benin. Und die grenzen dann an die Fon an. Die Fon haben einiges von den Yoruba übernommen, u. a. auch den Göttergeist oder die Religion Shango. Bei den Fon heißt Shango Heviosso. Ich denke, es gibt keinen ganz großen Unterschied zwischen den beiden Zeremonien.
Folie 5: Achinas kpon
Hier sehen wir den Fon-Donnergott, gerufen mit Glocken. Rot und Weiß, die Farben des Donnergottes. Der Shango- oder Heviosso-Priester trägt ein "Achinas kpon" auf seinem Rücken, der extrem schwer sein soll, was die Stärke des Trägers zeigt. Henning hat mir einmal gesagt, er hat versucht allein diesen "Achinas kpon" aufzuheben und er meinte, das ginge nicht. Ob das stimmt oder nicht, das weiß ich nicht, aber es sollen nur Priester oder Initiierte in der Lage sein, so was zu tragen.
Folie 6: Musik, Farben
Um seine Stärke zu zeigen, trägt er zusätzlich Ketten.
Während der ganzen Zeremonie, ich will nicht sagen gigantischer Lärm, aber sie ist voll mit Musik. Sogar der Priester hat in seiner rechten Hand eine Art Glocke. Hier kann man auch das Shango-Axt-Symbol erkennen. Und natürlich die Farben von Shango oder Heviosso, nämlich Rot und Weiß.
Folie 7: Rote Federn
Hier kann man sehr gut die roten Federn sehen, auch ein Zeichen von Heviossos Macht.
Graupapagei, Bildquelle: de.wikipedia.org
Diese roten Federn kommen von einem Papagei und ich liebe Vögel und als ich gehört habe, dass diese Federn von einem Graupapagei stammen und diese Federn nur im Schwanz von dem Papagei vorkommen... Man kann sich vorstellen, wie viele Papageien... Ich glaube nicht, dass sie einfach nur genommen wurden und dann ist der Vogel weitergeflogen. Ich fürchte, dass der Vogel in einer Zeremonie oder im Topf gelandet ist.
Folie 8: Horn
Ja, die Götter werden gerufen, ich denke, dass ist ein Horn von einer Kuh oder so. Ich finde die Patina auf diesem Horn sehr schön, es ist wahrscheinlich kein großer Wert, aber so ungewollt künstlich finde ich das sehr, sehr schön.
Folie 9: Horn
Hier haben wir noch ein Horn, das mit Leder überzogen ist.
Folie 10: Gong und Rasseln
Wie gesagt: extrem viel Musik, auch mit Rasseln, hier links, ein Gong. In seiner rechten Hand hat er einfach einen Stock. Der Gong selbst wird extra für den Kult produziert. Der Stock, die nehmen irgendwas, was sie finden, ist, soweit ich weiß, nichts Besonderes.
Folie 11: Adepten
Weiß gekleidete Adepten, die Voodoosi. Die Adepten sind so ein bisschen wie Nonnen, wenn man möchte, die in den Konvent gehen.
Es ändert sich langsam, aber in der Vergangenheit haben Eltern ihre kleinen Kinder, vier, fünf, sechs Jahre alt, in den Konvent, es fällt mir kein besseres Wort ein, geschickt und dann mussten sie fünf, sechs, sieben, acht Jahre Voodoo studieren. Manche sogar lebenslang, aber das ist auch in unserer Welt nicht so ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass manche Nonnen auch lebenslang in einem Konvent sind.
Hier kann man sehr gut sehen, was man oftmals in afrikanischer Kunst sieht. Kauri-Schnecken, die übrigens nicht in West-Afrika direkt zu finden sind. Sie kommen aus dem Indischen Ozean. Soweit ich weiß, aus Mauritius, aber auf jeden Fall aus dem Indischen Ozean und deswegen sind sie in West-Afrika sehr wertvoll.
Folie 12: Narben-Tatoos
Hier können wir auf dem Rücken Narben sehen, die Skarifikation. Ich habe ein bisschen recherchiert. Das ist das so genannte Heviosso-Seil oder Shango-Seil, das die Voodoosi, die Adepten, miteinander und mit der Gottheit Heviosso verbindet.
Folie 13: Haarteile
Die Haare. Ich habe später noch ein zweites Bild dieser Haare. Sie waren sehr schön, aber ich glaube, das sind keine natürlichen Haare. Als ich in Gambia war, konnte man solche Haare in Plastiktüten auf dem Markt kaufen.
Folie 14: Shango-Zeichen
Noch mal die Voodoosi oder Adepten, auf dem Stirnband deutlich zu erkennen, das Shango-Symbol oder auch Shango-Doppelaxt...
Folie 15: Cypraeidae
...und die Kauri-Schnecken.
Folie 16: Doppelaxt
Erneut die symbolisierte Shango- oder Heviosso-Axt; am Griff der Musikinstrumente.
Folie 17: Haarteil (2)
So, hier noch mal die Haarteile. Mir gefällt das gut. Ich würde so was auch gern haben, aber mein Friseur sagte: "Nein, vergiss es Junge, das geht bei dir nicht mehr."
Folie 18: Kleinwüchsige Adepten (Tohousou-Geister)
Über dieses Bild und die Beschriftung der Folie habe ich mit meiner Freundin diskutiert und sie meinte, "deformiert" dürfe ich nicht schreiben. Ich sag, wieso? Wenn das stimmt, dann stimmt das. "Zwerge" (richtig ist in Deutsch einzig der Begriff kleinwüchsige Menschen [Anm. der Redaktion]) sind dort so genannte Tohousou-Geister (übersetzt "deformierte Kinder"). Das klingt für uns sehr beleidigend, aber wenn es so ist, und das ist die Interpretation, dafür kann ich nichts und wie gesagt, meine Freundin sagte, das darf ich nicht schreiben. Ich habe gesagt, das ist für mich eine Wahrheit, wenn man möchte. Es wird ihnen nicht wehgetan. Sie sind auch Adepten und ja, "deformierte Kinder" ist ziemlich hart, finde ich.
Fundsache der Redaktion in einem Diskussionsforum: "In Africa there are little shrines in villiages where people give stuff to spirits of twins (marassa) and near it willbe a Tohousou shrine - a place for spirits of deformed children." (groups.yahoo.com/group/Carrefour/message/2806)
Folie 19: Tanz für die Götter
Viele von den Adepten gehen in Trance und ich war ein bisschen skeptisch, muss ich sagen, über die Idee von Trance, ob man tatsächlich in diesen Trance-Zustand kommen könnte.
Folie 20: Trance
Ich habe mit einem unserer Mitglieder, Werner Zindel (er hat auch einige Erfahrungen mit Trance, aber in anderem Zusammenhang), darüber gesprochen, ob so was denkbar wäre, dass man so schnell in Trance fällt. Teilweise gehen die Leute auf die Tanzfläche oder wie das heißt, das ist so ein Platz im Dorf, und innerhalb ein, zwei, drei Minuten gehen sie schon in Trance. Er meinte: "Ja! Wenn man jahrelang diese Musik gehört hat und man hört einen bestimmten Ton, kann das genügen, dass ein Mensch einfach in Trance fällt, ungewollt." Langsam glaube ich tatsächlich daran, dass diese Trance-Zustände sehr schnell erreicht werden könnten.
Folie 21: Blut-Symbolik
Was nicht fehlen darf bei Voodoo ist Blut. Es ist, ob man das mag oder nicht mag, eine sehr blutige Religion. Diese Opfer sind sehr wichtig: Symbol von Leben, Schutz gegen Böses, um den Vodon zu stärken. Es ist "ekelhaft" für unsere westliche Welt. Wir werden immer empfindlicher was solche Bilder angeht und wir würden so etwas Tierquälerei nennen. Ich versuche hier einfach, neutral zu bleiben. Es ist wichtig. Dieses Blutsymbol ist für den Voodoo extrem wichtig, aber auch bei uns im Westen. Wir symbolisieren das Blut von Jesus Christus in unserer christlichen Welt.
Folie 22: Spirituosen
Aber was gut ist, von dem, was geschlachtet oder geopfert wird, landet zumindest im Topf. Das finde ich auch okay so und was ich hier gut finde ist, dass, wo Blut fließt, oftmals auch Gin fließt. Also Voodoo ist eine Religion, bei der, man kann das tatsächlich besser auF Englisch sagen, bei der man sich mit den "Spirits" verbindet. "Spirits" ist doppeldeutig auf Englisch. "Spirits" heißt Geister, aber auch Alkohol. Besonders Voodoo-Priester verbinden sich sehr oft mit den "Spirits". Meistens ist das Gin oder Palmwein. Anscheinend kommt der meiste Gin, ich habe das nur gelesen, aus Holland. Es gibt ungefähr 250 Haupt-Gottheiten: Shango, Mami Wata, Legba und und und. Soweit ich weiß, trinkt nur eine von diesen Gottheiten keinen Alkohol und da kommen wir zurück zu Mami Wata von gestern. Sie trinkt keinen Alkohol. Sie trinkt Fanta, unter anderem. Was ich sehr... Sie muss an ihre Diät denken! Fanta ist nicht gut, nicht gesund! Warum trinkt sie Fanta? Weil Mami Wata die Farbe orange liebt. Ich kann heute leider keine Mami-Wata-Bilder zeigen. Ich war auch bei einer Mami-Wata-Zeremonie. Da war ein Priester, der hatte eine Flasche Gin in der Hand. Und ich sagte: "Ich dachte, dass Mami Wata keinen Alkohol trinkt." Er sagte: "Nein, den trinkt sie nicht, aber ich, ich trinke ihn gerne."
Folie 23: Hungrige Götter
Folie 24: Eintopf
Alles landet im Topf, da die Götter Hunger haben. Hier kann man das Endergebnis sehen. Ich glaube, da ist auch ein Horn im Topf. Alles kommt rein. Ich habe einmal mit diesen Leuten gegessen und ich kann es nicht unbedingt empfehlen. Sagen wir mal so: Diese langen Ziegenhaare nachher aus den Zähnen zu kriegen, das finde ich nicht so lecker.
Folie 25: Der Tod macht seinen Eintritt
Heviosso ist nicht immer, aber kann ein sehr böser Gott sein. Er straft die Leute. Er gibt viele Strafen, unser lieber Heviosso. Man denke an den Donner und das Blitzen von Shango. Er hat Untergebene, u.a. anscheinend den Tod und der Tod hat hier seinen Eintritt gemacht, mit lauter Musik.
Ich finde diese Maske sehr faszinierend. Wahrscheinlich, wenn sie auf unserem europäischen Kunstmarkt landen würde, würde jemand sagen, dass das eine Kopie oder Fälschung ist. Ich habe keine Ahnung, aber sie war sehr interessant.
Folie 26: Bestrafung in Shangos Namen
Hier kann man die Maske aus der Nähe sehen, wie sehr fein sie bearbeitet ist, wahrscheinlich aus Kuhhaut produziert. Guckt mal die Zähne hier, und die Nase! Das ist eine fantastische Arbeit. Der Tod kann im Namen Heviossos Diebe bestrafen. Der Tod war an dem Tag, glaube ich mindestens, als Warnung für die Leute da.
Folie 27: Shangos Schuhwerk
Der Tod trägt tatsächlich Schuhe! Das wusste ich nicht. Das war für mich auch neu. Aber anscheinend, wenn ich mir seine Schuhe anschaue, geht es dem Tod momentan nicht besonders gut.
Folie 28: Ritus oder Zufall?
Dieses Bild habe ich erst genauer angeschaut als ich wieder in Europa war und ich habe überlegt: Was macht eigentlich die alte Frau da?
Sie hat beide Hände um den Hals des Todes. Entweder richtet sie nur seine Maske neu aus oder sie erwürgt den Tod. Eines von beiden. Ich weiß es nicht. Interessantes Bild auf jeden Fall.
Folie 29: Next generation
Folie 30: Egungun (egungún), Medium zwischen Ahnen und Hinterbliebenen
Jetzt kommen wir zu Egungun im Yoruba-Ahnenkult. Ich bin momentan in Süd-Ost-Benin, nicht so sehr weit entfernt von Nigeria, im Yoruba-Gebiet. Ein Fest der Verstorbenen. Die "Bale" genannten Assistenten treiben Geldspenden ein.
Die Bale tragen Stöcke. Man darf Egungun nicht anfassen, da kommen wir gleich dazu. Ich glaube, wenn diese Gruppe Männer, man kann sehen, ein Auto wurde angehalten, auf mich zukommen würde, würde ich wahrscheinlich auch eine kleine Spende an Egungun geben.
Egungun heißt "Knochen" oder "Skelett".
Der Bund ist nur für Männer, die eine Geheimsprache haben, so wie fast alle diese Gesellschaften, die Voodoo-Gesellschaften der verschiedenen Gottheiten; und die sind untereinander auch geheim.
Egungun redet oftmals mit einer sehr hohen Stimme. Das habe ich selbst nie gehört. Aber auch mit einer sehr tiefen Stimme. Man hat das Gefühl, das kommt tatsächlich aus dem Jenseits. Es wirkt sehr komisch, wenn man das hört und wenn man das einmal gehört hat, vergisst man das nie.
Folie 31: Geheimbünde
Bei dem Bild hier, das ist nicht so gut zu erkennen, sieht man oben auf der Maske Fotos von Asiaten oder Indern? Ich weiß es nicht.
[Komm. der Redaktion: Vielleicht auch Südamerika?] "For example, the Egungun festival of Nigeria is reminiscent of the revelry, pantomime, street parades music and masking that are seen in Trinidad and Rio de Janeiro carnival." (www.indiaempire.com/v1/2007/Trinidad2/Trinidad_AFRICA.asp)
Folie 32: Tanz
Es wird viel getanzt bei Egungun. Hier sehen wir natürlich eine völlig andere Art von Maske, von dem Bund, als zuvor .
Folie 33:
Folie 34: Berühren verboten
Die Bale halten mit dünnen Rohrstöcken die Roben der Egungun zurück. Es kann extrem gefährlich sein einen Egungun anzufassen, aus Versehen oder mit Absicht.
Folie 35: Ähnlichkeiten?
Gewisse Ähnlichkeiten zu Gelede-Ritualen; das sind Anmerkungen von mir persönlich! Es besteht in manchen Dörfern die Möglichkeit, Gelede-Feste zu sehen. Ich sehe hier zumindest eine gewisse Ähnlichkeit zu Gelede.
2001 wurden die Gelede-Rituale (Maskentänze und Kunsthandwerk des Yoruba-nago-Volkes) in die UNESCO-Proklamation "Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit" übernommen.
Folie 36: Egungun tanzt...
Folie 37: ...braust auf...
Manchmal aber gerät er tatsächlich völlig außer Kontrolle und wird aufbrausend... schönes Wort.
[Auf Zwischenfrage aus dem Publikum:] Das ist alles noch in Benin. Die Yoruba sind überwiegend in Süd-West-Nigeria, aber zum Teil... es ist so wie bei den Massai: in Kenia, Tansania und und und... Fang, soweit ich weiß, in Südkamerun und Nordgabun... das gilt auch für die Yoruba.
[Auf Zwischenfrage aus dem Publikum bzgl. Südamerika:] Ja, manche Kulte wurden tatsächlich mitgenommen von den Sklaven. Ich glaube, manche Kulte, ich will nicht sagen, ausgestorben, aber die wurden nicht mitgenommen und manche so wie Mami Wata, Shango, zum Beispiel, haben sich über die Jahre geändert unter dem katholischen Einfluss. Aber natürlich gibt es Ähnlichkeiten. Es tut mir leid, ich weiß nicht, ob Egungun in Südamerika zu finden ist.
[Fundsache der Redaktion zu Santería in Havanna (dort viele Yoruba):] "Präsent sind die Ahnen ... in Gestalt der egungun, maskierten Tänzern in Kostümen, die sie nicht als Normalsterbliche erkennen lassen. Nur der babalawo (Oberpriester der Yorubas) und dessen Gehilfen dürfen wissen, wer in dem Kostüm steckt. Der egungun erscheint zu bestimmten Anlässen, etwa im Rahmen der alljährlichen Yamwurzelernte, in der Stadt und nimmt Kontakt zur Bevölkerung auf. Probleme werden besprochen und Ratschläge erteilt. Hexen werden getadelt und übernatürlich betraft, da sie die Autorität des egungun untergraben. Dieser will den Menschen eine kontinuierliche Führung durch ihr Leben sein und ihnen Hoffnung für die Zukunft geben." (reisen.ciao.de/Havana__Test_1430412/SortOrder/2/Start/5)
[Auf der Berlinale 1982 wurde die bras. Doku "Egungun" von Carlos Brajsblat vorgeführt. Aus dem Filmfest-Katalog:] "Auf der Insel Itaparica im brasilianischen Bundesstaat Bahia haben die von den Nagô abstammenden Bewohner des Dorfes Ilê Agboulá die Gebräuche und Wertvorstellungen ihrer afrikanischen und brasilianischen Vorfahren seit Jahrhunderten bewahrt. Sie verehren die Egun, die Vorfahren, die sich alljährlich auf dem großen Fest des Baba Olukotun unter Tüchern inkarnieren."
Folie 38: ...gerät außer Kontrolle
Folie 39: Egungun sucht Hexen
In der guten alten Zeit wurden beim Abrutschen der Maske der Maskenträger als auch alle teilnehmenden Frauen hingerichtet. Dies gilt auch für Leute, die Egungun anfassen. Das ist hart, alle teilnehmenden Frauen, was ist mit den Männern? Deswegen natürlich: Wenn ich eine Frau wäre, würde ich auch sehr schnell rennen, wie da hinten, ich glaube das sind alles Frauen hier ;-)).
Folie 40: Statussymbol
Kauri-Schnecken, überall zu sehen, repräsentieren, das wisst ihr natürlich, Reichtum als auch Fruchtbarkeit.
Folie 41: Egungun kann aber auch heilen
Ich habe absichtlich ein bisschen über das Böse von Voodoo erzählt, aber es stimmt tatsächlich: Es hat eine heilende Kraft. Voodoo ist für mich eine Art der Psychiatrie. Viele Leute benutzen Voodoo wie wenn wir zum Psychiater gehen. Ich glaube, da kann auf jeden Fall der Voodoo sehr hilfreich sein. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, wenn man ein oder zwei gebrochenes Beine hat, ob Voodoo so hilfreich ist, aber für psychiatrische Probleme, kann es tatsächlich sehr hilfreich sein. Wir kommen gleich dazu.
Folie 42: Schreine
Er trägt einen Asen, kennt ihr bestimmt auch, das sieht man oft, aber das sieht man eher weniger hier in unserer westlichen Sammlung. Ich denke, das ist ein Schaf. Ein Asen ist ein kleiner Altar für die Verstorbenen, findet man heute noch in den meisten Häusern in Benin. Bei armen Leuten kleine Asen, bei reichen Leuten, die haben extra Zimmer dafür und da kann man 20, 30, 40 teilweise sehr große Asen sehen.
Folie 43: Tier-Fetische, Bedeutung ungeklärt
Ich hätte was schreiben können, aber ich habe mit bestem Willen... Was wir hier sehen, ist der Rücken von Egungun.
Man braucht Fetische und ohne das funktioniert der Voodoo nicht. Manchmal wird eine Ziege, sehr oft ein Huhn getötet.
Folie 44: Fetischmärkte
In Cotonou gibt es einen sehr großen Fetisch-Markt (ebenso in Lomé in Togo, obwohl, der wurde vor 10, 15 Jahren von der Regierung zerstört, soweit ich weiß. Es gibt immer noch einen, aber deutlich kleineren Fetisch-Markt in Lomé.).
Ich komme sowieso mit dem Wetter nicht unbedingt sehr gut zu recht in Benin: Tagsüber bleibt es um die 32, 33 Grad, nachts ist es immer 25 Grad, etwa 90 % Luftfeuchtigkeit. Also ich bin immer geschafft. Man kann sich vorstellen, was es für einen Gestank auf dem Fetischmarkt gibt. Das waren ein paar Hundert Meter.
Die Zutaten werden für magische Rituale genutzt. Hunde sind keine Seltenheit. Eigentlich darf man nicht fotografieren, ich habe trotzdem so heimlich ein paar Fotos gemacht.
Folie 45: ...auch Pferde
Folie 46: ...unvorstellbar viele Vogel-Arten
Ich liebe Vögel. Als ich zum ersten Mal in Afrika vor 25 Jahren gereist bin, gebe ich offen zu, hatte ich wenig Interesse an der Kultur, mehr an der Natur, und ich habe über die Jahre wahrscheinlich über hundert verschiedene Vogelarten gesehen.
Hier kann man auch hundert verschiedene Vogelarten sehen, aber die liegen auf dem Tisch. Das ist unglaublich, wie viele Arten es gibt. Wir reden natürlich auch über Eidechsen... Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt, auf diesem Markt.
Folie 47: ...auch nahe Verwandte
Schimpansen und Gorillas werden auch angeboten. Ich könnte natürlich... Phhhh... nicht bösartig sein... weil das Problem ist: Was passiert, wenn es nicht funktioniert mit einen Schimpansen oder Gorilla? Also der nächste Schritt wäre... Wir wissen! Und es passiert auch in Afrika, aber gut, darüber wollen wir nicht reden. Ich sage nicht, dass Vodon das macht oder Voodoo das macht. Aber auf jeden Fall werden auf dem Fetisch-Markt in Cotonou Schimpansen und Gorillas, unter anderem Hände, angeboten.
Folie 48: Heilung
Jetzt mehr zur positiven Seite von Voodoo: Der Mann hier hatte Migräne. Er ist zum Priester, zum Heiler. Manchmal ist Priester und Heiler ein- und derselbe, manchmal sind es zwei.
Folie 49: ...mit Unterstützung der Götter
Es gibt festgelegte Prozesse. Die Gottheiten waren dabei. Ich glaube, da waren ungefähr drei oder vier Egungun dabei.
Folie 50: ...Orakelbretter
Hier haben wir ein Fa-Orakel. Wahrscheinlich kennen die meisten die Ifá-Orakel. Es ist nicht viel anders, aber dann doch anders, wie ein Fa-Orakel zum Beispiel gelesen wird. Es ist so kompliziert, da hatte ich überhaupt keine Zeit und ich kenne mich nicht so gut aus damit.
Kaolin oder Kreide wird benutzt. Der Priester guckt über das Orakel, was mit dem Mann passiert ist. Es gibt nicht nur Krankheiten. Jede Krankheit hat in Afrika einen bestimmten Grund. Sehr oft geht es über die Hexerei. Der Mann ist wahrscheinlich verhext.
Folie 51: ...Kräuter
Hier kann man es ein bisschen aus der Nähe sehen. Natürlich werden Kräuter benutzt.
Folie 52: ...Foufou-Brei
Fufu-Mischung aus Maniok, Kochbananen, Yams, für die Götter...
Video über Fufu-Zubereitung: www.goldkueste-ev.de/?p=46
Folie 53: ...Palmkernöl
...und natürlich Palmöl.
Palmöl klingt nicht so dramatisch beim Kochen, aber das zu trinken und das tun sie teilweise, das schmeckt so ekelhaft, das ist unvorstellbar, wie das schmeckt.
Folie 54: ...Waschung
Der Patient wird mit Kräutern gewaschen, erstmal. Der sieht wirklich nicht gut aus.
Folie 55: ...Klinge
Dann wird er mit einer rostigen Klinge in die Kopfhaut geschnitten.
Folie 56: ...Ruß
Anschließend wird Asche in die Wunde gerieben.
Folie 57: ...Flaschenbo
Hier darf kein Flaschen-bocio fehlen. Das ist ein Schutzobjekt und beinhaltet Schnaps und Kräuter. Um die Flaschen sind einige Objekte befestigt und ich habe nachher mit meiner Freundin darüber gesprochen: "Was ist das überhaupt hier?" Und sie sagte: "Das ist das, was du denkst. Das ist der Unterkiefer von einem Menschen", also sehr starke Medizin hier.
Folie 58: ...Schädeltrinken
Nicht nur der Unterkiefer von einem Menschen, auch die Schädeldecke von einem Menschen. Ich weiß nicht, ob das ein Samen oder Stein da drin ist.
Folie 59: ...Alkohol
Da ich da saß bei dieser Zeremonie, bin ich auch aufgefordert worden, ich hatte eigentlich keine Wahl, dass ich auch teilnehmen sollte. Hier trinkt der Patient Schnaps, Gin. Ich habe auch daraus getrunken. Also ich lebe immer noch, aber ich fühlte mich nicht deutlich besser nachher. Wahrscheinlich hilft es ihm besser als mir.
Folie 60: Kriegergötter
Last but not least für heute, zumindest zu Zeremonien: Die Götter Djagli und Ganbada. Oftmals werden Zeremonien gemischt im Voodoo. Manchmal geht man zu einer Zeremonie und man fragt Henning Christoph "Was ist das für eine Zeremonie?" und er sagt: die Gottheit, die Gottheit, die Gottheit und die Gottheit. Da wird sehr durcheinander gemischt.
Hier haben wir zwei davon, Djagli und Ganbada, die das Dorf und die Einwohner vor bösen Geistern und der Hexerei schützen.
Hexerei und Hexen, das ist ein sehr starker Glaube überall in Afrika.
Folie 61: Rituelle Bekleidung
Bekleidet sind die Voodoosi lediglich mit einem Rock aus Stoff, der im Tempel verwahrt wird.
Folie 62: Nacktheit aus Demut
"Bovia, Bovia, Bovia" rufen die Voodoosi. Es ist wie vorher erwähnt: Man muss sich vorstellen, wie laut das ist; gigantische Musik.
Freier Oberkörper als Zeichen der Demut.
Folie 63: Einreibung
Wenn sie tanzen, reiben sie ihre Körper mit so genanntem Djassi ein, einer Mischung aus Maismehl, Palmöl und Kräutern.
Folie 64:
Und, natürlich, was darf nicht fehlen? Das ist Gin, Dry Gin anscheinend.
Folie 65: Trance und Tanz
Die Kleidungstücke werden angelegt, sobald der Tänzer in Trance gefallen ist.
Ich war bei dieser Zeremonie, ich sage mal, ab 16 Uhr. Wir haben sie um ungefähr 21 Uhr verlassen. Solche Zeremonien können 24 Stunden, 36 Stunden und und und dauern. Das ist echt unglaublich. Ich glaube, ich würde auch in Trance fallen, nach so vielen Stunden.
Folie 66: Trance als Schutz
Durch Trance sind die Tänzer vor den Angriffen von Hexen geschützt, die selbstverständlich versuchen, den Erfolg der Zeremonien zu untergraben.
Folie 67: Die Zeremonie wird wilder
Voodoo ist, wie erwähnt, eine sehr lebendige Religion und der Glaube an Hexerei ist extrem stark in dieser Gegend.
Folie 68:
Folie 69: Trance und Schmerzempfinden
Um Stärke zu zeigen, zerschmettert er eine Flasche auf seinem Kopf. Eine kleine Geschichte habe ich noch: Hier habe ich tatsächlich Glück gehabt beim Fotografieren. Das ist eine sehr schwere Gin-Flasche, die er über seinen Kopf haut, was gigantisches Timing braucht. Wenn das jemand hat, zeigt das tatsächlich Stärke.
In diesen Bund dürfen auch Frauen. Ich habe das selbst erlebt. Eine Frau hat eine Gin-Flasche genommen. Sie sah dabei ein bisschen nervös aus. Sie hat sie über den Kopf gehauen und ihr ist nichts passiert. Es war wie zwei Stücke Holz aufeinander.
Noch mal. Ihre Beine waren dann richtig wacklig, es ist ihr trotzdem wieder nichts passiert.
Beim dritten Mal ist wieder nichts passiert. Sie war aber fast bewusstlos. Da ist sie dann abgeschleppt worden von den Voodoosi.
Das braucht ein sehr gutes Timing und es ist keine Show... natürlich ist es Show, aber es sind tatsächlich richtig schwere Schnapsflaschen.
Folie 70: Legba, Mittler zur Geisterwelt
Das ist die Vermittler-Gottheit Legba, jüngster Sohn Mawu-Lissas. Es gibt über Legba so viele Legenden, unzählbar viele. Man findet Legba in jedem Dorf in Süd-Benin, entweder am Dorfeingang oder dem Eingang zu einem Haus. Er darf nicht in das Haus, weil er ein Tricksergott ist. Er kann sehr böse sein. Er hat eine Schutzfunktion für das ganze Dorf, aber er ist auch ein Trickser und spielt gerne.
Er hat das auch mit seiner Mutter Mawu-Lissa gemacht und deswegen ist die Göttin Mawu-Lissa nicht mehr auf der Erde, weil sie so genervt von Legba war, dass sie sagte: "Das reicht und jetzt gehe ich wieder nach Hause", sozusagen. Er kann tatsächlich ein böser Bube sein und eine dieser Mythen von Legba besagt, dass er Sex mit seiner Schwester hatte und seiner Mutter und das fand natürlich Mutter nicht besonders gut und sie hat ihn dafür bestraft. Und die Strafe war, dass er für alle Ewigkeit eine große Erektion haben würde und ich weiß nicht, ob dass eine Strafe ist oder nicht, aber gut, das ist so.
Weitere Recherchen zum Schädeltrinken (von Volli Schlothauer)
[Anmerkung eines Zuhörers zu Folien 58 und 59:]
"Diese Hirnschale, die gibt es auch in Bayern und zwar von einem Heiligen, der in Wolfratshausen beerdigt ist und da wird diese Schale aufbewahrt. Die Frauenkirche in München hat gestritten mit Wolfratshausen, weil sie die Schale wollten, nämlich aus dieser Schale, aus der Hirnschale von diesem Heiligen, wird Wein getrunken und das ist auch heilsam."
[Anm. der Readktion:]
Es handelt sich um eine in Silber gefasste Hirnschale des "Märtyrers" Conrad Nantvin (Nantovinus), der, nebenbei, auch "gelinkt" wurde. Er wurde am 7.8.1286 aus Habgier verbrannt. Eine Christen-Legende über Wunder, Gottlosigkeit, eine mehrfache "Gift-Witwe", ruhelose Geister (die bis heute spuken sollen), Verfluchungen, Morde, Diebstahl, Meineid, ein erblindetes, erstarrtes Pferd, angeblichem Sex mit einem behinderten Kind, heilende Knochen-Verehrung, einem sich wundersam nie leerenden Fläschchen (immer bester Wein drin) und, natürlich, die Reliquien des Heroen, die u.a. Blinde wieder sehend machten (mit Sofortwirkung).
Die letzten, verrußten Knochen wurden 1976 gefunden und, gestützt durch C14, Herrn Nantwein "nahezu zweifelsfrei" zugeordnet.
Nach Auskunft des Historischen Vereins Wolfratshausen: "Ein Rotgerber, Andreas Münzer, hat die Schale ... erworben. Später wurden die verehrten Gegenstände dem Münchner Stadtmuseum zum Geschenk gemacht. ... Messwein wurde daraus zuletzt 1803 getrunken.".
Auch in Teilen des Buddhismus sind die rituellen Kräfte von Hirnschalen bis heute anerkannt, wie ich von einem Freund weiß, der eine tibetische solche (wunderschön und sehr massiv durch die Versilberung der Innenseite und Randung, ansonsten kaum verziert) besaß. Ich hatte sie schon in den Händen, bevor er mir sagen konnte, dass ich sie eigentlich nicht anfassen darf, nur er. Als Buddhist nahm er es stoisch. Geholfen hat sie ihm nicht allzu lange, nebenbei, aber wohl dennoch gestärkt.
Mehr: http://www.kugener.com/abfrage.php?id=0861
Weiterhin, weil's so schön ist (ich hoffe, Eric verzeiht mir den Exkurs auf seiner Seite):
"Vom seligen Conrad Nantwein zu Wolfratshausen
Um das Jahr 1286 kam ein Pilgram mit Namen Conrad Nantwein gen Wolfratshausen, wollt' nach Rom wallfahrten gehen; da ließ ihn aber der Richter daselbst, genannt Ganthar, der ein Auge auf des Pilgers Geld geworfen, und ihm darum ein schändliches Verbrechen angesonnen hatte, in den Kerker werfen, und nach gefälltem Spruche den Feuertod erleiden.
Das Gerücht von dieser ungerechten That und die Wunderzeichen, welche sich an dem Orte des erlittenen Martertodes offenbarten, zogen bald viel andächtiges Volk von nah und fern herbei, und so wurde an dieser Stelle, die eine Viertelstunde vom Markte Wolfratshausen entlegen, jene Wallfahrtskirche dem Martyrer zu Ehren erbaut, die noch heute steht und den Namen St. Nantwein führt.
Das dermalige Daisenbergerhaus zu Wolfratshausen, auf dem Vormarkte Mühlberg, wird als dasjenige bezeichnet, in welchem Nantwin eingekerkert gewesen. Als ein früherer Besitzer desselben, seines Handwerks ein Schlosser, die im Kellergewölbe noch vorhandenen Ketten, an welchen Nantwin gelegen war, wissentlich verarbeitete, soll er darob närrisch geworden sein.
Von dem Orte, da Nantwin gerichtet worden, meldet die Sage: als ihm auf dem Gerichtsplatze der Burg Wolfratshausen das Urtel gesprochen war, sei er von den Schergen befragt worden, wo er seinen Geist aufgeben wolle; da habe er den Knopf seines Pilgerstabs zur Hälfte abgeschraubt, und gesagt, wo der beim Hinwegschleudern niederfalle, dort wolle er gerichtet sein; darauf habe er den Knopf des Stabes mit Macht hinausgeschleudert, wo dieser niedergefallen, sei er verbrannt worden.
Noch werden als Reliquien Nantwins Hirnschale und sein hölzernes Pilgramsfläschchen, beides in Silber gefaßt, aufbewahrt; aus letzterem wurde zu gewissen Zeiten den Wallfahrern und an Nantwini Kirchweih dem Volke Wein vom Priester gereicht; der Brauch hat sich bis in die neuere Zeit erhalten, ist aber nachmals, wahrscheinlich nur aus dem Grunde abgestellt worden, weil dem »Pilgramsflaschl« die Eigenschaft von Sankt Ottmars Fläschlein, nie leer zu werden, abgegangen." (Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayerischen Lande 1–3. München 1852–1853, S. 252-253)
Vortrag MU-2008FT-18 Frühjahrstagung 2008 der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur in München (Staatliches Museum für Völkerkunde), 30. Mai bis 1. Juni 2008 - Ulrike und Hans Himmelheber - Leben und Schaffen