Hans Himmelheber und die Technik (audio-visuelle Ethnologie)

Audiomitschnitt des Vortrags

Redigierter Vortrag

(in Klammern Passagen, die ich im Vortrag weggelassen habe)

Da ich, anders als alle anderen in meiner Familie, zur afrikanischen Kunst kein wirkliches Urteil abgeben kann, habe ich mir als Thema für heute Hans Himmelheber und die Technik vorgenommen - davon verstehen nämlich die anderen Himmelhebers nicht so viel...

Beim Nachdenken darüber ist mir klargeworden, wie fortschrittlich mein Vater mit Technik umgegangen ist. Er hatte eigentlich immer das neueste für seine Arbeit eingesetzt, wenn es ihm sinnvoll erschien. Das fing an beim Wachswalzenphonograph auf einer 2. Reise, ging weiter mit Filmaufnahmen mit einer Honeywell-Kamera und später einer BOLEX bis zu einer Super 8 Kamera mit Magnetton auf einer seiner letzten Reisen.

Als Kind habe ich davon viel mitbekommen: ich habe meinem Vater geholfen, seine 16 mm Filme zu schneiden. Dazu hatte er in Eberhards ehemaligem Dachzimmer Wäscheleinen gespannt und die Wäscheklammern nummeriert. Die Filmstreifen hat er dann Szene für Szene aufgehängt und dann die Filmsequenzen hintereinander geklebt. Ich hab eine Filmklebepresse bedient und die Filmenden zusammengeklebt.

Bei seiner einzigen – immerhin zum Gebrauchsmusterschutz angemeldeten – Erfindung war ich ebenfalls beteiligt. Ihn hat bedrückt, dass immer wieder Kinder im Schwimmbad oder Baggersee ertrinken, weil sie zu spät gefunden werden. Seine Idee: Ein Halsband mit einer Fadenrolle im Nacken des Kindes und daran ein roter Ball mit Schnur. Ich hatte grade Schwimmen gelernt und an einem ziemlich kühlen Herbsttag haben wir die Konstruktion getestet. Nur ein Bademeister hat zugeschaut. Zum Glück! Ich habe mich mit dem roten Ball total geniert. Den kindlichen Eitelkeitsfaktor hatte mein Vater bei seiner Erfindung nicht einkalkuliert, aber sonst hat es funktioniert.

(Eine weitere frühkindliche Erinnerung habe ich noch an die Radiovorträge meines Vaters. Das kam ein Riesenauto vom süddeutschen Rundfunk und hat dicke Kabel durch das Fenster in sein Arbeitszimmer gelegt. Mein Vater hat ja die Ergebnisse seiner Arbeit immer weit zu verbreiten versucht. Das hatte pädagogische Gründe, aber natürlich auch finanzielle. Dia-Vorträge in Volkshochschulen, Auftritte in Gefängnissen oder Blindenlehranstalten- so hieß das damals-, Artikel in Jugendbänden wie der "Gute Kamerad" oder das "Neue Universum" haben in den 50er Jahren Geld in die Haushaltskasse gebracht. So auch die Radio Vorträge, aber natürlich hat er so auch ein viel größeres Publikum erreicht.)

Als Wissenschaftler wollte mein Vater möglichst vieles von den (wie er sicher war) untergehenden Kulturen dokumentieren. Deshalb hat er von Anfang an fotografiert. Mit Leicas wie dieser. Aber schon auf seiner zweiten Reise 1934/35 hatte er einen Wachswalzenphonographen dabei und hat bei den Baule Geschichtenerzähler und Musikanten aufgenommen. Dass Sie diese Musik heute auf CD oder im Internet hören können ist einer Reihe von so unglaublichen Zufällen zu verdanken, dass ich sie jetzt nicht erzählen kann. Ich habe dazu 2 Hörfunksendungen gemacht.

Nach dem zweiten Weltkrieg haben meine Eltern Hans und Ulrike Himmelheber eine "Butoba" mit nach Liberia genommen. Das war ein Tonbandgerät mit Riesenakkus für die Aufnahme. Der Motor allerdings für den Bandtransport musste aufgezogen werden wie bei einem Grammophon. Sehr praktisch, denn im Hinterland von Liberia waren Batterien Ende der 40er Jahre kaum zu bekommen.

Aus den Aufnahmen von dieser Reise ist dann die Schallplatte für das Dan-Buch entstanden. Meines Wissens ist das das erste Buch überhaupt gewesen, dem eine Schallplatte beigefügt war. Multimedia a la Ulrike und Hans Himmelheber. In den 60er Jahren hat er dann mit einem UHER Report gearbeitet. Ich durfte es benutzen, wenn wir unsere Beat-Versuche in der Waschküche dokumentieren sollten. Wir haben aber alle Aufnahmen gleich wieder gelöscht. Wohlweislich..

Im Grunde war mein Vater aber ein Augen-Mensch: und deshalb haben ihn Kameras fasziniert. Neben den erwähnten Leicas und der Bolex hatte er später noch eine Super 8 Kamera mit Magnetton. Die hatte ihm ein Heidelberger Fotohändler geschenkt, nachdem in dessen Labor etwa 30 Diafilme einer Expedition verschwunden waren. Die Verbindung von Film und Ton hat ihm gefallen, aber das Schneiden der Filme war fast unmöglich.

Wesentlich lieber war ihm seine Polaroid-Kamera. Die hatte er immer dabei, um dem Wunsch seiner afrikanischen Freunde an einem Bild sofort nachkommen zu können. Sonst hatte er sie immer vertrösten müssen: "Wenn ich wiederkomme, bringe ich Dein Bild mit!" Sie kennen vielleicht die Aufnahme, auf der mein Vater zu sehen ist, während er einem seiner Schnitzerfreunde dessen Portrait in "Die Dan" zeigt. Mit der Polaroid war das natürlich was ganz anderes – und der strenge Geruch der Bilder hat sie wahrscheinlich noch begehrenswerter gemacht. Nach seiner Alaska-Reise von 1937/37 hat es übrigens 50 Jahre gedauert bis wir bei einer gemeinsamen Reise im Sommer 1986 auf Nunivak-Island und in Bethel am Kuskokwim die Bilder den Kindern und Enkeln zeigen und verschenken konnten, die er damals aufgenommen hatte. Dazu am Schluss noch eine Anmerkung.

Bei allen technischen Dingen war Hans Himmelheber wichtig, dass er die selbst bedienen konnte und dass sie möglichst wenig gestört haben. Bei einer Expedition im Auftrag und mit Mitarbeitern des Instituts für den wissenschaftlichen Film in Göttingen hat beides nicht gestimmt und deshalb war diese Reise für ihn sehr frustrierend. Zum einen hatte er vorgeschlagen, seine Filme von früheren Reisen mitzunehmen und mit einem Projektor in den Dörfern zu zeigen, in denen sie entstanden waren. Die Göttinger haben auch einen Stromgenerator mitgenommen, alles aufgebaut Leinwand gespannt, die Dorfbewohner zusammengerufen. Doch dann hatten die einen Projektor dabei für Filme mit doppelter Perforierung und die Filme hatten nur einseitige Perforierung….

Zum Zweiten hatten die Kameraleute ganz feste Vorstellungen: eine Kamera wird auf dem Dach des Expeditions-VW Busses platziert, die andere kommt auf ein Podest. Damit die Maskentänzer immer schön im Bild bleiben, hat man mit Palmwedeln ein Carree im Dorf abgesteckt, über das hinaus die Akteure gefälligst nicht zu tanzen hatten. Hans Himmelheber ist mit seiner Aufziehbolex und dem Dreibeinstativ halt hinterher gelaufen und hat dort gefilmt, wo die "Action" war. Und überhaupt: "Beim afrikanischen Tanz kommt´s auf die Füße an, wie will ich das vom VW Bus-Dach filmen?" hat er sich noch lange aufgeregt.

Nochmal zum Bedienen-Können: Mein Vater fand sich immer schon vergesslich und deshalb hat er immer alles aufgeschrieben. Bei seinen Apparaten bebben überall kleine Selbstklebeetiketten mit den Bedienungsanleitungen oder Warnungen Ein untrügliches Indiz dafür, ob es sich bei einem Gerät um ein originales aus dem Besitz meines Vaters oder eine Fälschung handelt, ist, dass es mit Klebezettelchen übersät sein muss. In winzig kleiner Schrift steht dann etwa " Große Blende- kurz Belichtung" oder "Dieser Bel.messer ist laut Photo Braun defekt. Stimmt nicht, geht nur 2 Blenden nach!"

(Dass mein Vater mit weit über 90 an moderner Technik interessiert war, hat mir Clara an Weihnachten erzählt. Und auch bei dieser Geschichte schimmert sein Erfindergeist durch. Clara sollte ihm das Computern beibringen. Sie hat also ihren Laptop mitgebracht und aufgeklappt. Als Hans die Tastatur gesehen hat, war er enttäuscht."Ach das ist ja wie eine Schreibmaschine und ich dachte da spricht man nur rein und der Computer macht das dann.")

Eberhard (Fischer) hat mich gebeten, doch auch über Alaska zu berichten. Hans Himmelheber war 1936/37 fast ein Jahr in Alaska, um die Kunst der Eskimo/Inuit zu studieren. 50 Jahre später sind wir zusammen nach Alaska geflogen und haben in Bethel und Nunivak alte Freunde getroffen und nach Spuren der Eskimokultur gesucht.

In Bethel am Kuskokwim Fluss haben wir wieder in der Missionsstation der Herrnhuter Brüdergemeine gelebt, dort war ein theologisches Seminar der Moravian Mission. Natürlich haben die lokalen Medien über den ungewöhnlichen besuch aus Deutschland berichtet und wir waren im lokalen Fernsehen. Nach der Sendung kam ein Techniker und hat uns erzählt, vor einiger zeit sei ein altes Haus am Ort abgerissen worden und dort hab man alte 16 mm Film gefunden und auf Video kopiert. Ob wir die anschauen wollten Ein Dr. Waugh habe die Filme gedreht. " Der Zahnarzt Dr. Waugh?" fragt mein Vater ungläubig. " Mit dessen Motorboot bin ich damals auf dem Kuskokwim mitgefahren. Dr. Waugh hat für die Columbia University die Zähne der Inuit untersucht und ich ihre Kunst."

Mit Hilfe von Techniker Willi und unserem Freund Eric, sowie dem Mariazeller Fernsehtechniker Graf kann ich Ihnen jetzt Ausschnitte aus der (in US-Norm aufgenommenen) Videokassette zeigen, die hier noch nie jemand gesehen hat. Hans Himmelheber bei der Beobachtung eines Schnitzers der Inuit im Sommer 1936.

PS. Wer sich für die Wachswalzenaufnahmen interessiert, ich mache gern Kopien von meinen Radio Beiträgen. Die Alaskafilmaufnahmen versuche ich ebenfalls noch auf DVD zu bekommen und dann auszuwerten.

Bilder gucken

Fotogalerien bei about africa

Beitrag bei Frühjahrstagung 2008 der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur in München (Staatliches Museum für Völkerkunde), 30. Mai bis 1. Juni 2008 - Ulrike und Hans Himmelheber - Leben und Schaffen

Autor

  • Martin Himmelheber

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  • Quellen-Nennung: Hans Himmelheber und die Technik (audio-visuelle Ethnologie); Martin Himmelheber; 2008; https://www.about-africa.de/hans-ulrike-himmelheber/83-himmelheber-audiovisuelle-ethnologie
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