Audiomitschnitt des Vortrags
Die westliche Aneignung der Afrikanischen Kunst
Konturen einer westlichen Konzeption
Begleitender Vortrag zur Magisterarbeit
1. Magisterarbeit
1.1. Magisterarbeit Abstract
Wie wurden aus afrikanischen Gebrauchsgegenständen Sammlerstücke europäischer Kunstliebhaber? Das ist die übergreifende Frage dieser knapp 80 Seiten langen Abhandlung. Von den ersten Begegnungen Europas mit Afrika im 15. Jahrhundert, bis zu den Praktiken auf dem Markt für Afrikanische Kunst in der Gegenwart, wird ein kritischer Blick auf die Geschichte des Sammelns afrikanischer Gegenstände geworfen. Dabei hat sich der Blickwinkel Europas auf Afrika und seine materiellen Hervorbringung stetig gewandelt, und in der Folge auch der Wert, den man den fremden Dingen aus Afrika beimaß. Von der herabwürdigenden Bezeichnung als "Fetisch" bis hin zur Verehrung als "wichtiges Stück Afrikanischer Kunst" reicht die Bandbreite der Bedeutungen, die Europa den Objekten aus Afrika im Laufe der Zeit zugeschrieben hat.
Um diesen Perspektivwechsel zu erklären, führt "Die westliche Aneignung der Afrikanischen Kunst" eine gegenwärtige Theorie der Ethnologie in die Sphäre der Afrikanischen Kunst ein. Die Theorie der kulturellen Aneignung wirft einen Blick auf gesellschaftliche Prozesse, durch die Dinge, die von einer Kultur in eine andere Kultur gelangen, im neuen kulturellen Umfeld mit neuen Bedeutungen belegt werden. So werden aus den vormals fremden und "unverständlichen" Dingen eigene und "verständliche" Bedeutungsträger.
Die fortlaufende aktive Auseinandersetzung mit afrikanischen Objekten, in Form von wissenschaftlichen Publikationen, Ausstellungen oder auf dem Markt für Afrikanische Kunst hat so dazu geführt, dass Europa die materiellen Dinge Afrikas mit ganz eigenen Vorstellungen und Bedeutungen aufgeladen hat.
Ein tiefer Blick in die vielen Schichten von Bedeutungen und Vorstellungen, die sich im Laufe der Zeit an den afrikanischen Objekten angelagert haben, und in die gegenwärtigen Praktiken und Diskurse rund um Afrikanische Kunst, führt zu einem tieferen Verständnis dessen, was Afrikanische Kunst eigentlich ist.
1.2. Magisterarbeit Download
MU-2008FT13 Alexis Malefakis,Magister-Arbeit.pdf
2. Folien des Vortrags
2.1. Folien Download
MU-2008FT13 Vortrag,Alexis Malefakis.ppt
Folie 1
Die westliche Aneignung der
 Afrikanischen Kunst
Alexis Malefakis
Folie 2
- Die Perspektive der kulturellen Aneignung
- Wege afrikanischer Objekte nach Europa
- Stammesstile in der Afrikanischen Kunst
- Die westliche Aneignung der Afrikanischen Kunst
Folie 3
Kulturelle Aneignung
- Dinge aus einem fremden kulturellen Zusammenhang werden umgearbeitet oder mit neuen Bedeutungen belegt, um sie zu sinnvollen, bedeutungsvollen eigenen Dingen zu machen
Folie 4
Kulturelle Aneignung
- Dinge aus einem fremden kulturellen Zusammenhang werden umgearbeitet oder mit neuen Bedeutungen belegt, um sie zu sinnvollen, bedeutungsvollen eigenen Dingen zu machen
- Europa hat sich Gegenstände aus Afrika zueigen gemacht
Folie 5
Folie 6
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
- Feitiço – das Gemachte
Folie 7
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
- Feitiço – das Gemachte
- Kirchliche und staatliche Verfolgung von "Hexerei" und "Götzenanbetung" in Portugal
Folie 8
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
- Feitiço – das Gemachte
- Kirchliche und staatliche Verfolgung von "Hexerei" und "Götzenanbetung" in Portugal
- Afrikanische Gegenstände wurden mit europäischen Vorstellungen belegt
Folie 9
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
(Trowell 1967)
Folie 10
Folie 11
Folie 12
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
"Man entdeckte, abenteuerte und eroberte. Man kartographierte und meteorologisierte. Die Naturwissenschaften sammelten und die ethnographischen Museen schwollen an wie trächtige Flusspferde"
 (Leo Frobenius 1923)
Folie 13
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
- Wissenschaftliche Sammlungen aus den Kolonien
Folie 14
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
- Wissenschaftliche Sammlungen aus den Kolonien
- "grobe" und "primitive" Museumsobjekte bezeugen die Kulturlosigkeit der Unterworfenen...
Folie 15
Wege afrikanischer Gegenstände
nach Europa
- Wissenschaftliche Sammlungen aus den Kolonien
- "grobe" und "primitive" Museumsobjekte bezeugen die Kulturlosigkeit der Unterworfenen...
- ...und die Überlegenheit der europäischen Nationen
Folie 16
Folie 17
Folie 18
Stammesstile in der
Afrikanischen Kunst
- Ein Stamm = ein Stil ?
Folie 19
Stammesstile in der
Afrikanischen Kunst
- Ein Stamm = ein Stil ?
- "Stamm": kulturell homogen, in sich geschlossen, statisch, kollektiv
Folie 20
Stammesstile in der
Afrikanischen Kunst
- Ein Stamm = ein Stil ?
- "Stamm": kulturell homogen, in sich geschlossen, statisch, kollektiv
- Afrikanische Kunst ein Produkt des Kollektivs "Stamm"?
Folie 21
Stammesstile in der
Afrikanischen Kunst
- Stammesstile – ein Instrument der Aneignung?
Folie 22
Stammesstile in der
Afrikanischen Kunst
"Das Kunstwerk als symbolisches Gut gibt es nur für denjenigen, der über die Mittel verfügt es sich anzueignen, das heißt, es zu entschlüsseln"
 (Bourdieu und Darbel 2006)
Folie 23
Die Westliche Aneignung der
Afrikanischen Kunst
- Bedeutungen der Afrikanischen Gegenstände haben stets Bezug zum spezifischen Interesse Europas an Afrika
Folie 24
"It is the frame rather than the picture which establishes the mode of appreciation we know as art"
 (Miller 1987)
Magisterarbeit zu Vortrag
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Vortrag MU-2008FT-13 bei Frühjahrstagung 2008 der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur in München (Staatliches Museum für Völkerkunde), 30. Mai bis 1. Juni 2008 - Ulrike und Hans Himmelheber - Leben und Schaffen
Alexis Malefakis
Die westliche Aneignung
der Afrikanischen Kunst
-
Konturen einer westlichen Konzeption
Wissenschaftliche Abschlussarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium
Vorgelegt in München am 04.Oktober 2007
Vorwort.................................................................................................3
1. Die westliche Aneignung der Afrikanischen Kunst – Geschichte und
Konturen einer Konzeption...................................................................4 2. Zu den Quellen und zur Methode.......................................................7
3. Zur Begrifflichkeit ............................................................................ 8
3.1. Zum Titel............................................................................................................8
3.2. Zum Begriff der Afrikanischen Kunst ............................................................ 10
3.3. Zum Begriff der Aneignung.............................................................................11
4. Rezeptionsgeschichte und die Erfindung der ................................... 14
Afrikanischen Kunst............................................................................ 14
4.1. Frühe negative Stereotypisierung: der "Fetisch"............................................15
4.1.1. Die europäischen Wurzeln des "Fetisch" ...................................................15
4.1.2. Der europäische Glaube an afrikanische "Fetische" ................................ 16
4.1.3. Die Anziehungskraft des "Fetisch" ........................................................... 18
4.2. Sammeln aus Neugier: Die Kuriositätenkabinette Europas......................... 19
4.2.1. Die Entstehung der frühen Sammlungen.................................................20
4.2.2. Die Systematik der Sammlungen ............................................................. 21
4.3. Sammeln in Zeiten des Evolutionismus und Kolonialismus ......................... 25
4.3.1. Sammeln im evolutionistischen Paradigma.............................................25
4.3.2. Sammeln für den nationalen Tempel: Die frühen Museen in der
Kolonialzeit ......................................................................................................... 27 4.4. Die "Entdeckung" der Afrikanischen Kunst...................................................30
4.4.1. Die Motivation der Künstler ..................................................................... 31
4.3.2. Die französischen Maler ........................................................................... 32
4.3.3. Die deutschen Maler.................................................................................33
4.3.4. Die Ausweitung des ästhetischen Bewusstseins: Die Etablierung der
Afrikanischen Kunst ........................................................................................... 35 4.5. Am Wendepunkt.............................................................................................. 37
5. Die Rahmung als Kunst – Afrikanische Kunst in westlicher
Gesellschaft.........................................................................................38 5.1. Klassifikationen als aneignende Diskurse......................................................39
5.1.1. Ein Stamm – Ein Stil ................................................................................. 39
5.1.2. Keine Kunst ohne Künstler? Diskurse über kollektive und individuelle
Urheber in der Afrikanischen Kunst..................................................................46 5.1.3. Authentifizierung als Aneignung .............................................................. 52
5.2. Präsentation und Rezeption als aneignende Praxis......................................58
5.2.1. Die kulturelle Identität der Ausstellung...................................................58
5.2.2. Strategien der Exotisierung und der Assimilierung................................. 59
5.2.3. Strategien der visuellen Ästhetisierung....................................................60
5.2.4. Strategien der textlichen Ästhetisierung..................................................62
5.3. Kommodifikation als aneignende Praxis.......................................................64
5.3.1. Der Markt als soziale Arena......................................................................64
5.3.2. Afrikanische Kunst als Ware .................................................................... 70
Schluss: Afrikanische Kunst – Konturen und ......................................78
Reichweite einer westlichen Konzeption .............................................78
Verwendete Literatur ..........................................................................83
Vorwort
Lot 22: A superb, rare and highly important
bamum headcrest, Cameroon. 600,000 –
900,000 USD.1 Am 17. Mai 2007 wurde im Auktionshaus Sotheby´s in New York die "Saul and
Marsha Stanoff Collection" versteigert. Im Rahmen dieser Auktion wurde auch eine
Holzskulptur aus Kamerun verkauft, die im Katalog als "ausgezeichnet", "selten"
und "höchst wichtig" charakterisiert wurde. Das Stück hatte eine bemerkenswerte
Provenienz: es war einst im Besitz des französischen Malers Maurice de Vlaminck.
So wurde die im Auktionskatalog gepriesene große Bedeutung der Stückes nicht aus
seiner afrikanischen Herkunft erklärt, sondern durch seinen Einfluss auf die
Entwicklung der Malerei des frühen 20. Jahrhunderts: Es verkörpere die
Quintessenz kubistischen Denkens; die Vorstellung des Künstlers von seinem Motiv
wird aufgebrochen, analysiert und in abstrakten Formen wieder zusammengefügt.
Vlamincks Pinsel habe einige Spritzer Ölfarbe auf dem Stück hinterlassen, von
denen besonders ein bräunlich-grüner Farbspritzer auf dem Gesicht der Figur
bemerkenswert sei. Dieser Farbton sei charakteristisch für die Arbeiten des Malers
zwischen 1920 und 1930. Da also angenommen werden könne, dass das Objekt in
dieser Zeit in Vlamincks Atelier gestanden haben muss, wird sicher auch Pablo
Picasso, der zu dieser Zeit mit Vlaminck in Kontakt stand, diese Figur gesehen
haben.
Der geschätzte Wert der Figur zwischen 600.000 und 900.000 US-Dollar wurde
bei ihrem Verkauf noch übertroffen. Der Zuschlag für dieses wichtige Stück
Afrikanischer Kunst erfolgte bei 1.608.000 US-Dollar. Die Preise, die wertvolle Stücke der Afrikanischen Kunst im Westen erzielen, lassen
sich, wie im hier geschilderten Fall, weder aus ihrem Materialwert, noch aus der
Prominenz ihrer Hersteller, die meist mit keinem Wort erwähnt werden, erklären.
Die in den hohen Preisen zum Ausdruck gelangende Bedeutung der Afrikanischen
Kunst kann aber verstanden werden, wenn man den Weg mitbedenkt, den sie durch
unsere Gesellschaft genommen hat – physisch wie intellektuell. 1 Aus dem Online-Auktionskatalog von Sotheby´s (siehe Internetquellen).
1. Die westliche Aneignung der Afrikanischen Kunst –
Geschichte und Konturen einer Konzeption
Die zentrale Frage der vorliegenden Arbeit ist, wie aus fremden Dingen eigene
Dinge werden: Wie wurden aus afrikanischen Gebrauchsgegenständen wertvolle
Sammlerstücke des Westens? Wie hat sich der Westen die Afrikanische Kunst
angeeignet2? Aus diesen Überlegungen ergibt sich schließlich die grundlegende
Frage, die mich bewegt: Was ist Afrikanische Kunst überhaupt? Diese Fragen werden erörtert, indem zunächst in einer historischen Perspektive die
dem Wandel der Zeit unterliegenden Interessen Europas an Afrika und seinen
materiellen Artefakten nachgezeichnet werden. Der primäre Grund für die sich
verändernden Bewertungen afrikanischer Gegenstände in Europa war nicht die
gewandelte Qualität afrikanischer materieller Artefakte im Laufe der Zeit, sondern
die sich wandelnden kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründe und Motive
ihrer westlichen Rezipienten.
Die historische Perspektive reicht bis zu dem Moment der taxonomischen
Transformation, der "Erfindung" der Afrikanischen Kunst. Dabei wurden
Gegenstände, die in Afrika nicht in einem Kunstzusammenhang hergestellt wurden,
sondern vielfältigen religiösen, gesellschaftlichen oder politischen Zwecken gedient
hatten, in Afrikanische Kunst umbenannt. Gegenstände, die jahrzehnte-und
jahrhundertelang in der westlichen Vorstellung Sinnbilder der Rückständigkeit und
Wildheit Afrikas gewesen waren, erfuhren so eine radikale Neubewertung. Nachdem der historische Überblick die Interessengebundenheit der westlichen
Wahrnehmungen afrikanischer Dinge durch den Wandel der Zeit hindurch verfolgt,
soll eine analytische, eher synchrone Perspektive die Konturen der westlichen
Konzeption der Afrikanischen Kunst nachzeichnen. Um die Afrikanische Kunst in
den westlichen Kunstzusammenhang einzubetten, bedarf es neben der
namensgebenden Umwandlung in Kunst weiterer Zuschreibungen von 2 Der begrenzte Rahmen dieser Arbeit zwingt mich dazu, allgemeine Kategorien wie "den Westen"
und "die Afrikanische Kunst" zu verwenden. Was genau damit gemeint ist, und warum die
Afrikanische Kunst in der gesamten Arbeit großgeschrieben wird, wird in Kapitel 3 "Zur
Begrifflichkeit" dargelegt.
Kunstqualitäten. Kunstwissenschaftliche und kunstethnologische Diskurse widmen
sich der Analyse charakteristischer Merkmale der Afrikanischen Kunst. Diese
werden in Beziehung zu den Kriterien der eigenen, westlichen Kunst untersucht:
Finden wir in den afrikanischen Kunsttraditionen die gleichen Merkmale, welche
auch die westliche Kunst kennzeichnen? Wo können Gemeinsamkeiten postuliert
werden, wo Unterschiede? Durch diese Diskurse wird die Afrikanische Kunst für
den Westen mit Bedeutungen versehen, und erhält ihren festen Platz im Kanon der
Kunst. Diese "Rahmung" der Afrikanischen Kunst in ihrem neuen
Kunstzusammenhang durch aneignende Diskurse und Praktiken ist Gegenstand des
zweiten Teils dieser Arbeit. Der westliche Kunstzusammenhang ist kein völlig von der Gesellschaft abgelöster
Bereich, in dem es nur darum geht, dass Kunstwerke mit "rein ästhetischer"
Wirkung in ihren Betrachtern transzendente Emotionen bewirken. Er ist und war
immer auch ein sozialer Handlungsrahmen, in dem Künstler, Sammler, Liebhaber,
Händler, Kritiker usw. neben ihren ästhetischen auch ihre sozialen und
wirtschaftlichen Bedürfnisse befriedigen können.
Aus diesen sozialen und wirtschaftlichen Aspekten des Kunstzusammenhanges
heraus kann zum einen die Motivation für die westliche Aneignung der
Afrikanischen Kunst verstanden werden. Zum anderen aber wird klar, wie durch die
Einbeziehung afrikanischer Gegenstände in gesellschaftlich und wirtschaftlich
relevante Diskurse und Handlungszusammenhänge diese Dinge zu kulturell
bedeutungsvollen Gegenständen des Westens werden. Daher ist es nicht die
"Erfindung", die hier im Mittelpunkt steht, sondern die kulturelle Aneignung der
Afrikanischen Kunst. Die Zweiteilung des Hauptteils der Arbeit in einen historischen und einen
analytischen Teil ist notwendig, um einerseits zu zeigen, wie die Kategorie der
Afrikanischen Kunst entstanden ist, und welche Konnotationen sich in westlicher
Vorstellung mit ihr verbinden. Andererseits kann so über die geschichtliche
Perspektive hinausgehend gezeigt werden, wie die Afrikanische Kunst als Artefakt
des Westens seither in westliche kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge
eingebunden ist.
Die in dieser Arbeit eingenommene Perspektive ergibt sich aus der kritischen
Auseinandersetzung mit der Literatur zur Afrikanischen Kunst. Die
kunsthistorischen und kunstethnologischen Publikationen, die sich seit der
"Entdeckung" der Afrikanischen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dieser
beschäftigen, habe ich dabei jedoch weder unter einem kunstwissenschaftlichen,
noch unter einem kunstethnologischen Gesichtspunkt ausgewertet. Geleitet war
meine Auseinandersetzung mit der Afrikanischen Kunst stets von meinem Interesse
für die Theorie der kulturellen Aneignung. Aus diesem Blickwinkel heraus habe ich
aus kunstethnologischen und kunstwissenschaftlichen Publikationen ihre
jeweiligen aneignenden Momente herausgearbeitet. Beschränkt ist die Darstellung der Afrikanischen Kunst als Artefakt des Westens
durch die Tatsache, dass sie kein monolithisches Konzept darstellt, über dessen
Bedeutung in allen Teilen der westlichen Gesellschaften ein umfassender Konsens
besteht. Die Kategorie der Afrikanischen Kunst bleibt stets in Bewegung, neue
Objekte werden "entdeckt" und in den Kanon der Kunst aufgenommen, andere
fallen heraus, da über ihre "Authentizität" keine Klarheit geschaffen werden kann.
Einzelne Objekte oder Objekttypen werden im Zuge der Konjunktur des Marktes
aufgewertet oder erfahren eine radikale Abwertung, können aber zu einem späteren
Zeitpunkt wieder völlig anders bewertet werden. Verschiedene Akteure und
Rezipienten verfolgen, sei es im Museum, auf dem Markt oder als private Sammler,
unterschiedliche Ziele in ihrem Umgang mit den Objekten. Genauso wenig wie
"Afrika" oder "der Westen" als homogene kulturelle und gesellschaftliche Einheiten
existieren, gibt es also – genaugenommen – auch "die Afrikanische Kunst" nicht.
Im Rahmen dieser Arbeit können nur die Konturen der westlichen Konzeption der
Afrikanischen Kunst nachgezeichnet werden, und hierfür sind Generalisierungen
wie "Europa" oder der "Westen", mit seiner "westlichen Kunsttradition" und seiner
Konzeption der "Afrikanischen Kunst" unumgänglich. Um aber kein zu vereinfachendes oder gar verzerrendes Bild von der Afrikanischen
Kunst zu zeichnen, habe ich es vermieden, verbindliche Aussagen über die
tatsächlichen Bedeutungen bestimmter Objekte für ihre afrikanischen und auch
westlichen Rezipienten zu treffen. Wenn also in der vorliegenden Arbeit
beispielsweise der Diskurs um die Frage nach kollektiven oder individuellen
Urhebern afrikanischer Artefakte nachgezeichnet wird, so geht es mir nicht darum,
Argumente für die eine oder die andere Seite zu finden, sondern darum zu zeigen,
weshalb diese Frage überhaupt gestellt wird. In den Mittelpunkt der
Aneignungsperspektive rücken so die westlich-europäischen Akteure mit ihren
jeweiligen Interessen an der Afrikanischen Kunst. 2. Zu den Quellen und zur Methode
Zur Afrikanischen Kunst steht eine umfangreiche Literatur zur Verfügung. Seit
ihrer "Entdeckung" zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich Autoren mit
unterschiedlichsten Hintergründen dieser Kunstform gewidmet. Ethnologen,
Museumskuratoren, Naturwissenschaftler, Missionare und Kolonialbeamte,
Kunsthistoriker, Künstler, Sammler, Händler und Galeristen schrieben und
schreiben über die Afrikanischen Kunstwerke. Aus diesem Korpus wurden für die
vorliegende Arbeit solche Veröffentlichungen ausgewählt, aus denen sich zentrale
Aspekte der westlichen Perspektive auf die Afrikanische Kunst herausarbeiten
ließen, und anhand derer die Gewichtung und Bewertung dieser Aspekte durch den
Wandel der Zeit hindurch nachvollzogen werden kann. Ergänzt wurden diese Quellen durch die Lektüre kritischer Sekundärliteratur.
Publikationen wie Primitive Kunst in zivilisierter Gesellschaft (Price 1992), African
Art in Transit (Steiner 1994), What became Authentic Primitive Art? (Errington
1994) oder Art by Metamorphosis (Maquet 1979) richten ihre Aufmerksamkeit auf
die westliche Konstruiertheit der "primitiven" und Afrikanischen Kunst. James
Clifford (1988) sowie Ivan Karp und Steven D. Lavine und die Autoren ihres Bandes
Exhibiting Cultures: The Poetics and Politics of Museum Display (1991) setzen sich
kritisch mit der westlichen Sammel-und Ausstellungspraxis auseinander. Jeremy
MacClancy (1988) sowie Haidy Geismar (2001) richten ihren kritischen Blick auf
den Markt, die Rolle der außer-europäischen und Afrikanischen Kunstwerke und
die Motive der mit ihnen handelnden Akteure.
Mit Hilfe dieser und weiterer Sekundärwerke konnte ein kritischer Zugang zur
Literatur über Afrikanische Kunst gefunden werden, der meiner eigentlichen
Absicht zuträglich war. Denn die übergreifende Perspektive auf all diese
Publikationen war die Theorie der kulturellen Aneignung. Durch diesen noch recht
jungen Ansatz aus der Ethnologie der Globalisierung3, richtete sich mein Blick auf
die Beziehungen und ihren Wandel zwischen Europa und dem Westen einerseits
und Afrika und seinen materiellen Kulturen andererseits. Mein Untersuchungsfeld 3 Zur kulturellen Aneignung siehe Kapitel 3.3.
ist also nicht die Afrikanische Kunst an sich, sondern das diskursive und praktische
Feld, innerhalb dessen sie im Westen angeeignet wurde. Diese Perspektive geht
über den Rahmen der Kunstwissenschaften und der Kunstethnologie hinaus.
Auch die kritischen Stimmen der Sekundärliteratur, in denen beispielsweise ältere
Veröffentlichungen kritisiert wurden, und ihnen eine zeitbedingt eurozentrische
oder anderweitig eingeschränkte Perspektive auf "primitive" oder Afrikanische
Kunst vorgeworfen wurde, konnten vor dem Hintergrund der
Aneignungsperspektive zum Teil einer weiterreichenden Kritik unterzogen werden.
So wird zum Beispiel in jüngerer Zeit Autoren aus der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts vorgeworfen, ihre Begeisterung für "Stammesstile" und die
"Kollektivität" in der Kunstproduktion in Afrika gründe in einer evolutionistischen,
kolonialistischen oder paternalistischen Haltung gegenüber Afrika und seinen
Menschen. Dieser verwerflichen Haltung wird entgegengesetzt, die Afrikanische
Kunst sei, ebenso wie die westlichen Kunsttraditionen, ein Produkt individueller
Künstler und ihrer persönlichen Kreativität (Price 1992). Ohne auf die moralischen
Implikationen des einen oder des anderen Standpunktes eingehen zu müssen, kann
in der Perspektive der kulturellen Aneignung doch gezeigt werden, dass die hier in
der Sekundärliteratur geübte Kritik die alte Mythologie der kollektiven
Urheberschaft durch eine neue Mythologie der individuellen Kreativität in der
Afrikanischen Kunst ersetzt (Dutton 1995). Inwiefern beide Perspektiven ihre
Ursache in den Intentionen der jeweiligen Autoren und ihrem Zeitgeist haben, ist
ein zentraler Aspekt der vorliegenden Arbeit. 3. Zur Begrifflichkeit
3.1. Zum Titel
Die westliche Aneignung der Afrikanischen Kunst zu beschreiben setzt voraus, dass
die Afrikanische Kunst zu Beginn dieser Aneignung bereits existierte. Dies ist
jedoch nicht der Fall. Die Afrikanische Kunst ist eine Kategorie, die erst im Laufe
der aneignenden Prozesse entstanden ist und deren Name in einem konkreten
historischen Moment formuliert wurde. Unter diesem Namen werden
unterschiedliche Dinge zusammengefasst, die sich weniger dadurch auszeichnen,
dass sie als Kunstwerke in Afrika hergestellt wurden, als vielmehr dadurch, dass sie
Gegenstand bestimmter aneignender Diskurse und Praktiken ihrer westlichen
Rezipienten sind. Diese Diskurse und Praktiken des Westens brachten erst relativ
spät den Begriff der Afrikanischen Kunst hervor. Zuvor wanderten die Objekte
durch verschiedene semantische Felder, in denen sie, den jeweils zeitbedingten
Perspektiven des Westens entsprechend, unterschiedlich behandelt und gedacht
wurden.
Anstatt also von der westlichen Aneignung der Afrikanischen Kunst zu sprechen,
wäre es genaugenommen korrekt, den Titel in eine Bandwurmformulierung der
folgenden Art zu ändern: "Die westliche Aneignung verschiedener Gegenstände aus
Afrika, und ihre Einbeziehung in eine durch westliche Akteure neu geschaffene
Objektkategorie die da heißt: Afrikanische Kunst." Auch über "Die westliche
Erfindung der Afrikanischen Kunst" zu schreiben wäre denkbar. Wenn ich jedoch bei meinem Titel bleibe, so nicht allein der Einfachheit halber. Die
westliche Aneignung bestimmter Gegenstände aus Afrika in der Vergangenheit, ihre
Einbeziehung in verschiedene Zusammenhänge unter verschiedenen
Gesichtspunkten, und auch die Entstehung oder Erfindung des Konzeptes der
Afrikanischen Kunst, sind Thema meiner Arbeit. Doch mit der Erfindung eines
Namens für afrikanische Dinge, die den ästhetischen Nerv einiger Künstler in
Europa trafen, ist die Afrikanische Kunst noch nicht konstituiert. Denn mit der
Entstehung der westlichen Bezeichnung werden weitreichende Fragen aufgeworfen.
Die Afrikanische Kunst ist zunächst ein "semantischer Alien" (Petermann 2004:
113), über dessen Eingliederung in die westliche Konzeption der Kunst erst einmal
keine Klarheit herrscht. Die "wilde" Afrikanische Kunst muss durch ihre westlichen
Rezipienten "domestiziert" werden (Steiner 1994: 122), untergliedert werden,
authentifiziert werden, mit verstehbaren Bedeutungen angereichert werden, um als
fester Bestandteil der westlichen Kunstwelt mit ihren Vorstellungen und Praktiken
Gestalt annehmen zu können. Die in dieser Arbeit diskutierten Diskurse und
Praktiken, durch welche die Afrikanische Kunst konsolidiert und zu einer
westlichen Realität gemacht wird, stellen den aneignenden Umgang des Westens
mit der Afrikanischen Kunst dar, ein Prozess, der nicht in der Vergangenheit
abgeschlossen wurde, sondern sich in gegenwärtigen Publikationen, Ausstellungen
und auf dem Markt fortsetzt.
3.2. Zum Begriff der Afrikanischen Kunst
Afrikanische Kunst groß zu schreiben weist darauf hin, dass es sich dabei um einen
Eigennamen handelt. Kleingeschrieben wäre afrikanische Kunst eine Kunst, die
afrikanisch ist. Dass jedoch die hier mit Afrikanischer Kunst bezeichneten Objekte
in ihren afrikanischen Herkunftsgesellschaften nicht als Kunst hergestellt wurden,
ist eine ebenso weitläufig bekannte wie für das Verständnis dieser Konzeption
grundlegende Tatsache. Die Kategorie der Afrikanischen Kunst ist durch Objekte
konstituiert, die sich primär weder durch ihre Herkunft aus Afrika noch dadurch,
dass sie als Kunst hergestellt worden sind, für ihre Einbeziehung in diese Kategorie
qualifizieren. Was sie miteinander verbindet, ist die Tatsache, dass sie Gegenstand
von Diskursen und Praktiken westlicher Fachleute, Liebhaber, Kuratoren, Autoren,
Händler und Sammler sind, die ihnen eine Herkunft, Authentizität, ästhetischen
und wirtschaftlichen Wert zuschreiben, und diese Kriterien zu ihren eigenen
Zwecken mobilisieren und bewerten.
In diesem Sinne kann und möchte ich zu Beginn meiner Arbeit keine
Begriffsdefinition vornehmen, oder diskutieren, was die Bezeichnung "Kunst"
bedeutet oder ob sie in diesem Zusammenhang gerechtfertigt ist. Mit dem Begriff
der Afrikanischen Kunst übernehme ich einen emischen Begriff meines
Untersuchungsfeldes. Gemeint ist mit dem Namen das, was das Berliner
Ethnologische Museum und das Münchner Museum für Völkerkunde als "Kunst aus
Afrika" (Junge 2005; Kecskési 1999) ausstellen; das, was mit dem Titel des
wichtigsten Fachmagazins für Afrikanische Kunst African Arts bezeichnet ist; das,
was in den hier ausgewerteten Publikationen meist als "afrikanische Kunst"
untersucht und beschrieben wird. In einem postkolonialen Kontext bezeichnet afrikanische Kunst solche
Kunstformen, die in Afrika von Künstlern bewusst als Kunst hergestellt und als
solche wahrgenommen werden (Maquet 1979: 32): Malerei, Skulptur, Videokunst,
Tanz, Performance, Musik, Fotografie, Theater, Literatur, usw.
Der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Afrikanischen Kunst hingegen, stellt ein
historisches Produkt des Westens dar. In ihm sind Objekte zusammengefasst, die
sich mit einem "Prototyp" der Afrikanischen Kunst assoziieren lassen, dem durch
die Aufmerksamkeit der westlichen Künstler-Avantgarde im frühen 20.
Jahrhundert erstmals ein ästhetischer Wert zugestanden wurde. Aus dieser
Aufmerksamkeit und der aus ihr resultierenden Ästhetisierung afrikanischer
Artefakte entstand eine westliche Tradition der Wertschätzung Afrikanischer Kunst.
Sie gilt solchen Objekten, die, entsprechend ihrer Assoziation mit dem Prototyp, alt
sind – alt genug, um aus dem "authentischen Afrika" zu stammen. Somit
qualifizieren sich also besonders Objekte, die von Entdeckungsreisenden,
Missionaren, frühen Händlern oder Kolonialbeamten gesammelt wurden, für die
Einordnung in die westliche Kategorie der Afrikanischen Kunst. Afrikanische Kunst – großgeschrieben – bezeichnet also ein Konstrukt, dessen Bedeutungsinhalt nicht
afrikanisch, sondern westlich ist.
3.3. Zum Begriff der Aneignung
Neben der Afrikanischen Kunst stellt der vorwiegend in der Ethnologie materieller
Kultur formulierte Begriff der kulturellen Aneignung den zweiten zentralen Begriff
der vorliegenden Arbeit dar. Im Rahmen von Globalisierungsdebatten in der
Ethnologie bezieht sich der Begriff zumeist auf sogenannte "nicht-westliche"
Gesellschaften, und betont deren Kreativität im Umgang mit globalen
Konsumgütern. In geographisch entlegenen Regionen haben die Konsumenten zwar
auf die produk-tionsbedingte Form der industriellen Importgüter keinen Einfluss
(Hahn 2005: 99). Dennoch werden die Produkte zu lokal bedeutungsvollen
Objekten, wenn sie in ihrem neuen Umfeld umgewidmet, und ihnen neue, in der
Lokalgesellschaft verwurzelte Bedeutungen zugeschrieben werden (Spittler 2002;
Wimmer 2002; Beck 2001; Hahn 2004). So formuliert, stellt die Theorie der
kulturellen Aneignung einen Gegenentwurf zu jenen Theorien dar, die als Folge der
ökonomischen Globalisierung eine weitreichende Homogenisierung von Kultur
prophezeien.
Als analytische Konzeption hebt die kulturelle Aneignung besonders die zum
Erwerb eines neuen Objektes und zur Umdeutung desselben notwendige soziale
Interaktion (Spittler 2002: 16), sowie das aktive Handeln der Akteure des
aneignenden Milieus hervor (Hahn 2005: 101). Das Sich-zu-eigen-machen
erscheint somit nicht als eine einmalige Transformation eines in eine fremde
Gesellschaft geratenen Objektes, einer Idee oder Konzeption, sondern als ein
aktiver Prozess der Bedeutungszuschreibung innerhalb und entlang der im
aneignenden Milieu vorgegebenen kulturellen Prämissen. Die kulturelle Aneignung
bedeutet stets die Einbeziehung eines zuvor fremden Objektes in bereits bestehende
Sinnzusammenhänge, die Übersetzung in das "Vokabular" und die "Syntax" seiner
neuen kulturellen Umgebung (Beck 2001: 67). Das Ergebnis eines solchen
Prozesses ist nie von vornherein absehbar. Die Theorie der kulturellen Aneignung stellt in der vorliegenden Arbeit die
übergreifende Perspektive auf den Themenkomplex der Afrikanischen Kunst dar.
Über den objektbiographischen Ansatz (Kopytoff 1986) hinausreichend, soll auf den
Bedeutungszusammenhang eingegangen werden, in den Gegenstände aus Afrika
einbezogen werden. Im "Vokabular" und der "Syntax" des aneignenden Milieus
wird der vormals fremde "semantische Alien" zu einem neuen, bedeutungsvollen
"sprachlichen Mittel", mit dessen Hilfe kulturell und gesellschaftlich relevante
"Argumente" ausgedrückt werden können.
Zu analytischen Zwecken kann der Prozess der kulturellen Aneignung in einzelne,
aufeinanderfolgende Stufen gegliedert werden, die ein Objekt oder eine
Objektkategorie im Zuge der Aneignung durchläuft (siehe z.B. Hahn 2005: 103;
Silverstone, Hirsch, Morley 1992). In der Auseinandersetzung mit der Aneignung
der Afrikanischen Kunst wird jedoch bald klar, dass ein stringent konzipiertes
Muster des Aneignungsprozesses nicht die Realität wiedergibt. Die immer wieder
zum Teil kontrovers geführten Debatten zu einzelnen Bereichen und Aspekten der
Afrikanischen Kunst zeigen, dass die Sinngebungen auch für bereits in den Kanon
der Kunst integrierte Stücke immer wieder neu vorgenommen und modifiziert
werden müssen, und mit unterschiedlichen Ergebnissen zu neuen Bewertungen
bereits lange bekannter Stücke führen können. Die kulturelle Aneignung der
Afrikanischen Kunst ist also keine unumkehrbare Entwicklung, sondern ein
dynamischer Prozess, dessen Verlauf das gesamte Koordinatensystem des
aneignenden Milieus beeinflussen kann. Als Beispiel seien hier die jüngeren
Forschungen über die Rolle einzelner Künstler und ihres individuellen Stils in
verschiedenen afrikanischen künstlerischen Traditionen genannt (siehe z.B.
Thompson 1997; Roberts 1998), oder die weitreichenden Auswirkungen
wissenschaftlich fundierter Kritik an etablierten Konventionen zur Datierung von
Objekten (siehe z.B. Eisenhofer 1996). Obwohl also die "Erfindung" der Afrikanischen Kunst durch ihre Benennung
durchaus in einem historischen Zeitraum verortet werden kann, weist die
dynamische Konzeption der kulturellen Aneignung auf die fortgesetzten Prozesse
der Sinngebung hin, durch die aus vormals fremden, afrikanischen
Gebrauchsgegen-ständen Objekte werden, die durch die Diskurse über sie immer
tiefer in der geistigen und materiellen Kultur des Westens verwurzelt werden.
4. Rezeptionsgeschichte und die Erfindung der
Afrikanischen Kunst The history of collections (not limited to
museums) is central to an understanding of how
those social groups that invented anthropology
and modern art have appropriated exotic things,
facts, and meanings. […] It is important to
analyze how powerful discriminations made at
particular moments constitute the general system
of objects within which valued artifacts circulate
and make sense. Farreaching questions are
thereby raised. (James Clifford4) Will man die Art und Weise verstehen, wie und wozu soziale Gruppen sich die
Dinge der Anderen angeeignet haben, so müssen die spezifischen historischen
Momente betrachtet werden, in denen den Dingen Bedeutungen gegeben wurden.
Diese Bedeutungen unterliegen einem Wandel, wenn das Interesse des
aneignenden Milieus an den fremden Dingen sich wandelt. So entsteht im Laufe der
Zeit ein Klassifikationssystem, innerhalb dessen die fremden Dinge zirkulieren und
gedacht werden können (Clifford 1988: 221). In einem geschichtlichen Überblick
der westlichen Wahrnehmung afrikanischer Artefakte lassen sich die
unterschiedlichen Zusammenhänge erkennen, in welchen sich verschiedene soziale
Gruppen unterschiedliche afrikanische Dinge aneigneten, mit Bedeutungen beluden
und ihren jeweiligen spezifischen Interessen nutzbar machten.
Anhand der Begriffe, mit welchen die Dinge in diesen historischen Momenten
benannt und gedacht wurden, kann ihre Migration durch verschiedene
Bedeutungskontexte nachgezeichnet werden. Denn die sich wandelnde Perspektive
Europas auf afrikanische materielle Kultur spiegelt sich im Wandel der
Benennungen materieller Artefakte wider, angefangen bei der herabwürdigenden
Fetischismuszuschreibung der frühen Periode europäisch-afrikanischer
Begegnungen, bis hin zum ästhetisierenden Postulat der Afrikanischen Kunst.
Dabei verweisen diese Namen der Objekte nicht auf ihren afrikanischen 4 1988: 220f.
Herkunftszusammenhang, sondern werfen ein Schlaglicht auf die europäische
Geistes-und Kulturgeschichte, sowie auf das jeweilige historische Interesse
Europas an Afrika. Im Folgenden wird also weniger in die afrikanischen
Zusammenhänge geblickt, aus welchen die Objekte entnommen wurden, sondern
gezeigt, wie sich Diskurse über afrikanische materielle Kultur und verschiedene
Formen des Umgangs mit ihr in Europa und dem Westen herausgebildet und
gewandelt haben. 4.1. Frühe negative Stereotypisierung: der "Fetisch"
Verflucht sei, wer einen Götzen oder ein
gegossenes Bild macht, einen Greuel für den
Herrn, ein Werk von den Händen der
Werkmeister, und es heimlich aufstellt! (5. Buch Mose 27)
Noch bevor afrikanische Objekte in großem Umfang in die Hände und Sammlungen
der europäischen Eliten gelangten, wirkten einige Objekte sozusagen noch von
afrikanischem Boden aus auf intellektuelle Debatten in Europa ein. Im 15.
Jahrhundert brachten portugiesische Seefahrer, Händler und Missionare von ihren
Begegnungen mit den westafrikanischen Küstenbewohnern die Vorstellung des
afrikanischen "Fetisch" mit. Seither hat diese Konzeption auf europäischem Boden
zahlreiche Weiterentwicklungen erfahren, und sich letztlich als ein von Afrika
losgelöster und allgemein gängiger Begriff verselbständigt. Zugleich stellt der
Begriff "Fetisch" den Ausgangspunkt der radikalen semantischen Transformation
dar, in deren Verlauf aus den zunächst ungeliebten und verachteten "Fetischen" der
"Wilden" im Laufe der Zeit begehrte Sammlerstücke und Prestigeobjekte der
gebildeten und wohlhabenden Eliten Europas wurden. Die mit dem Begriff
"Fetisch" negativ konnotierte westliche Vorstellung der Irrationalität und des
Aberglaubens Afrikas indessen, haftet vielen afrikanischen Objekten bis heute an. 4.1.1. Die europäischen Wurzeln des "Fetisch"
Frühe Berichte europäischer Reisender sind häufig von Wahrnehmungsmustern
gekennzeichnet, durch welche die unbekannten und fremdartigen Erscheinungen
der neu entdeckten Welten stets auf bekannte Realitäten bezogen, und mit diesen
verglichen werden konnten, um auf dieser Basis der Interpretation das Unbekannte
begreifen zu können (dos Santos Lopes 1992: 56). So wurde auch die dem Begriff
des "Fetisch" – in seinem portugiesischen Ursprung feitiço (Schneider 1891: 169) –
zugrundeliegende Idee keineswegs erst im Laufe der Kulturberührung mit den
Menschen Westafrikas gebildet, sondern existierte bereits zuvor. Die auf die
westafrikanischen Gegenstände angewandte Vorstellung des "Fetisch" entstand im
Europa des ausgehenden Mittelalters, im Zusammenhang mit der staatlichen und
kirchlichen Verfolgung jeglicher Form von "Teufelsanbetung", "Hexerei" und
Verwendung von "Zaubermitteln". Das aus theologischen Debatten
hervorgegangene Verbot der Verehrung von "Götzen" und "gemachten
Gottesbildern" schrieb König João I. von Portugal in seinem Anti-Hexerei-Edikt
von 1385 fest (Kohl 2003: 15).
Als knapp hundert Jahre später portugiesische Seefahrer bei ihrer Suche nach
einem Seeweg in Richtung Asien mit den Bewohnern der Küsten Afrikas
zusammentrafen (Bitterli 1986: 63), glaubten sie in deren religiösen Praktiken die
in ihrer Heimat so verabscheute Teufelsanbetung und Idolatrie wiederzuerkennen.
Ebenso, wie sie in den "satanischen" Kulten der feitiçeiros ("Hexer" oder
"Teufelsanbeter") in Portugal eine verabscheuungswürdige Imitation der
kirchlichen rituellen Handlungen mit heiligen Gegenständen sahen, glaubten die
Portugiesen also in den mit magischen Substanzen aufgeladenen Figuren und den
damit verbundenen "heidnischen" Praktiken in Westafrika eine "teuflische"
Verirrung der Menschen zu erkennen.
Die begriffliche Zuordnung vielfältiger Artefakte aus Westafrika zum Bereich der
feitiçaria ("Hexerei" oder "Magie") durch die Portugiesen erzeugte zumindest die
Illusion eines Verständnisses für die materiellen Aspekte der verschiedenen
westafrikanischen religiösen Praktiken: Man wies den afrikanischen "Fetischen"
einen festen Platz an der Seite der in Europa geläufigen Vorstellungen von Hexerei
und Magie zu. 4.1.2. Der europäische Glaube an afrikanische "Fetische"
Die abwertende Perspektive Europas auf afrikanische Artefakte verhärtete sich in
einem negativ konnotierten Begriff des "Fetisch". Obwohl zu dieser Zeit der frühen
Seereisen nur wenige Objekte tatsächlich nach Europa gelangten, fand der Begriff
des "Fetisch" als Konzeption afrikanischer Religiosität seinen Weg in europäische
intellektuelle und philosophische Debatten um den Ursprung der Religion des
Menschen.
In seiner 1760 anonym veröffentlichten Denkschrift Du Culte des Dieux Fétiches ou
Parallèle de l´Ancienne Religion de l´Égypte avec la Religion actuelle de Nigrite prägte der französische Geograph und Historiker Charles de Brosses (1709-1777)
nicht nur den Neologismus des "Fetischismus", sondern bezog ihn darüber hinaus
in sein allgemeines Entwicklungsschema menschlicher Religionen mit ein. De
Brosses formulierte dadurch eine Kritik an der philosophischen Strömung des
Deismus, dem zufolge Erscheinungen wie der westafrikanische "Fetischglaube"
lediglich eine entartete, durch Unwissen verkommene Form einer ursprünglichen
und vernünftigen Religion sei (Yigbe 1996: 47). Dieser Vorstellung von der
"Weisheit der Alten" stellte er ein Entwicklungsschema entgegen, in welchem die
früheste Phase der Religiosität nicht durch vernünftigen und monotheistischen
Glauben gekennzeichnet war, sondern durch den irrationalen Glauben an
"Fetische", wie eben dem der Westafrikaner. Aus diesem Stadium konnten sich nur
wenige Völker durch eine Phase des Polytheismus hindurch, und durch ständigen
Zugewinn an Erkenntnis zur höchsten Entwicklungsstufe der monotheistischen
Religion emporarbeiten (Kohl 2003: 72). Zu den auf niedrigerer Stufe verbliebenen
Völkern gehörten demnach die Küstenbewohner Westafrikas, deren "primitive"
geistige Verfassung am offensichtlichsten in ihrer Verehrung bestimmter
Gegenstände zum Ausdruck kam.
Der Begriff des "Fetischismus" wurde so zum Postulat einer affektbeladenen und im
Grunde absurden Urform der Religiosität, welche die noch in der "kindlichen"
Daseinsstufe sich befindenden "primitiven" Völker im Allgemeinen charakterisierte
(Petermann 2004: 113). Auch außerhalb des religionswissenschaftlichen und
theologischen Diskurses in Europa fand und findet der so aufgeladene Begriff in
ethnologischen, polit-ökonomischen und auch psychologischen Debatten vielfach
Verwendung (Petermann 2004: 114-118; Kohl 2003: 78-115). Eine stark negative
Konnotation erfährt der "Fetisch" bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831).
Als Ausdruck des Irrglaubens der Afrikaner an die Beherrschbarkeit der Welt durch
menschlich hergestellte "Fetische", und ihrer damit einhergehenden Leugnung der
Existenz eines höheren und vom Menschen unabhängigen Wesens, ist der "Fetisch"
bei Hegel Sinnbild für die Menschenverachtung der "Neger". Diese äußere sich in
Tyrannei, Sklaverei und Menschenfresserei in Afrika (Kohl 2003: 82). Die aus dem
europäischen Kontext stammende Vorstellung des "Fetischglaubens", verhärtet an
materiellen Artefakten aus Afrika, kursiert seither als negative Stereotypisierung
afrikanischer Kulturen durch europäische Diskurse.
4.1.3. Die Anziehungskraft des "Fetisch"
Die Assoziation materieller Artefakte aus Afrika mit dem europäischen Bild der
Irrationalität, des "primitiven Aberglaubens" an "Fetische", und deren Verwendung
in womöglich "blutigen Ritualen", wirkt sich in der Faszination westlicher Sammler
für bestimmte Gegenstände aus Afrika bis heute aus (Price 1992: 62). Die
angenommene Irrationalität und Angstbesessenheit der Hersteller dieser Artefakte
assoziiert die Objekte mit westlichen Vorstellungen des vormodernen,
vorzivilisierten Menschen. Diese Anziehungskraft der "Nachtseite der Menschen"
(ebd.: 61) kumuliert im Begriff des "Fetisch", wie er auch in der Afrikanischen Kunst
Anwendung findet. Der Kunsthistoriker Werner Schmalenbach bezeichnete noch
1972 den "Fetisch" als wichtige Gattung der "primitiven Kunst" (Schmalenbach
1972: 428), und Margaret Trowell schilderte ihren Eindruck eines "Fetisch" aus
Nigeria wie folgt: Finster und streng ist dieser Fetisch, böse, feindselig und
grausam. Sein Leib ist vollgestopft mit den übelbringenden
Ingredienzen der Macht – Blut, Galle, Exkrementen usw. –,
ein wahres Hexengebräu. (Trowell 1967: 22) Im Dezember 2004 konnte man im Online-Katalog des Düsseldorfer Kunsthändlers
André Kirbach folgendes über eine "weibliche Fetischfigur der Ewe" lesen: Bei zahlreichen westafrikanischen Stämmen spielt der
Fetischkult eine wichtige Rolle. Diese magisch wirksamen
Objekte sind nicht allein Material, aber auch nicht Geist oder
Gott. Sie sind magische Instanzen und dienen als
Bindeglieder zwischen Mensch und Gott, aber auch zwischen
Mensch und Teufel. (Auktionskatalog André Kirbach 20045) Afrikanische Objekte als "Fetische" zu bezeichnen, ob in einem ethnographischen
oder einem Kunstzusammenhang, dringt, wie die historische Herleitung des
Konzepts gezeigt hat, unter keinen Umständen zur tatsächlichen Bedeutung der
Objekte für ihre afrikanischen Herkunftsgesellschaften vor. Das Wort "Fetisch"
verweist nicht auf eine afrikanische Form der Religiosität, sondern auf eine 5 Siehe Internetquellen.
europäische Fiktion, die auf der Grundlage unzureichenden Wissens über die
tatsächlichen Bedeutungen solcher Gegenstände gebildet wurde. Entstanden war
der Begriff des "Fetisch" im Zuge der Interaktionen zwischen portugiesischen
Seefahrern und den Bewohnern der westafrikanischen Küste, vor dem Hintergrund
in Europa stattfindender theologischer Debatten und dem Verbot jeglicher Form
von "Götzendienst". Schon früh in philosophischen Debatten instrumentalisiert,
wurde der Begriff nach und nach zu einem selbständigen, von seiner Beziehung zu
Afrika losgelösten Konzept. Im Zusammenhang mit Objekten, die als Afrikanische
Kunst ausgestellt und gehandelt werden, bleibt jedoch die Konnotation des
"Fetisch" als eine Form des irrationalen Aberglaubens erhalten. Die als "Fetische"
bezeichneten Dinge verkörpern in der westlich-europäischen Vorstellung alles
Phantastische, Irrationale und Imaginäre der Menschen in Afrika. Durch eine mit
ihr einhergehende Rhetorik der Angst, der Magie und der "heidnischen Rituale"
bewirkt die "Fetischismuszuschreibung" an bestimmte Objekte der Afrikanischen
Kunst heute eine durch die westliche Faszination für das "Primitive" begründete
Anziehungskraft für Sammler und Liebhaber. 4.2. Sammeln aus Neugier: Die Kuriositätenkabinette
Europas
Wer des Höchsten grosse Wercke nur in etwas
will besehen
Der woll lassen sich belieben diese Blätter
durchzusehen
Er wird eitel Lust und Freude g´wislich drinnen
treffen an
Und befinden wie der Höchste sey ein rechter
Wundermann (Aus dem Vorwort des Exoticophylacium
Weickmannianium6) Unter den ersten Objekten, die von europäischen Reisenden ab dem 15.
Jahrhundert vom afrikanischen Kontinent nach Europa mitgebracht wurden,
befanden sich neben Dingen, die in Afrika für den Gebrauch in einheimischen
Kontexten hergestellt wurden auch solche, die zwar von Afrikanern mit
einheimischen Materialien und Techniken, jedoch im Auftrag und nach Vorlagen 6 Gedruckt 1741 von Elias Daniel Süß.
der Europäer hergestellt wurden (Bassani und McLeod 1985: 246). Zu diesen
Objekten gehören die so genannten afro-portugiesischen Elfenbeinarbeiten (Fagg
1959). Diese fein gearbeiteten Salz-und Pfeffergefäße, Löffel oder beschnitzten
Stoßzähne aus Elfenbein (Olifanten), fanden – nach bisherigem Kenntnisstand – in
ihren afrikanischen Herkunftsgesellschaften keine Verwendung, sondern wurden
ausschließlich im Auftrag europäischer Seefahrer und Händler und nach deren
Vorlagen von afrikanischen Schnitzern für den Export nach Europa hergestellt
(Eisenhofer und Guggeis 2007: 54)7. Solche Objekte waren, trotz ihres an sich
geringen kommerziellen Wertes, geeignete Geschenke für die meist adeligen
Auftraggeber der Expeditionen, in deren Kunst-oder Kuriositätenkammern sie
dann zur Schau gestellt wurden. Wo genau die exotischen Trophäen herkamen, und
welche Bedeutung sie in ihren Herkunftsgesellschaften hatten, war dabei von
untergeordnetem Interesse8. Wichtiger war die Möglichkeit, durch das Sammeln
der kuriosen Objekte die eigene Neugier zu befriedigen, und durch die Präsentation
der Trophäen aus den neuen Eroberungen die Inbesitznahme weiter Teile der Welt
zu demonstrieren. Es ist dies der Beginn der europäischen Leidenschaft außereuropäische
Artefakte zu sammeln. 4.2.1. Die Entstehung der frühen Sammlungen
Das frühe europäische Interesse an afrikanischen Dingen war weder von der
ästhetischen Wertschätzung ihrer Gestaltung, noch von einem wissenschaftlichem
Interesse, die Welt in allen ihren Erscheinungen systematisch zu erforschen,
geleitet. Es war die Faszination für die Kuriosität dieser so fremdartig anmutenden
Dinge, welche die Aufmerksamkeit der europäischen Eliten geweckt hatte.
Die Neugierde (Curiositas), einst von Papst Augustinus (354-430) auf die Liste der
Laster gesetzt, da sie als eitles Streben nach Wissen der Todsünde des Stolzes
entschieden zu nahe käme (Daston 1994: 38; Bujok 2007: 34), erfuhr um die Mitte
des 16. Jahrhunderts eine gewandelte Bewertung, und wurde zur Tugend der
wissbegierigen frühen Neuzeit (Daston 1994: 35). Die aufgewertete Neugierde 7 Somit können diese Objekte, welche nach heutigen Maßstäben in Bezug auf die "authentische"
Afrikanische Kunst als "Fälschung" oder wenigstens "nicht-authentisch" gelten würden als eine
frühe Form der Export-oder sogar "Tourist-Art" bezeichnet werden (Eisenhofer und Guggeis 2007:
55).
8 In den Sammlungen wurde den Elfenbeinarbeiten meist eine "türkische", "indianische" oder
"indische" Herkunft zugeschrieben, wobei nicht weiter zwischen West-und Ostindien, also Amerika
und Asien unterschieden wurde. Beides galt als Synonym für "nicht-europäisch" (Eisenhofer und
Guggeis 2007: 58; Bujok 2007: 31ff., 37).
brachte, zusammen mit den erwachenden Bestrebungen sich die Welt geistig und
materiell anzueignen, die ersten großen Sammlungen außer-europäischer und
afrikanischer Dinge in Europa hervor. War die europäische Vorstellung des
afrikanischen "Fetischismus" noch eine negativ besetzte Perspektive auf
afrikanische materielle Kultur, so hatten die in den adeligen Sammlungen zur Schau
gestellten afro-portugiesischen Luxusartikel und Kuriositäten aus Afrika und aller
Welt durchaus positive Bedeutungen für ihre Besitzer: Sie waren Zeichen der
sozialen Distinktion (Kohl 2003: 130) und Weltgewandtheit, und darüber hinaus
materielle Erweiterungen der Identität des besitzenden Individuums. Denn neben
der Wissbegierde stellte der sich im 17. Jahrhundert ausprägende besitzergreifende
Individualismus den Rahmen dar, innerhalb dessen die Sammlungen des
europäischen Adels verstanden werden müssen: Es entstand die Vorstellung des
Individuums als "Eigentümer seiner eigenen Person" (Macpherson 1967: 15), das
umgeben von seinen angesammelten Dingen und Besitztümern in Erscheinung tritt
(Clifford 1988: 217). Seit der Renaissance fanden in die höfischen Schatzkammern des europäischen
Adels neben zeremoniellen Gegenständen des Herrschertums (Zepter, Kronen,
Gewänder, Regalia) auch Beispiele der zeitgenössischen Profankunst sowie der
antiken sakralen Kunst Eingang. Aus diesen Schatzkammern bildete sich im 16.
Jahrhundert eine weitere Form der Sammlung heraus, in welcher ein vielfältiges
Sammelsurium von Antiquitäten, Kunstwerken, wissenschaftlichen Instrumenten,
Mineralien, Fossilien, Muscheln, missgebildeten und präparierten Pflanzen und
Tieren sowie "exotischen Kuriositäten" aus den entferntesten Regionen der Welt zur
Schau gestellt wurde (Kohl 2003: 234). Diese sogenannten Kunst-, Kuriositäten-
oder auch Wunderkammern und -kabinette entstanden in gegenseitiger Einwirkung
der Konzepte der adligen Schatzkammer einerseits, und des "Studierzimmers" der
humanistischen Gelehrten des 15. Jh. andererseits, in welchem das
Anschauungsmaterial der Vielgestaltigkeit göttlicher Kreativität zusammengetragen
wurde (ebd.). 4.2.2. Die Systematik der Sammlungen
Die frühen Sammlungen des Adels und der Gelehrten waren nicht von einer
wissenschaftlich-klassifikatorischen Systematik, sondern eher von einem narrativen
Ansatz geprägt. Das in den Sammlungen angeordnete Material bezeugte die
Ordnung und Vielfalt der Welt, ebenso, wie eine Heiligenreliquie die tatsächliche
Existenz und das Wirken eines Heiligen bezeugen konnte (Pearce 1995: 115ff.).
Darüber hinaus waren die in den adeligen Sammlungen ausgestellten Artefakte
entlegener Weltgegenden materielle Beweise für die Unterwerfung weiter Teile der
Welt durch den Besitzer der Sammlung. Eine solche Sammlung war also keine nach
naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten systematisierte Lehrsammlung, sondern
eine materielle Zurschaustellung der Persönlichkeit des adeligen oder gelehrten
Besitzers, seiner herausragenden Bildung, seines guten Geschmacks sowie seiner
bedeutenden Rolle im Weltgeschehen (Bujok 2007: 30). In dieser frühen Phase des
Sammelns außer-europäischer Gegenstände hatte die Sammeltätigkeit also einen
demonstrativen Charakter: Gesellschaftliche Eliten eigneten sich fremde Dinge an,
wodurch sie ihre privilegierte Stellung in der Gesellschaft materiell illustrierten.
Dieser demonstrative und elitäre Zug des Sammelns lebt bis heute im
Zusammenhang mit dem Markt für "primitive" oder Afrikanische Kunst im Westen
weiter9. Als früheste und bedeutendste Sammlung außer-europäischen Materials nördlich
der Alpen galt die Kunstkammer von Herzog Albrecht V. von Bayern (reg. 15501579)
in München. Etwa zeitgleich entstand die Sammlung seines Schwagers
Ferdinand II. von Tirol (reg. 1564-1595) auf Schloß Ambras bei Innsbruck und die
seines Neffen Kaiser Rudolf II. (reg. 1572-1612) im Hradschin in Prag (Pearce 1995:
112; Bujok 2007: 21; MacGregor 1994; Kohl 2003: 239f.).
Die ganz auf die Person Albrechts V. ausgerichtete Sammlung in München fand als
Musterbeispiel einer ideal strukturierten Sammlung Erwähnung in der 1565 vom
niederländischen Arzt Samuel Quiccheberg (1529-1567) verfassten Schrift
Inscriptiones vel Tituli Theatri amplissimi10. Quicchebergs Vorstellung eines
idealen Sammlungsaufbaus lag eine ähnliche Idee zugrunde, wie dem von Giulio
Camillo (1480-1544) entworfenen und erbauten Gedächtnistheater: Ein begehbarer
Raum, in welchem die Ordnung der Welt und die zentrale Stellung des adeligen
Besitzers der Sammlung in dieser Weltordnung durch Objekte und Bilder
präsentiert wird (Pearce 1995: 113). Diese Idee füllte Quiccheberg mit dem Material
der Sammlungen an, und erzeugte so eine Repräsentation der Welt im Kleinen, eine 9 Siehe Kapitel 5.3.1.
10 Im vollen Titel Inscriptiones vel Tituli Theatri amplissimi complectentis rerum universitatis
singulas materias et imagines eximias.
"begehbare Enzyklopädie" (Gerhards 1995: 14). Zentral in Quicchebergs Entwurf
war die Darstellung der adeligen Herkunft des Besitzers der Sammlung, der als
Bezugspunkt der um ihn herum angeordneten Weltordnung dargestellt wurde
(Kohl 2003: 238). Der private Charakter der Sammlung trug dabei der Tatsache
Rechnung, dass eine fürstliche Sammlung dieser Art keineswegs einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich war (Gareis 1990: 26). Nicht eine öffentliche und
umfassende Repräsentation der materiellen Kultur einer bestimmten Weltregion
war das Ziel der Ausstellung, sondern die Zurschaustellung der Gelehrsamkeit und
Weltgewandtheit ihres Besitzers, wenn er seine Gäste in seine
Kuriositätensammlung führte. Die Sammelleidenschaft griff im Laufe des 17. Jahrhunderts in verschiedenen
wohlsituierten Milieus in Europa um sich. Nicht mehr nur der Adel, sondern auch
Professoren, Kaufleute und andere Personenkreise, die sich ein solches Privileg
leisten konnten, legten private Sammlungen an. Dem bereits 1580 im
niederländischen Enkhuizen begründeten Kabinett des Arztes Bernadus Paludanus
(1550-1633) folgten im frühen 17. Jahrhundert die Sammlungen des
Medizinprofessors Olaus Worm (1588-1654) in Kopenhagen und Adam Olearius
(1603-1671) in Gottorp (Schleswig); südlich der Alpen gründete in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts der Botaniker, Zoologe und Universitätsprofessor
Ulisse Aldrovandi (1522-1605) in Bologna seine Sammlung, um nur einige zu
nennen (Schepelern 1985; Laurencich-Minelli 1985; Jones 1994: 28).
Im Hinblick auf afrikanische Objekte aber war die um 1653 gegründete Sammlung
des Ulmer Patriziers und Kaufmannes Christoph Weickmann (1617-1681) eine der
zu der Zeit umfangreichsten. In der zweiten Auflage der Sammlungsbeschreibung
Exoticophylacium Weickmannianium von 1659 waren 122 Objekte angeführt,
davon 16 mit direktem Hinweis auf ihre Herkunft aus Afrika (Jones 1994: 30).
Unter diesen Gegenständen aus Afrika waren neben einigen in europäischem
Auftrag hergestellten Objekten auch afrikanische Gebrauchsgegenstände. Neben
fünf afro-portugiesischen Löffeln aus Elfenbein, zwei verzierten
Elfenbeinarmringen, einem Schwert mit Scheide aus dem heutigen Ghana und
verschiedenen Kleidungsstücken, wird auch ein hölzernes Brett aus Westafrika
angeführt, welches mit "wunderseltzamen/ und abscheulichen Teufels-Bildern"
(Exoticophylacium Weickmannianium: 40) verziert ist. Es wird von einigen
Autoren (Vansina 1984: 3; Jones 1994: 36) mit dem Ifa-Orakel der "Yoruba"
Westnigerias in Verbindung gebracht, und gilt heute als eines der ältesten
dokumentierten Stücke der Afrikanischen Kunst. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts begannen sich europäische Gelehrte also auch für
Gegenstände zu interessieren, die nicht für den Export nach Europa hergestellt
wurden, sondern die aus alltäglichen Handlungszusammenhängen ihrer
afrikanischen Herkunftsgesellschaften stammten. Doch galten diese Objekte zu
dieser Zeit noch lange nicht als Kunst. Unter Bezugnahme auf europäische
Vorstellungen des Okkulten, der Hexerei und der Besessenheit, galten die Objekte
als Belege der vor-evolutionären "Primitivität" ihrer afrikanischen Hersteller
(Paudrat 1972: 433). Hatten die frühen afro-portugiesischen Luxusartikel also noch
eine positive Konnotation, da sie allein auf die Macht und Persönlichkeit ihrer
adeligen Besitzer verwiesen, so brachte das Sammeln afrikanischer
Gebrauchsgegenstände, durch die ihnen anhaftenden negativen Stereotype, eine
andere Möglichkeit ihrer Instrumentalisierung mit sich.
Die im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte an den Objekten verhärtete
Abwertung afrikanischer Kulturen konnte die europäischen Bestrebungen der
Missionierung und Kolonisation Afrikas legitimieren: Im evolutionistischen
Weltbild des 19. Jahrhunderts konnten die als grob und hässlich empfundenen
Gegenstände aus dem kulturell niedriger angesiedelten Afrika als Spiegelbild der
Richtigkeit und Überlegenheit der eigenen, europäischen materiellen und geistigen
Kultur instrumentalisiert werden (Pearce 1995: 339), mit welcher der afrikanische
Kontinent zivilisiert werden sollte.
4.3. Sammeln in Zeiten des Evolutionismus und
Kolonialismus
Man entdeckte, abenteuerte und eroberte. Man
kartographierte und meteorologisierte. Die
Naturwissenschaften sammelten und die
ethnographischen Museen schwollen an wie
trächtige Flusspferde. (Leo Frobenius11) Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ging allmählich das Interesse für die in
Sammlungen privaten Charakters gezeigten Kuriositäten zurück, und viele der
Objekte fielen aufgrund der oft unsachgemäßen Lagerung dem Verfall anheim
(Bujok 2007: 29). Einen neuen Aufschwung erfuhr das europäische Interesse für
Gegenstände aus Übersee und Afrika erst, als im Zeitalter der Aufklärung und der
großen Forschungsreisen am Ende des 18. Jahrhunderts und schließlich im Zuge
der europä-ischen Kolonisation Afrikas Objekte in großem Umfang nach Europa
gelangten. 4.3.1. Sammeln im evolutionistischen Paradigma
Die Motivation außer-europäische Artefakte zu sammeln begann sich am Ende des 18. Jahrhunderts maßgeblich zu wandeln: Es war nicht mehr die "fast kindliche
Faszination für Wundersames" (Heydrich 1936: 181) der privilegierten Eliten der
europäischen Renaissance, der die Objekte nun zu genügen hatten, sondern die
Anforderung der Humanwissenschaften. Das erstarkende naturwissenschaftliche
Credo der logischen Beweisführung auf der Grundlage empirischer, objektiver
Fakten, hatte auch die Humanwissenschaften neu ausgerichtet. Für das Sammeln
von Fakten und Artefakten auf Reisen bedeutete dies, dass nur eine lückenlose
Dokumentation es den Wissenschaftlern in Europa erlaubte, das mitgebrachte
Material zur Erstellung typologischer Vergleichsreihen und als wissenschaftliche
Quellen zu nutzen (Bastian 1885: 40; Petermann 2004: 420ff.). Durch diese
naturwissenschaftliche Vorgabe der Vollständigkeit wuchs der Wissensschatz in
einem solchen Maße an, dass die Unübersichtlichkeit der angesammelten Fakten
und Artefakte bald nach einem neuen und umfassenden Konzept ihrer
Systematisierung verlangte (Petermann 2004: 416). Dieses Konzept bot das zur
11 1923: 19.
Mitte des 19. Jahrhunderts dominante wissenschaftliche und kulturelle Paradigma
des Evolutionismus. In den Sammlungen und Museen Europas, in welchen außereuropäische
Objekte wissenschaftlich untersucht und gezeigt wurden, dominierte
diese hierarchisierende Weltsicht die Arbeit der Wissenschaftler. Der Bibliothekar und königlich-preußische Hofrat Dr. Gustav Friedrich Klemm
(1802-1867) lieferte mit seiner Privatsammlung und seiner publizierten Arbeit
einen vielbeachteten Ansatz, um Museumsmaterial in Entwicklungssequenzen zu
systematisieren (Petermann 2004: 412). Im ersten Band seines zehnbändigen
Werkes Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit (1843-52) erschien der
Aufsatz Fantasie über ein Museum für die Culturgeschichte der Menschheit. Darin
bemängelte Klemm die Tatsache, dass die Reisen James Cooks und Alexander von
Humboldts sowie die Fülle des von ihnen gesammelten ethnographischen Materials
das Interesse an der Völkerkunde in Europa neu entfacht habe, jedoch keine der
bestehenden Sammlungen sich der Entwicklung der Menschheit und ihrer
Kulturgeschichte widmete (Klemm 1843: 355). Sein erklärtes Ziel war es deshalb, in
Anlehnung an seine abgewandelte Form der Drei-Stufen-Lehre menschlicher
Entwicklung12 und mit Hilfe des ethnographischen Materials der Seereisen die
"Veranschaulichung der Zustände der Menschheit auf den frühesten Stufen der
Cultur" vorzunehmen (ebd.). Die Arbeit Klemms, aus dessen privater Sammlung
später (1873) das Leipziger Museum für Völkerkunde hervorgehen sollte, fand
Anklang bei den europä-ischen Wissenschaftlern und Museumsorganisatoren, die
am evolutionistischen Paradigma arbeiteten. Einer der berühmtesten unter ihnen
war der einflussreiche Archäologe und Evolutionsanthropologe Lieutenant-General
Augustus Henry Lane Fox Pitt Rivers (1827-1900) (Petermann 2004: 413). Seine
über 15.000 Objekte umfassende Privatsammlung, zunächst in London etabliert,
führte in den 1880er Jahren zur Gründung des berühmten Pitt Rivers Museums an
der Universität von Oxford (Barnard und Spencer 2002: 586), das Gegore Dorsey
1899 als vollkommen der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Kultur
gewidmet beschrieb (Dorsey 1899: 464).
Die am evolutionistischen Weltbild ausgerichteten Sammlungen in den noch jungen
Museen Europas hatten eine in die Gesellschaft wirkende Bedeutung. Denn sie
waren nicht mehr rein privaten Charakters, sondern öffentlich zugängliche Stätten, 12 1. Wildheit 2. Zahmheit 3. Freiheit (Petermann 2004: 415)
in welchen das dominante wissenschaftliche und kulturelle Paradigma des
Evolutionismus mit Hilfe des angeeigneten Materials illustriert und somit bestätigt
wurde. Die Dominanz der westlichen Gesellschaften konnte öffentlich zur Schau
gestellt und legitimiert werden, indem das außer-europäische Material in einer
Werthierarchie angeordnet wurde, die sich jedoch nicht aus den Objekten selbst
ergab (Ivanov 2005: 35). Sie spiegelte vielmehr den Anspruch Europas wider, sich
an die Spitze der menschlichen Entwicklung zu stellen. So wurde in den
Museumsausstellungen eine Weltsicht verdinglicht, in welcher die kulturelle
Dominanz der europäischen Gesellschaften und ihrer Staaten postuliert wurde,
indem die außer-europäischen Objekte am unteren Ende einer evolutionistischen
Hierarchie der Kulturleistungen angeordnet wurden. Ebenso, wie die privaten
Kuriositätenkammern der Eliten in der Renaissance zur Definition ihrer Selbst in
der Gesellschaft dienten, diente also auch das Sammeln im evolutionistischen
Paradigma zur Definition des Selbst – jedoch nicht eines privaten und individuellen
Selbst, sondern des Selbst der noch jungen, besitzergreifenden Nationen. 4.3.2. Sammeln für den nationalen Tempel: Die frühen Museen in
der Kolonialzeit
Die neu gegründeten Museen bezogen häufig einen Teil ihres Grundstockes an
Objekten aus den älteren Sammlungen der Fürsten und Gelehrten (Frese 1960: 7).
Doch als öffentlichen Institutionen der jungen europäischen Nationen kam ihnen
eine weitreichendere gesellschaftliche Bedeutung und Funktion zu als den
Privatsammlungen. Als auf Dauer eingerichtete Institution stellte das staatliche
Museum eine Huldigung der Nation an sich selbst dar: Dort zelebrierte sie ihre
eigene Geschichte und die an ihr maßgeblich beteiligten und bedeutenden
Persönlichkeiten. Und auch die Objekte aus fremden Gesellschaften konnten dem
Ruhm der Nation, die den Wert dieser Dinge erst erkannt und zu ihrer Beschaffung
große Opfer erbracht hatte, dienlich gemacht werden (Pomian 1993: 70). Dieser
nationale Repräsentationscharakter der Museen war in der Zeit des dominanten
Nationalismus und Imperialismus am Ende des 19. Jahrhunderts besonders
ausgeprägt (Ivanov 2001: 353). Neben wissenschaftlichen waren es in der vorkolonialen
und kolonialen Phase vor allem nationale und machtpolitische
Interessen, denen die museale Sammeltätigkeit diente. Schon die Forschungs-und
Eroberungsreisen, in deren Kontext Objekte aus aller Welt für die europäischen
Museen gesammelt wurden, dienten den geldgebenden Regierungen nicht allein
dem Prestigegewinn durch wissenschaftliche Erfolge. Ihre dringendste Absicht war
vielmehr die Sicherung ihrer Interessensphären im zunehmenden
Konkurrenzkampf der europäischen Großmächte um die Inbesitznahme der Welt,
der in den kolonialen Eroberungen Afrikas nach der Kongo-Konferenz 1884/85
gipfelte (ebd.:354; Frese 1960: 9). Die Phase der Kolonialzeit hat unbestritten die Entstehung und Zusammensetzung
der ethnographischen Sammlungen der europäischen Museen geprägt (Bergner
1996: 227; Owen 2006; Cannizzo 2002; Schildkrout und Keim 1998: 23; Paudrat
1984: 125). In Deutschland bewirkte die Kolonialzeit (1884-1914) in den – hier
beispielhaft angeführten – Museen für Völkerkunde in Hamburg, Leipzig und
Berlin die Zunahme ihrer Afrikabestände um 3.000, 30.000 bzw. 47.000 Objekte
(Bergner 1996: 227). Einer der wichtigsten Lieferanten ethnographischen Materials
insbesondere des Hamburger Museums war Leo Frobenius (1873-1938), der von
seinen Reisen 1905-1907 in Zentralafrika und 1910-1911 in Nigeria und
Nordkamerun an die 14.000 Objekte mitgebracht hatte (ebd.).
1876 wurde Adolf Bastian (1826-1905) zum Direktor des 1873 gegründeten
Museums für Völkerkunde in Berlin ernannt (Krieger 1973: 105). Das sprunghafte
Anwachsen der Afrikabestände in den hoffnungslos überfüllten Schränken des
Museums entsprach dabei ganz der Vorstellung Bastians. Für ihn war das oberste
Ziel der noch jungen Ethnologie, das gesamte materielle Inventar der "Naturvölker"
einzusammeln und zu bewahren, da er deren Untergang als eine logische
Konsequenz der fortschreitenden Evolution der Menschheit erwartete (Ivanov
2001: 358): So ist Acht zu haben, dass wie [die schriftlosen Völker], dem
Entwicklungsgange der Geschichte gemäss, nacheinander in
das Grab steigen, keins derselben aus dem Leben entlassen
werde, ehe nicht seine Zeugen im Tempel der Völkerkunde
niedergelegt sind, um dem künftigen Studium bewahrt zu
bleiben. (Bastian 1881: 11) Eine solche Bevorzugung des Materials gegenüber den Menschen die es hergestellt
haben, erscheint bei Bastian programmatisch für die Auseinandersetzung mit dem
außer-europäischen Material in den frühen Völkerkundemuseen. Die
Gesellschaften, in denen das Museumsmaterial eingesammelt wurde, galten als 28
Subjekte des Kolonialismus bereits nicht mehr als "authentische" Vertreter der
"traditionellen" Kulturen13. Ihre materiellen Hervorbringungen hingegen konnten
dem evolutionistischen Paradigma entsprechend in die menschliche Vergangenheit
projiziert werden. Zu Beginn der musealen Auseinandersetzung mit der materiellen Kultur aus den
unterworfenen und kolonisierten Gebieten wurden die Dinge aus Afrika also in
einem Kontext angeeignet, in welchem sie zur Legitimation der eigenen
dominanten Position in der Welt benutzt wurden (Owen 2006; Paudrat 1984). Dies
geschah in einem neu geschaffenen öffentlichen Raum, dem Museum, in dem der
Besucher – im Gegensatz zum Besucher der privaten Sammlungen der Renaissance – sich selbst als Besitzer (Ames 1992: 20f.) und seine eigene kulturelle
Überlegenheit als Mitglied der besitzergreifenden Nation anhand der ausgestellten
Objekte erfahren sollte. Darüber hinaus wurde dem ethnographischen Museum
auch ein didaktischer Nutzen für das Projekt der Kolonisation zugeschrieben:
Anhand des gesammelten Materials sollte die Öffentlichkeit vom Nutzen der
Kolonien überzeugt werden. Außerdem konnten sich Missionare, Kolonialbeamte,
Militärs und Kaufleute durch die ausgestellten Artefakte über die lokalen
Gegebenheiten der zu erschließenden Ländereien informieren (Laude 1968: 89;
Paudrat 1984: 128).
Fragen nach den formalen Gestaltungskriterien der außer-europäischen Objekte
erschienen in dieser Zeit nur am Rande, etwa in der evolutionistisch geprägten
Debatte um die Anfänge der Kunst14, oder wenn ihre "Grobheit" und "Hässlichkeit" – aus der Perspektive des um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert
dominanten Naturalismus in der europäischen Kunst – als Beleg für die
Rückständigkeit ihrer Herkunftsgesellschaft ausgelegt wurde (Paudrat 1972: 434;
Ivanov 2001: 365). Erst als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Kritik am
evolutionistischen Paradigma laut wurde, und man von der Suche nach einer
universellen Entwicklungsgeschichte der Menschheit abkam, um sich stattdessen
13 "Bei den rasch eingeleiteten Zersetzungen psychischer Originalität sind treue Vertreter derselben
für den grössten Teil Africa´s jetzt, wo wir sie zu wünschen beginnen, bereits unrettbar verloren
gegangen." (Bastian 1884: 67)
14 Die Debatte über den Ursprung der Kunst kreiste um die Frage, ob sich aus der ursprünglich
abstrakt-geometrischen die später naturalistische Darstellungsweise herausgebildet habe, oder ob
die ursprünglich naturalistische Darstellung durch "Degeneration" die abstrakt-geometrische
Darstellung hervorgebracht habe (Schomburg-Scherff 1986: 17; Laude 1986: 93f.).
historischen Entlehnungs-, Übertragungs-und Migrationsprozessen zu widmen,
rückte die formale Gestaltung der musealen Objekte, die zu diesem Zweck
miteinander verglichen wurden, ins Zentrum der wissenschaftlichen
Auseinandersetzung (Ankermann 1905: 54; Schomburg-Scherff 1986: 17ff.). Doch
auch den Diffusionisten, die aus der geographischen Verbreitung ähnlicher
Gegenstände, Stile oder Techniken Schlüsse auf kulturgeschichtliche
Zusammenhänge zwischen den Weltregionen und deren Bevölkerungen zogen
(Schomburg-Scherff 1986: ebd.), war die Bewertung ihres wissenschaftlichen
Materials unter ästhetischen Aspekten kein Anliegen. Den Begriff der Ästhetik und
den Akzent künstlerischen Wertes brachte erst die Aufmerksamkeit ins Spiel, die
ein kleiner Kreis europäischer Künstler den fremden Dingen zuteil werden ließ. 4.4. Die "Entdeckung" der Afrikanischen Kunst
Ich finde es so selbstverständlich, dass wir in
diesem kalten Frührot künstlerischer Intelligenz
die Wiedergeburt unseres Kunstfühlens suchen
und nicht in Kulturen, die schon eine
tausendjährige Bahn durchlaufen haben. [...]
(Franz Marc15) Die semantische Transformation der afrikanischen Gegenstände in Kunstobjekte
wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die kreativen Umwälzungen
besonders in der französischen und deutschen Malerei vorbereitet und begünstigt.
Durch diese Neuorientierung in der Künstler-Avantgarde wurde das ästhetische
Bewusstsein zunehmend erweitert, und übertrug sich im Laufe einiger Jahre von
den Künstlern und ihrem Werk auf ihr Publikum und die Öffentlichkeit. Die
Umwandlung ethnographischer Artefakte in Kunst ergab sich nicht durch neue
Erkenntnisse in den Wissenschaften über emische Ästhetiken oder
Kunsttraditionen in den "primitiven" Gesellschaften, sondern wurde durch die
Absichten einiger europäischer Künstler angetrieben, welche die außereuropäischen
Objekte ihren eigenen Zwecken zuführten. 15 In einem Brief an August Macke im Januar 1911 (Jooss 1998: 129).
4.4.1. Die Motivation der Künstler
Die Motivation der Künstler-Avantgarde im Europa des beginnenden 20.
Jahrhunderts, sich mit außer-europäischen Objekten zu beschäftigen, lag in ihrem
Streben begründet, sich von den als starr, intellektualistisch und inhaltslos
empfundenen Traditionen der europäischen akademischen Malerei loszulösen. Für
dieses Aufbegehren hatten die Objekte der ethnographischen und kolonialen
Sammlungen, die im evolutionistischen Paradigma die "Ursprünglichkeit" und
"Wildheit" der Bewohner der eroberten Gebiete illustrierten, eine katalytische
Wirkung. Zwar führte das Interesse der Künstler an diesen Objekten in der
Langzeitfolge dazu, dass mit der "primitiven Kunst" eine neue Kategorie in der
westlichen Kunstwelt geschaffen wurde. Doch wurde mit dieser Neubewertung das
evolutionistische Paradigma keineswegs überwunden. Den Herkunftsgesellschaften
der künstlerisch aufgewerteten Objekte gestand man keine den europäischen
Gesellschaften ebenbürtige Zivilisa-tion zu. Die Stereotype, welche man sich bereits
über "primitive" Lebensweisen gebildet hatte, wurden nicht hinterfragt, sondern
unter umgekehrtem Vorzeichen aufrechterhalten: Gerade aufgrund ihrer
"Primitivität" ging von den ozeanischen und afrikanischen Objekten der
Sammlungen eine solche Faszination für die Künstler aus (Ivanov 2001: 367f.).
Denn diese vermeintliche "Primitivität" bestätigte den Gegenentwurf der
zivilisationsmüden Künstler-Avantgarde, die in einer Phase der rasanten
Industrialisierung und Urbanisierung in Europa, und unter dem Eindruck eines
neuartigen und entmenschlichenden Ersten Weltkrieges, nach dem Ursprünglichen
im Leben und in der Kunst suchte. Der expliziten "Entdeckung" der afrikanischen und ozeanischen Skulpturen und
Plastiken durch die modernen Maler ging das Interesse einiger Maler, Schriftsteller
und Komponisten an außer-europäischen Inspirationsquellen seit dem
ausgehenden 18. Jahrhundert voraus (Marschall 1992: 3). In der Malerei hatten
bereits die Impressionisten Neigungen zu außer-europäischen Objekten und
Motiven gezeigt. Paul Gaugin (1848-1903) inspirierte sich auf Reisen nach Tahiti,
Martinique und Madagaskar, und strebte durch das Studium der bretonischen
Volkskunst, der Reliefs aus Ägypten und Kambodscha, und schließlich der Objekte
aus Ozeanien, nach der "Erweiterung des figurativen Horizonts" (Laude 1968: 56,
83). Und auch die "Entdeckung" der Bronzekunst aus dem Königreich Benin,
welche im Zuge der britischen Strafexpedition 1897 als Kriegsbeute nach Europa
gelangte (Goldwater 1986: 8), und kurz darauf in London verkauft und in den
folgenden Jahren im Britischen Museum ausgestellt wurde, hatte die Erweiterung
des europäischen Interesses an afrikanischen Artefakten unter dem Aspekt ihrer
ästhetischen Gestaltung vorbereitet (ebd. 96; Paudrat 1984: 133). 4.3.2. Die französischen Maler
Die Begegnung Maurice de Vlamincks (1876-1958) im Sommer 1906 mit einigen
Statuen aus dem damaligen Dahomey in einem Pariser Vorort-Bistro gilt als ein
Gründungsmythos der "primitiven Kunst" (Scheckenburger 1972: 456; Paudrat
1984: 139)16. Vlaminck war zunächst nicht von der formalen Gestaltungsweise der
Objekte fasziniert, sondern sah in ihnen einen instinktiven, nicht-intellektuellen
Ausdruck, eine emotionale Kreativität, die seine Kritik am intellektualistischen und
stets auf sich selbst bezogenen Akademismus in der Kunst des École des beaux Arts
und des Louvre zu bestätigen schien (Laude 1968: 105; Laude 1972: 476). Über
seinen Freund und Kollegen André Derain (1880-1954), mit dem zusammen er
bereits im Musée du Trocadéro in Paris die ethnographischen Objekte gesehen
hatte (Laude 1968: 157), und den Vlaminck für die afrikanischen Objekte begeistern
konnte, lernte schließlich auch Pablo Picasso (1881-1973) außer-europäische
Objekte zu schätzen (Laude 1972: 476). Picasso hatte zwischen 1906 und 1910 mit
Derain zusammengearbeitet. Die Bedeutung Pablo Picassos für die Neubewertung
der afrikanischen Objekte als Kunst ist durch sein Werk vermittelt. Sein berühmtes
Bild Les Demoiselles d´Avignon (1907/08) stellt einen Wendepunkt in der
modernen Malerei des frühen 20. Jahrhunderts dar. Der von Kunstkritikern in dem
Bild erkannte Einfluss afrikanischer Masken auf Picassos Werk17 zog in den
folgenden Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der Kunstöffentlichkeit auf die
"Negerkunst" (Martensen-Larsen 1985: 257).
Wenn die Auseinandersetzung der Künstler in Frankreich mit außer-europäischen
Objekten auch nicht als einzige Ursache für den Wandel ihrer künstlerischen
Herangehensweisen gelten kann, so gilt dennoch ihre katalytische oder
bestätigende Wirkung für das Aufbegehren der Künstler-Avantgarde als
unbestritten (Laude 1972: 478). Dem in der akademischen Kunst vorherrschenden
Naturalismus stand die als expressiv empfundene Gestaltung der afrikanischen 16 Andere Quellen (Stepan 2006: 9) rechnen der Person Henri Matisses (1869-1954) eine größere
Bedeutung in der "Entdeckung" der afrikanischen Plastik in Frankreich zu.
17 Picasso selbst gab als Inspiration für die rechten Figuren des Gemäldes, die in der Regel als von
afrikanischen Masken beeinflusst gelten, iberische Vorbilder an (Laude 1972: 479).
Stücke entgegen, in welcher die Künstler ihr eigenes Anliegen bestätigt fanden:
nicht eine möglichst naturgetreue Abbildung eines Gegenstandes zu schaffen,
sondern die Vorstellung dieses Gegenstandes, welche der Künstler in sich trägt, im
Kunstwerk zu verkörpern (Schmalenbach 1972; Maquet 1979: 36; Stepan 2006:
27). Diese analytische Auseinandersetzung mit den fremden Dingen zielte dabei nicht
auf ein Verständnis für die tatsächlichen Hintergründe der Gestaltung dieser Stücke
ab. Gerade die Loslösung der Objekte von ihrem ethnographischen Kontext galt
vielen Künstlern als Vorbedingung, um den rein künstlerischen Wert dieser Dinge
sichtbar zu machen (Schneckenburger 1972: 456). Vlaminck ebenso wie Picasso galt
der ethnographische Hintergrund der Objekte in ihren Privatsammlungen als
irrelevant (Laude 1972: 476, 479; Stepan 2006: 12). Ihre Wahrnehmung der außereuropäischen
Werke verblieb so an der Oberfläche der Stücke, und projizierte auf
sie die zeitgemäßen und in der westlichen Kultur verankerten Vorstellungen der
Emotionalität, "Ursprünglichkeit" und "Primitivität" der Menschen in Afrika und
Ozeanien, welche sie als Bekräftigung ihres eigenen Strebens nach Vitalität und
Erneuerung nutzten. 4.3.3. Die deutschen Maler
Etwa zur gleichen Zeit wuchs auch unter deutschen Malern das Interesse für außereuropäische
Kunst. 1905 "entdeckte" der deutsche Maler und Bildhauer Ernst
Ludwig Kirchner (1880-1938) im Königlich Zoologischen und Anthropologisch-
Ethnographischen Museum zu Dresden die beschnitzten Hausbalken von den
Südsee-Inseln Palau, in deren Gestaltungsweise er Ähnlichkeiten zu seinem eigenen
künstlerischen Schaffen erkannte (Schneckenburger 1972: 456). Im gleichen Jahr
gründete Kirchner zusammen mit seinen Künstlerkollegen Erich Heckel (18831970)
und Karl Schmidt-Rotluff (1884-1976) in Dresden die "Künstlergruppe
Brücke" (Gordon 1984: 371), deren experimenteller Umgang mit den Formen und
Farben in ihren Bildern einige Prallelen zu den Arbeiten der genannten
französischen Maler aufwies (Alfert 1972: 387). Doch auf der Suche nach
Erneuerung ihrer künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten war das Interesse der
"Brücke"-Künstler an den fremden Dingen weniger von der konzeptionellen
Analyse dieser Gegenstände geprägt, als vom emotionalen Eindruck, den die als
"primitiv" geltenden Stücke in den Museen bei den Künstlern hinterließen (ebd.).
So wurden die exotischen Objekte, beladen mit dem evolutionistischem
Gedankengut der kolonial geprägten ethnographischen Museen, zum idealisierten
Sinnbild der Ursprünglichkeit der "primitiven" Gesellschaften, in welchem die
Hersteller der Objekte ein Leben in ständiger Nähe zu den Quellen der Vitalität
(Schneckenburger 1972: 456) führten (Gordon 1984: 381, 387f.).
In München waren es die Maler Wassily Kandinsky (1866-1944) und Franz Marc
(1880-1916), die als Schlüsselfiguren das Interesse an der "primitiven Kunst" wach
riefen. Obwohl der Einfluss außer-europäischer Quellen im Werk Kandinskys in der
Kunstgeschichte häufig übersehen wird (Gordon 1984: 375), hatte er doch als
ausgebildeter Ethnograph18 (Weiss 1990: 291) einen akademisch fundierten Zugang
zu außer-europäischen Objekten und Kulturen.
Die in dem 1912 zusammen mit Franz Marc veröffentlichten Almanach Der Blaue
Reiter abgebildeten ethnographischen Objekte hatte Kandinsky zumeist aus
rituellen Kontexten der Heilung, des Schamanismus oder der Erlösungsmythen
ausgewählt. Durch sie konnte er seinem zentralen Anliegen zusätzliches Gewicht
verleihen: Die westliche Zivilisation sollte durch ihre "ästhetische Therapierung"
errettet werden (Weiss 1990: 292, 306; Jooss 1998: 130).
Kandinskys Interesse für die "Negerkunst" war im Jahr 1907 im Berliner
Ethnographischen Museum geweckt worden (Gordon 1984: 375), nachdem er sich
zuvor bereits mit der russischen Volkskunst auseinandergesetzt hatte (Jooss 1998:
129). Es ist anzunehmen, dass er seine jungen Malerfreunde August Macke (18871914)
und Franz Marc auf die Königliche Ethnographische Sammlung im
Galeriegebäude in München aufmerksam gemacht hatte (Weiss 1990: 290). Marc
berichtete Macke von dem tiefen Eindruck, den ein beschnitzter Kameruner
Hausbalken bei ihm hinterlassen hatte19. Fortan strebte er nach einer intellektuellen
Askese, um den "gesunden Instinkt für Farbe", der allen "primitiven" Völkern
gemein sei, wiederzugewinnen (Gordon 1984: 376). 18 Kandinsky hatte in seiner Geburtsstadt Moskau Ethnographie studiert, und wurde 1888 Mitglied
der Kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften, Anthropologie und
Ethnographie (Weiss 1990: 293). In deren Auftrag erforschte und publizierte Kandinsky 1889 die
Rechtssysteme der russischen Bevölkerung der entlegenen Vologda-Provinz, sowie die autochthone
Religion der Syrjänen-Bevölkerung dieser Region (ebd.).
19 Der skulptierte Holzblock aus Kamerun steht heute im Münchner Museum für Völkerkunde und
ist im Ausstellungskatalog unter Hinweis auf seine Bedeutung für die Münchner Maler abgebildet
(Kecskési 1999: 116).
Auch am Interesse der Münchener Künstler lässt sich also die allgemeine Tendenz
der modernen Künstler Europas erkennen: Die in die Gestaltungsweisen der außereuropäischen
Objekte hineininterpretierte "Primitivität" und zivilisationsferne
Einfachheit wurde als sentimentale und romantisierende Antithese benutzt, mit der
die zivilisationsmüde Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und Lebendigkeit zum
Ausdruck gebracht, und das Aufbegehren gegen das traditionelle europäische
Verständnis von Kunst angefacht werden konnte. Ihre Kunst sollte so sein wie die
Kunst der "Primitiven" – die ursprüngliche Einheit von Religion, Philosophie und
Kunst (Böhringer 1992: 144). 4.3.4. Die Ausweitung des ästhetischen Bewusstseins: Die
Etablierung der Afrikanischen Kunst
Das Interesse der europäischen Künstler an außer-europäischen Objekten entfaltete
seine Wirkung in einer Periode, in der die künstlerischen Konventionen in Europa
in ihrer Auflösung, und neue Stile mit neuen Orientierungen im Entstehen begriffen
waren (Marschall 1992: 5). Durch die gewollte Überwindung der Sehgewohnheiten
der europäischen Kunsttradition, konnten die modernen Künstler die bislang als
unästhetisch und hässlich geltenden ethnographischen Objekte für ihr eigenes
Anliegen nutzbar machen. Sie erweiterten auf diese Weise den europäischen Begriff
der Ästhetik und unterstellten diese Ästhetik den fremden Objekten. Eine genaue
Kenntnis der tatsächlichen Hintergründe der fremden Objekte war für die Künstler
dabei kaum von Interesse. Sie strebten danach, sich die fremden Dinge allein unter
dem Gesichtspunkt ihrer äußeren Erscheinung zu eigen zu machen (Marschall
1992: 5; Schneckenburger 1972: 456).
Dem auf diese Weise erweiterten ästhetischen Bewusstsein der Künstler schlossen
sich im Laufe der Zeit Kunstkritiker, Museumskuratoren, Kunstsammler und
immer weitere Teile der Öffentlichkeit an. Carl Einstein (1885-1940) griff die
allgemeine Begeisterung für "Afrika" im Europa des beginnenden 20. Jahrhunderts
auf, und versuchte in seinem einflussreichen Werk Negerplastik (Einstein 1915)
ebendiese einer möglichst breiten Öffentlichkeit ästhetisch20 zugänglich zu machen
(Baacke 1992: 156). Mit seinem dezidiert ästhetischen Ansatz bespricht er dabei die
in seinem Band abgebildeten Objekte aus Afrika und Ozeanien als nichts anderes
als Kunst (ebd.: 153). 20 Die Ausgabe von 1915 enthält 119 Abbildungen, ohne jeglichen Hinweis auf regionale oder
ethnographische Herkunft, oder die Bedeutungen der Objekte in ihren Herkunftsgesellschaften.
Der Transformation der afrikanischen Gegenstände in Kunst folgte eine veränderte
Präsentationsweise in den Museen Europas21. Die Objekte erhielten einen neuen
Wert, als die ethnographischen Museen ihre vormals rein dokumentarischen
Präsentationsformen der gewandelten und ästhetischen Perspektive auf die außereuropäischen
Objekte anglichen. In den öffentlichen Institutionen erhielten die
Objekte einen neuen Platz: 1919 wurde die erste kommerzielle Ausstellung
"primitiver Kunst" in Paris durchgeführt, 1923 die Exposition de l´Art indigènes
des colonies françaises im Pavillon de Marsan (Goldwater 1986: 9). Auf der
Kolonialausstellung in Paris 1927 wurden afrikanische Skulpturen als Kunst
ausgestellt und enthusiastisch aufgenommen (Gunther 1950: 291). Das Trocadéro
teilte nach seiner Reorganisation 1928 die Studienräume von den öffentlichen
Räumen ab, und präsentierte in letzteren "einzigartige" Stücke in zahlreichen
Ausstellungen als Kunst (ebd.). Diese Unterteilung wurde auch nach der
Umwandlung des Trocadéro in das Musée de l´Homme 1937-1939 beibehalten.
Das Britische Museum modifizierte seine Ausstellungen von einer
dokumentarischen Präsentation typischer Objektgruppen einer Region zu einer
ästhetisierenden Präsentation, bei der einzelne "exzellente" Stücke isoliert und so
der ästhetischen Kontemplation zugänglich gemacht wurden (ebd.).
Auch das Münchner Museum für Völkerkunde änderte seine rein dokumentarische
Ausstellungsstrategie zu einer "Kunst-geschichtlich-ästhetischen" Ausstellung
(ebd.). Zu Beginn der 1920er Jahre integrierte der damalige Leiter des Museums
Lucian Scherman (1864-1946) in die völkerkundlichen Ausstellungen Objekte, die
er durch räumliche Hervorhebung und farbliche Akzentuierung der Hintergründe
ästhetisch aufwertete (Gareis 1990: 111). In einer parallelen Entwicklung weiteten die bereits bestehenden Kunstmuseen,
besonders in den USA, ihre Ausstellungen durch Exponate der "primitiven Kunst"
aus. Die Golden Gate Exposition 1939 zeigte die "primitive Kunst" der pazifischen
Kulturen, der Nordwestküstenindianer, sowie vorkolumbische peruanische und
mexikanische Objekte. Das Museum of Modern Art (MoMA) in New York widmete
der Kunst der nordamerikanischen Indianer eine Ausstellung, während das Young
Museum in San Fransisco 1948 eine Ausstellung Afrikanischer Kunst durchführte 21 Siehe Kapitel 5.2.3. und 5.2.4.
(Gunther 1950: 291). In Zürich, New York und Paris wurden Museen gegründet, die
sich allein der "primitiven Kunst" widmeten (Goldwater 1986: 13). Dem Kunsthistoriker Robert Goldwater zufolge war mit der Aufnahme außereuropäischer
Objekte in die Ausstellungen und Museen die Eingliederung der
"Kunst" der "primitiven" Kulturen in den Kanon der Weltkunst vollbracht
(Goldwater 1986: 13). Tatsächlich aber ergaben sich durch die Einführung der
neuen Kategorie "primitive Kunst" neue Uneindeutigkeiten (Clifford 1988: 228), die
fortgesetzter und aneignender Diskurse und Praktiken bedurften. Erst durch diese
konnte auch der Afrikanischen Kunst ein sinnvoller Platz im westlichen
Kunstzusammenhang zugewiesen werden. 4.5. Am Wendepunkt
Der bis hierher zurückgelegte Weg hat gezeigt, dass die sich wandelnden
Perspektiven des Westens auf die Dinge Afrikas stets in der westlichen Kultur-und
Geistesgeschichte begründet lagen. Ohne Rückgriff auf diese westlichen Bezüge
können die Zuschreibungen nicht begriffen werden. Das sich verlagernde Interesse
an den afrikanischen Artefakten mündete zwar in einer radikalen Neubewertung
der Dinge als ästhetisch wertvolle Kunstobjekte, doch lag diese Transformation auf
der gesamten Geschichte der europäischen Wahrnehmung Afrikas auf. Denn die im
Laufe der Zeit den Objekten angehefteten Konnotationen begründeten letzten
Endes das Interesse der europäischen Künstler, welche an der taxonomischen
Transformation maßgeblich beteiligt waren. Vermittelt durch die ästhetische
Autorität der Maler vollzog sich die Zuschreibung einer weiteren Konnotation an
die fremden Objekte: Sie wurden ästhetisiert und somit umgewandelt in
Kunstobjekte. Diese Sinngebung in einem Kunstkontext ging jedoch nicht mit der
Entdeckung bislang unentdeckter afrikanischer Ästhetiken einher, die den
Gegenständen in ihren Herkunftskulturen eingeschrieben, und nun im Westen
erstmals entschlüsselt wurden, sondern gliederte die bislang als grob und hässlich
empfundenen Dinge in den eigenen, nun erweiterten westlichen Begriff der Ästhetik
ein. Dies geschah im Zuge des radikalen Umbruchs in der europäischen
Kunsttradition, der den Beginn der Moderne in der Kunst markierte, und dessen
"anti-ästhetische" Strategien (Stepan 2006: 14) in ihrer Langzeitwirkung zu einer
neuen Perspektive auf außer-europäische Objekte geführt haben. So wurde die
Afrikanische Kunst in den westlichen Kunstzusammenhang gestellt. Hier ist sie
Gegenstand fortgesetzter und aneignender Diskurse und Praktiken, bei denen die
Biographien und somit die Identitäten der Objekte stets neu bewertet und
verhandelt werden. 5. Die Rahmung als Kunst – Afrikanische Kunst in
westlicher Gesellschaft
In short, it is the frame rather than the picture
which establishes the mode of appreciation we
know as art. (Daniel Miller22) Die Zuschreibung eines künstlerischen Wertes durch die Künstleravantgarde in
Europa ist der entscheidende taxonomische Moment der "Erfindung" der
Afrikanischen Kunst. Doch der Weg der Objekte und die Konzeption dieser Kunst
endet nicht an diesem Punkt. Als Kunstobjekte stehen die afrikanischen
Gegenstände in spezifischen, historisch gewachsenen kulturellen und
gesellschaftlichen Handlungszusammenhängen, in denen die Absichten und
Zwecke der westlichen Akteure ihre weiteren Biographien formen und bestimmen.
Ihre Einbeziehung in diese Handlungsfelder bringt, über das Zuschreiben eines
ästhetischen Wertes hinaus, weitere diskursive und praktische Formen der
Aneignung mit sich. Denn auch der westliche Kunstzusammenhang ist nicht allein
durch Objekte mit transzendenten, ästhetischen Qualitäten gekennzeichnet,
sondern ein gesellschaftlicher Handlungsrahmen. Die Produktion, Zirkulation,
Kommodifikation und der Konsum von Kunst wird hier von Künstlern, ihren
Auftraggebern und Mäzenen, wissenschaftlich motivierten Akademikern und
Fachleuten, Liebhabern und Sammlern, und nicht zuletzt von einem Markt auf
Dauer gestellt, auf dem die Akteure nicht allein ihren ästhetischen, sondern auch
ihren sozialen und finanziellen Interessen nachgehen.
In der Aneignungsperspektive stehen die Diskurse und Praktiken, durch welche die
afrikanischen Gegenstände in ihr neues kulturelles und gesellschaftliches Umfeld
eingepasst werden, im Mittelpunkt der Betrachtung. Durch die fortlaufende 22 1987: 101.
Aneignung werden die Objekte zu Mitteln westlicher Zwecke. Egal, ob afrikanische
Gegenstände in einem Museum eine "Ethnie" repräsentieren sollen, ob sie als
Kunstwerke ihr Publikum verzaubern sollen, oder ob sie auf dem Markt für den
Statuswettbewerb der Sammler und Händler benutzt werden – in jedem Fall
werden die fremden Dinge dabei zu bedeutungsvollen Gegenständen westlicher
Handlungsfelder. Hier erhalten die Objekte durch die aneignenden Diskurse und
Praktiken westlicher Akteure Sinn und Bedeutung. Diese Diskurse und Praktiken
greifen tatsächlich ineinander und bedingen sich wechselseitig. Zu analytischen
Zwecken sollen sie hier jedoch zunächst getrennt betrachtet werden. 5.1. Klassifikationen als aneignende Diskurse
Nachdem sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Perspektive des Westens auf
afrikanische Objekte erneut gewandelt hatte, begannen die ersten
kunstethnologischen und kunstwissenschaftlichen Untersuchungen dieser neuen
Kunstform theoretische Modelle und Klassifikationskonzepte zu formulieren.
Häufig ging es zunächst darum, ein ordnendes Prinzip für die Fülle an Material in
den Museen und Galerien zu finden. Doch als Nebenfolge führten diese
klassifikatorischen Diskurse zur Etablierung und Legitimation der Afrikanischen
Kunst in der westlichen Kunstwelt.
Ihres marginalen Status in den Kunstwissenschaften enthoben werden konnte die
Afrikanische Kunst, indem sie wichtigen Methoden der westlichen
Kunstwissenschaft zugänglich gemacht wurde (Adams 1989: 56): Eine spezifische
Form der Stilanalyse wurde formuliert, und die Suche nach
Künstlerpersönlichkeiten in afrikanischen Kunsttraditionen setzte ein. Das
Kriterium der "Authentizität" Afrikanischer Kunstwerke gewann an Gewicht. Indem
die wesentlichen Merkmale der westlichen Kunst auch für die Afrikanische Kunst
postuliert und diskutiert wurden, etablierte man sie in der akademischen
Kunstwelt. 5.1.1. Ein Stamm – Ein Stil
Die akademische Auseinandersetzung mit der Afrikanischen Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand in enger Verbindung mit der Theorieentwicklung in der
Anthropologie und Soziologie in Europa und den USA (Ben-Amos 1989: 2). Wenn
auch die häufig noch stark vom Evolutionismus geprägten Thesen der
Sozialwissenschaften dieser Periode innerhalb ihrer jeweiligen Disziplinen und
auch darüber hinaus einer umfassenden Kritik unterzogen wurden, so wurden doch
einige ihrer Annahmen in der westlichen Auseinandersetzung mit Afrikanischer
Kunst noch lange Zeit relativ unkritisch reproduziert, und prägen zum Teil noch
heute die Präsentation und Wahrnehmung der afrikanischen Gegenstände im
westlichen Kontext (ebd.).
So ist die Zuordnung einer "ethnischen" Herkunft der Objekte in den Museen,
Galerien und Fachpublikationen eine gängige Praxis, um den Korpus fremder Dinge
in einer für uns zugänglichen und verstehbaren Ordnung erscheinen zu lassen. 5.1.1.1. Das Konzept des "Stammes"
Die frühe Formulierung von Stilregionen in der Afrikanischen Kunst lag der um die
Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert geläufigen europäischen
Vorstellung des "Stammes" auf, einem auch in der frühen Ethnologie häufig
benutzten Konzept (Kasfir 1984: 166). Zwar ist der Begriff des "Stammes" in seiner
gegenwärtigen westlichen Verwendung mit der "Ursprünglichkeit" und
"Traditionalität" Afrikas konnotiert. Doch die Vorstellung vom vorkolonialen Afrika
als in "Stammeseinheiten" gegliedert, welche sich durch eine homogene Kultur und
eine in hohem Maße integrierte soziale und politische Struktur auszeichnen,
spiegelt weniger eine afrikanische Realität, als vielmehr eine europäische Fiktion
wider.
Meist waren es die verwaltungstechnischen Erfordernisse der europäischen
Kolonialstaaten, welche die "Stammesidentitäten" der Kolonisierten erzeugten oder
festschrieben, um sie so leichter regieren, besteuern und in den kolonialen
Arbeitsdienst einbeziehen zu können (Ivanov 2001: 360; Kasfir 1984: 170). Als ein
Ergebnis der durch den Kolonialstaat eingeschränkten sozialen Mobilität in und
zwischen den unterworfenen Gesellschaften Afrikas, erscheint die tribale Identität
in Afrika eher als ein Merkmal der postkolonialen Staaten, als ein Relikt aus dem
vorkolonialen, "traditionellen" Afrika (Ivanov 2001: 360f.). Ein Versuch, über die
kulturellen Identitäten und die Bedeutung der "Stammeszugehörigkeit" im
vorkolonialen Afrika verifizierbare, eindeutige und allgemeingültige Aussagen zu
treffen, kann in diesem Rahmen nicht unternommen werden. Die Vorstellung
überlappender und situationsbedingter Loyalitäten und Netzwerke zwischen den
Bewohnern zum Teil weit entfernter Regionen im vorkolonialen Afrika, soll hier nur
als ein mögliches Gegenargument zum kolonialen Postulat der Gliederung in
homogene und politisch inte-grierte "Stämme" angeführt werden (Vansina 1984:
29; Ranger 1983: 248).
Als Grundlage der Klassifikation der Afrikanischen Kunst stellt das Konzept des
"Stammes" jedoch bis in jüngste Zeit ein ebenso wirkungsvolles wie auch Stereotype
reproduzierendes Ordnungskriterium dar.
5.1.1.2. Die ethnische Zuordnung der Objekte
Die regionale und "ethnische" Untergliederung der "kunstproduzierenden
Regionen" Afrikas wurde in ihren Grundzügen durch frühe Modelle der Ethnologie
vorbereitet und begünstigt, welche von deutschen und österreichischen
Wissenschaftlern um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert anhand
von Museumsobjekten formuliert wurden (Ankermann 1905; Gräbner 1905). In
diesen später als diffusionistisch bezeichneten Ansätzen formulierten
Wissenschaftler also mit Hilfe der Artefakte "Kulturkreise". Die Vorstellung
kultureller Zentren, mit für den jeweiligen "Kulturkreis" typischen
Kulturausprägungen, und kultureller Peripherien, in welchen sich die typischen
Kulturmerkmale mit denen des angrenzenden "Kulturkreises" vermischten, wurde,
vermittelt über amerikanische Anthropologen, auch auf die Formulierung von
Stilprovinzen in der Afrikanischen Kunst übertragen.
Dabei wurde die deutschsprachige Schule des Diffusionismus zwar aufgrund ihrer
historischen Spekulationen kritisiert (Herskovits 1924: 53). Die Vorstellung der
"Kulturkreise" jedoch wurde von Franz Boas (1858-1942) – ein Anthropologe der
sich schon früh dem Studium der Kunst widmete – als Konzept der "culture areas"
weiterentwickelt (Kasfir 1984: 167). Die von seinem Schüler Melville J. Herskovits
(1895-1963) für den afrikanischen Kontinent formulierten "culture areas"
(Herskovits 1924; 1930) haben sich in der geographischen Zuordnung und
Benennung der Afrikanischen Kunst nachhaltig ausgewirkt. So findet sich die grobe
Unterteilung in "Westsudan", "Guineaküste" und "Kongo", die Herskovits anhand
charakteristischer Komplexe kultureller Merkmale vornahm, in vielen älteren
Publikationen zur Afrikanischen Kunst wieder (z.B. Trowell 1954; Elisofon 1958;
Zwernemann und Lohse 1985; Schmalenbach 1988).
Über diese noch recht grobe Einteilung der "kunstproduzierenden Regionen"
Afrikas in große geographische Stilprovinzen ging William Buller Fagg (1914-1992)
hinaus. Der damalige stellvertretende Leiter der ethnographischen Abteilung des
Britischen Museums stellte in seinem 1965 erschienenen Buch Tribes and Forms in
African Art (Fagg 1965) einen klaren Bezug zwischen der tribalen Identität
afrikanischer "Stämme" und deren künstlerischen Stilen her. Er fasste den
afrikanischen "Stamm" als eine homogene, nach innen in höchstem Maße
integrierte und zugleich nach außen geschlossene kulturelle und politische Einheit
auf. Der jeweilige "Stammesstil" erwuchs in seiner Darstellung aus dieser
charakteristischen Identität eines "Stammes" (Kasfir 1984: 171). Deshalb sei die
Kunst eines jeden "Stammes" als ein geschlossenes Universum für sich zu begreifen
(Fagg 1965: 11), und könne zusammen mit den linguistischen Merkmalen als das
eindeutigste Kriterium von "Stammesidentität" gelten (ebd.: 13)23. Aufgrund der
sozialen und kulturellen Homogenität des "Stammes" könnten seine Mitglieder auf
intuitive Weise die philosophischen und religiösen Inhalte der Formensprache ihres
eigenen "Stammesstils" erfassen. Außenstehende und Mitglieder anderer "Stämme"
hingegen könnten, da sie nicht an der exklusiven "Stammesidentität" teilhaben, die
fremde Kunst nicht "verstehen", die für sie somit völlig bedeutungslos bliebe (ebd.:
11f.). Die Grenzen eines "Stammes" seien also deckungsgleich mit den Grenzen
eines "Stammesstils" (ebd.: 13f.). Zwar gilt der "Stamm" Fagg als ein dynamisches
und wandelbares Gebilde (ebd.: 12), dessen Kontakte zu anderen "Stämmen" nicht
zu leugnen seien. Doch diese Kontakte zwischen den Stämmen müssten sich nicht
zwingend auf deren Kunst auswirken (ebd.: 14). Wo sie es doch täten, würden
Mischstile entstehen, deren einzelne Komponenten sich vom Fachmann mit
treffender Sicherheit auf den jeweiligen "Stammesstil" ihrer Herkunft zurückführen
ließen (ebd.: 16f.). Fagg stellt anhand jeweils eines einzigen Stückes 122
verschiedene "Stämme" mit ihren charakteristischen "Stammesstilen" vor. Diese
beschreibt er zuweilen als "humanistisch" (wie den der "Dan" in der heutigen
Republik Elfenbeinküste) oder auch "grotesk", "abstrakt" und "aggressiv
expressionistisch" ("Ngere"), und benutzt somit das Vokabular der westlicheuropäischen
Kunsttraditionen, um die Merkmale der einzelnen Stile zu
unterscheiden24. 23 Wie wenig jedoch die geographische Verbreitung eines Typus von Plastik und die Verbreitung
einer Sprache übereinstimmen können, zeigt Vansina (1984: 31ff.) am Beispiel der in
Sammlerkreisen sehr beliebten sogenannten "Reliquiar-Figuren" der "Kota" aus dem Gebiet des
heutigen Gabun auf. Nicht alle Sprecher der Bakota-Sprachgruppe stellen diese Figuren her, jedoch
produzieren benachbarte Gruppen mit anderen Sprachen durchaus diese Ahnenfiguren: "The facts
are clear enough by themselves, only the attempt to force them into an ethnic mould clouds the
issue." (Vansina 1984: 33)
24 Zur Bedeutung des verwendeten Vokabulars für die sprachliche Aneignung siehe Kapitel 5.2.4.
Trotz seiner gönnerhaften Bemerkungen über den "wichtigen Beitrag", den "Afrika"
mit seiner Kunst zur "Weltzivilisation" geleistet habe (Fagg 1965: 17), reproduziert
und bestärkt Faggs einflussreiche Konzeption des "Stammesstils" in der
Afrikanischen Kunst – durch seine Betonung der Kollektivität des "Stammes" und
der Intuitivität in der "Stammeskunst" – evolutionistische Stereotype vom
"primitiven Stammesleben". Durch seine Klassifikation von über 100 Stämmen
anhand jeweils eines einzigen Stückes, und seine auf die europäische Kunsttradition
zurückgreifende Wortwahl, reißt Fagg die Deutungsmacht in der Afrikanischen
Kunst an sich und seine westliche Kennerschaft. Das so von Fagg klar formulierte Paradigma "Ein Stamm = Ein Stil" wurde in
Fachkreisen bereits einer tiefgreifenden Kritik unterzogen (siehe Kasfir 1984). Das
Problem der Reifizierung von "Stämmen" wird in Publikationen jüngeren Datums
zu vermeiden versucht, indem der Begriff des "Stammes" mit dem der "Ethnie"
ausgetauscht wird (ebd.: 171). Auch wird in Ausstellungen jüngeren Datums zum
Teil versucht, das Material nach anderen Gesichtspunkten als der "ethnischen"
Herkunft zu ordnen, so zum Beispiel in der von Maria Kecskési 1999 im Münchner
Museum für Völkerkunde kuratierten Ausstellung "Kunst aus Afrika: Themen
afrikanischer Künstler". Kecskési ordnete die Objekte neun "von den Künstlern
bzw. deren Auftraggebern bevorzugten Themen" (Kecskési 1999: 6) zu, und
versuchte so, sich am Inhalt der Kunstwerke, nicht an ihrer "ethnischen" Identität
zu orientieren25. Doch bleiben auch in dieser Konzeption und trotz der
ausdrücklichen Kritik der Kuratorin am Begriff der "Stammeskunst" (Kecskési
1999: 7) die "ethnischen" Attributionen in den Vitrinentexten und im
Ausstellungskatalog bestehen: 103 Männliche Figur, Schutzgottheit
Igbo, Nigeria
(Kecskési 1999: 111; Hervorhebung von mir) oder: 25 Eine Diskussion, ob Themen wie "männliche und weibliche Einzelfiguren" (Kecskési 1999: 8) oder
"Paare" (Kecskési 1999: 18) tatsächlich den Inhalt und die Bedeutungen wiedergeben, welche die
Hersteller in ihren Produkten sahen, findet in der hier geführten Diskussion um die Aneignung der
Afrikanischen Kunst leider keinen Platz.
45 Weibliche Statue blolo bla
Aitu-Baule, Elfenbeinküste
(Kecskési 1999: 52; Hervorhebung von mir) Während hier also die "ethnischen" Zuordnungen unkommentiert reproduziert
werden, schlägt Stefan Eisenhofer, Nachfolger Kecskésis und gegenwärtiger Leiter
der Afrikaabteilung des Münchner Museums, eine alternative Kennzeichnung
afrikanischer Objekte vor: 199 Männerfigur / Male Figur
Anonymus
Herkömmliche Zuordnung: Nguni
(Eisenhofer 2001: 346; Hervorhebung von mir)26 Denn: Bei der Herkunft der Stücke trägt die Bezeichnung
»Herkömmliche Zuordnung« dem Umstand Rechnung, dass
viele der ethnischen Klassifikationen »traditioneller« Werke
fragwürdig, weil oft zu allgemein oder schlicht falsch sind. (Eisenhofer 2001: 12) Nicht nur relativiert Eisenhofer durch diese Formulierung den Gültigkeitsanspruch
der "ethnischen" Klassifikationen in seiner Publikation. Durch den Begriff der
"Zuordnung" wird zudem die Illusion der "ethnischen" Identität als eine den
Objekten innewohnende Qualität aufgehoben, und auf die aktive Zuschreibung
einer Herkunft hingewiesen: Dem afrikanischen Objekt wird ein zuordnendes
Subjekt gegenübergestellt. Die Distanz zwischen den beiden wird somit erkennbar. 5.1.1.3. Stammesstile als Instrument der Aneignung
Die kritische Auseinandersetzung mit den "Stammesstilen" und "ethnischen"
Identifikationen Afrikanischer Kunstwerke soll nicht die Existenz vielfältiger
künstlerischer Traditionen in Afrika und die ästhetische Sensibilität der sie
hervorbringenden Menschen leugnen: Dass die Objekte den ästhetischen 26 Der Hinweis der Anonymität in dieser Kennzeichnung eines Objekt bezieht sich auf eine weitere
Implikation des "Stammesstils" in der Afrikanischen Kunst. Die Bezugnahme auf den "Stamm" oder
die "Ethnie" lässt den individuellen Hersteller des Objektes in westlicher Perspektive hinter seinem
"Stamm" verschwinden. Siehe hierzu Kapitel 5.1.2.
Konzepten und Präferenzen ihrer Herkunftsgesellschaften entsprechend gestaltet
wurden, steht außer Frage.
In der Aneignungsperspektive jedoch erscheint die Formulierung von
"Stammesstilen" als ein Werkzeug, durch dass nicht nur zuvor fremde objets
trouvé, Fundstücke ohne Identität und Bedeutung (Vansina 1984: 27), zu objets
connu, erkannten und bedeutungsvollen Objekten, umgewandelt werden können.
Neben seiner ordnenden Wirkung, offenbart das Werkzeug der "Stammesstile"
einen weiteren aneignenden Aspekt der Klassifikation Afrikanischer Kunst. Denn
durch die Formulierung eines Klassifikationssystems wird die Herausbildung eines
spezialisierten Kunstsachver-standes in der Afrikanischen Kunst begünstigt. Der
Kunstsachverstand kann allgemein definiert werden als die Beherrschung eines
Klassifikationssystems, durch welches das Universum der Darstellungsformen in
komplementäre und zueinander in Beziehung gesetzte Klassen unterteilt wird
(Bourdieu und Darbel 2006: 69). Diesen Klassen können Objekte anhand stilistisch
distinktiver Merkmale zugeordnet werden. Der Konsum von Kunst und der
Kunstsachverstand sind von der erlernten Kenntnis dieses Klassifikationssystems
abhängig: Das Kunstwerk als symbolisches Gut gibt es nur für
denjenigen, der über die Mittel verfügt, es sich anzueignen,
das heißt, es zu entschlüsseln. (ebd.) Um den Konsum Afrikanischer Kunst also zu ermöglichen, bedarf es eines
klassifikatorischen Mittels. Dieses kam jedoch nicht mit den Objekten nach
Europa, sondern musste zunächst einmal erzeugt werden, nachdem der
künstlerische Akzent gesetzt und die sprachliche Transformation afrikanischer
ethnographischer Artefakte in Afrikanische Kunst erfolgt war.
Das Zitat von Bourdieu und Darbel abwandelnd, erscheint die Formulierung eines
sich an abgrenzbar und homogen vorgestellten "Stämmen" orientierenden
Klassifikationssystems als Erzeugung eines Mittels, sich das Kunstwerk
anzueignen: Das Afrikanische Kunstwerk gibt es nur dann, wenn ein Mittel zur
Klassifikation geschaffen wird, durch das es angeeignet werden kann.
Über den ordnenden Aspekt eines Klassifikationsmodells hinaus, wird mit den
"Stammesstilen" ein Code formuliert, welcher die Grundlage für den
Kunstsachverstand in der Afrikanischen Kunst darstellt. Der so erzeugte
Kunstsachverstand stellt eine Strategie der diskursiven Aneignung dar, durch
welche die Afrikanische Kunst in die Kunstwelt eingeordnet, und als Kunst
legitimiert werden kann. Die Existenz einer mit "Stammesstilen" befassten
Kunstkennerschaft ermöglicht somit die Aufwertung der Afrikanischen Kunst in
den westlichen Kunstwissenschaften (Adams 1989: 56).
Nicht nur ermöglicht die Tribalisierung der Afrikanischen Kunst also, einzelne
Stücke in einer Ordnung von Objekten zu verorten. Die "Stammesstile" erlauben
darüber hinaus dem diesen Code beherrschenden und anwendenden Kunstkenner
seine Kennerschaft durch die bedeutungsvolle Klassifikation der Afrikanischen
Kunstwerke in ihrem Sammlungs-und Marktzusammenhang zum Ausdruck zu
bringen. Die Suche nach den "Stammesstilen" entspringt folglich dem Willen zu
Sammeln. Sie dient sowohl der Notwendigkeit, hierfür dem gesammelten Material
eine sinngebende Ordnung zu verleihen, als auch der Notwendigkeit, dieser
Ordnung durch die Etablierung eines Kunstsachverstandes die nötige Legitimität zu
verleihen. 5.1.2. Keine Kunst ohne Künstler? Diskurse über kollektive und
individuelle Urheber in der Afrikanischen Kunst
[T]here is no reason why we should not adapt the
convention of European art history to our use. (William Fagg27) Das Postulat der "Stammesstile" der ersten kunstwissenschaftlichen
Auseinandersetzungen mit Afrikanischer Kunst, brachte als fast schon zwingende
Konsequenz mit sich, dass die Möglichkeit individueller schöpferischer Leistungen
in den "primitiven Künsten" von vornherein ausgeblendet wurde. Die Objekte
wirkten auf ihr westliches Publikum wie ein "ethnographischer Präsens":
Vergangenheit, Gegenwart, Anzahl, Geschlecht und Individualität der hinter dem
Kunstwerk stehenden Menschen verschmolzen zu einer einzigen Figur (oder besser:
figuralen Plastik), anhand der nicht individuelles Leben, sondern allgemeingültige
und vom "Stamm" kollektiv getragene Normen und kulturelle Praktiken
veranschaulicht werden sollten (Price 1992: 88). 27 1969: 47.
5.1.2.1. Kollektive Urheberschaft
In der westlichen Sichtweise, vom evolutionistischen Paradigma geprägt, war die
"primitive Kunst" lange Zeit eine Hervorbringung des kollektiven
Unterbewusstseins des "primitiven Stammes". 1926 beschrieb Ernst Vatter (18881948)
in Reli-giöse Plastik der Naturvölker die kollektive Mentalität der
"Stammesgesellschaft" als Grundlage ihres Kunstschaffens: Nach Durkheim und Lévy-Bruhl denkt und fühlt die Gruppe
als solche, sie hat »Kollektivvorstellungen«, die sich in jedem
ihrer Glieder manifestieren, aber Gemeinschaftscharakter
tragen, die sich von Generation auf Generation wenig
verändert vererben und nicht ohne weiteres den Gesetzen der
Individualpsychologie gehorchen. Die religiösen
Anschauungen sind in ausgesprochenem Maße kollektiv, und
soweit sie die Kunst bedingen, sind auch ihre Schöpfungen,
zum mindesten die ihr zugrundeliegenden Ideen, in erster
Linie als solche der Gruppe zu werten. (Vatter 1926: 24) Die "primitive Kunst" wurzelte bei Vatter fast ausnahmslos in den religiösen
Vorstellungen (ebd.: 15), und der "primitive Künstler" galt ihm, ähnlich wie der
Priester im religiösen Kult, als nichts weiter als ein "Diener am Werk" (ebd.: 35).
Größere Einflussmöglichkeiten hingegen gestand Franz Boas den einzelnen
Künstlern der Primitive Art (Boas 1955 [erstmals erschienen 1927]) zu. Die
Entstehung und den Wandel der Stile wollte er nicht allein anhand der äußeren
Betrachtung der formalen Gestaltungsweisen der Gegenstände untersuchen. Boas,
der stets die Bedeutung der im Feld gesammelten Daten und der Erklärungen der
Einheimischen für die Anthropologie betonte (Price 1992: 89), bezog die
Umstände, unter denen die Artefakte hergestellt wurden, und somit auch die
Künstler in seine Untersuchung der "primitiven Kunst" mit ein. Als einer der ersten
in der noch jungen Kunstethnologie lenkte er so die Aufmerksamkeit auf die nichtwestlichen
Künstler selbst: We have to turn our attention first of all to the artist
himself. (Boas 1955: 155)
Dennoch galt ihm der traditionelle Stil in der "primitiven Kunst" als der die kreative
Freiheit des Künstlers begrenzende Faktor28. Der Künstler kopiere zwar nicht
lediglich bekannte Werke29, dennoch schätzte Boas seine Vorstellungskraft als
eingeschränkt ein30.
Dieser Befund, der Künstler in der "primitiven Kunst" könne nur innerhalb eines
vom traditionellen Stil vorgegebenen Rahmens seine eigene Kreativität ausleben,
sollte im Wesentlichen auch von den ersten Forschungen zur Rolle afrikanischer
Schnitzer bestätigt werden. Eine frühe Ethnographie, die sich der Rolle der afrikanischen Holzschnitzer
widmete, war die Arbeit des deutschen Ethnologen Hans Himmelheber (19082003).
Seine 1934 in Tübingen vorgelegte Doktorarbeit mit dem Titel Negerkünstler. Ethnographische Studien über den Schnitzkünstler bei den
Stämmen der Atutu und Guro im Innern der Elfenbeinküste (Himmelheber 1934)
beruhte auf eigener Feldforschung. Dies sollte dem Umstand Rechnung tragen,
dass sich die umfassende Literatur zur Afrikanischen Kunst meist allein auf das
Museumsmaterial stützte, und Feldstudien zu den tatsächlichen Umständen des
Kunstschaffens in Afrika völlig fehlten (ebd.: 1).
Durch die Befragung der in seiner Arbeit namentlich aufgeführten Holzschnitzer
gelangte Himmelheber zu Erkenntnissen über deren Berufsausbildung (ebd.: 8), die
wirtschaftlichen Motivationen des Kunstschaffens (ebd.: 13, 15), die Techniken und
Arbeitsweisen (ebd.: 30) und das Repertoire ihrer Erzeugnisse (ebd.: 37). Auch zum
Verhältnis der traditionellen Vorgaben und der persönlichen kreativen Freiheit
äußerte Himmelheber seine Einschätzung. Dabei schrieb er dem "Negercharakter"
eine allgemeine Zaghaftigkeit zu, wenn es darum ging, allzu tiefgreifende
Neuerungen in der Gestaltung auszuprobieren (ebd.: 58). Die Freiheit des
Schnitzers sei sowohl durch Vorgaben vom Auftraggeber als auch durch den
Gebrauch, dem das Objekt zu dienen habe, eingeschränkt (ebd.: 50). 28 "[...] style has the power of limiting the inventivness of the productive artist. […]" (Boas 1955:
156)
29 "[...] primitive artists hardly ever copy. [...] The work is laid out in the mind of the maker before
he begins and is a direct realization of the mental image." (Boas 1955: 156)
30 "Although the artisan works without copying, his imagination never rises beyond the level of the
copyist." (Boas 1955: 157)
Dem westlichen Verständnis von Kunst widersprachen diese Berichte über das
Kunstschaffen in Afrika, wonach dem individuellen Produzenten nur eine
untergeordnete Rolle in den künstlerischen Traditionen zukam.
Denn neben der grundlegenden Technik der Stilanalyse, ist die Bezugnahme auf
Leben und Werk namentlich bekannter Künstler ein weiteres wesentliches Merkmal
der westlichen Kunstwissenschaft (Adams 1989: 56; Price 1992: 87). Zwar konnte in
einigen Fällen belegt werden, dass die Namen und Persönlichkeiten einzelner
Künstler in ihren afrikanischen Gesellschaften durchaus bekannt und auch berühmt
waren (Vogel 1999: 40), doch wurde ihr Name meist nicht in Verbindung mit
bestimmten Werken, die sie geschaffen hatten, memoriert (ebd.): Signaturen der
Hersteller an den Objekten fehlen in fast allen Traditionen der Afrikanischen Kunst
(Vansina 1984: 138). 5.1.2.2. Die westliche Suche nach individuellen afrikanischen Künstlern
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts bemühten sich westliche Fachleute vermehrt, die
individuelle künstlerische Kreativität in der Afrikanischen Kunst zu entdecken: Seit
den 1950er Jahren wuchs unter den Sammlern und Akademikern, die ihr Vermögen
und ihren Ruf in die Afrikanische Kunst investiert und sich für deren Aufnahme in
den Korpus der Weltkunst stark gemacht hatten, das Bedürfnis, ihre Begeisterung
für diese Kunst zu rechtfertigen (Vogel 1999: 43f.). Für die Sammler, Kuratoren und
Fachleute der Institutionen, welche die Afrikanische Kunst in den Stand der hohen
Kunst erhoben hatten, war es notwendig zu postulieren, dass die Afrikanische
Kunst die gleichen grundlegenden Qualitäten aufwies, wie andere, voll akzeptierte
Kunsttraditionen (ebd.: 44). Dem Stereotyp der Afrikanischen Kunst als anonyme
Hervorbringung eines kollektiven "Stammes", stellte man die Vorstellung des
Afrikanischen Kunstwerkes als ein autonomes, der ästhetischen Kontemplation
dienendes Objekt entgegen, das von einem individuellen Künstler im vollen
Bewusstsein seiner künstlerischen Freiheit gestaltet worden war (ebd.). Das
Verhältnis von traditionellen Vorgaben und der individuellen Kreativität rückte
zunehmend in den Mittelpunkt des kunstethnologischen Interesses (Biebuyck 1969;
d´Azevedo 1973). Die Variationen in den Kunststilen der "primitiven Kunst", so Daniel Biebuyck in
der Einleitung des von ihm herausgegebenen Bandes Tradition and Creativity in
Tribal Art (Biebuyck 1969), würden von vielen Autoren zumeist auf Unterstile des
"Stammesstils", auf lokale oder Dorfstile, und in seltenen Fällen auf
unterschiedliche Stilperioden zurückgeführt (ebd.: 3). Seine Absicht sei es jedoch,
den Künstler und seine individuellen kreativen Möglichkeiten in der
"Stammeskunst" genauer in den Blick zu bekommen. So relativierte William Fagg in
seinem Beitrag zu dem Buch seine einige Jahre zuvor postulierte "Tribalität" der
"Stammeskunst", und räumte dem "traditionellen Künstler" eine eigene
künstlerische Individualität ein: We shall see later that the tribality of style in Africa does
not restrict the individuality of the traditional african artist.
(Fagg 1969: 45) Unter Ausschluss zeitgenössischer, westlich orientierter Künstler, Schnitzer für den
Touristenmarkt und – selbstverständlich – Fälscher, bemühte sich Fagg ein
Konzept des "echten", "traditionellen" afrikanischen Künstlers vorzulegen, das man
"korrekt" wertschätzen könne (ebd.: 46). Nicht nur durch Berichte aus erster Hand
über Leben und Werk einzelner Künstler, sondern auch durch stilistische Analysen
könne die Hand eines "Meisters" und sein "OEvre" identifiziert werden. So ließe sich
beispielsweise ein "Meister der Kaskadenfrisur" unter den Kunstschaffenden der
"Baluba" identifizieren (ebd.: 50). Das Bedürfnis, in den afrikanischen
Kunsttraditionen individuelle Künstler und Stile zu entdecken war also so stark,
dass durch die Deutungsmacht westlicher Kennerschaft und das Instrument der
Stilanalyse fiktive, "virtuelle" Künstler geschaffen wurden, in Fällen, in denen der
Name des Herstellers eines umfangreichen "OEvres" nicht bekannt war.
Ein Untersuchungsfeld hingegen, in dem auf Leben und Werk einzelner,
namentlich bekannter Künstler eingegangen und ihre persönlichen Stile
hervorgehoben werden konnte, war die Kunsttradition der "Yoruba" (LaGamma
1998: 24; siehe auch Carroll 1967; Walker 1998; Thompson 1997). Einige der
begabtesten "Yoruba"-Schnitzer waren über ihr unmittelbares soziales Umfeld
hinaus bekannte und nachgefragte Spezialisten, und arbeiteten häufig für weit
entfernt lebende Auftraggeber. Auf ihren weitreichenden Ruf weisen die
sogenannten oriki hin, Loblieder oder –gedichte, in welchen die bemerkenswerten
Taten und Leistungen herausragender Persönlichkeiten der "Yoruba" memoriert
werden (Thompson 1997). Die Namen von einigen wenigen Schnitzern sind auch in
westlichen Sammlerkreisen und Museen bekannt und werden ihren Werken
zugeordnet. Im Sonderfall der "Yoruba"-Kunst kann also einzelnen Objekten im
westlichen Kunstzusammenhang der Status singulärer Kunstwerke namhafter
Künstler verliehen werden.
Die Frage indessen, ob die Memorierung der Taten einer erinnerungswürdigen
Persönlichkeit, wie sie die oriki der "Yoruba" darstellen, notwendigerweise auch auf
die
Existenz eines Konzeptes des Künstlers in einer afrikanischen Gesellschaft
hinweisen (Roberts 1998: 56), oder ob nicht die Namen von Auftraggebern,
rituellen Experten, Besitzern und Verwendern von Objekten häufig von größerer
Bedeutung sind, als die Identität ihrer Hersteller (Stokes 1999: 10; Vogel 1999),
muss hier leider unbeantwortet bleiben.
Die Tatsache jedoch, dass die langjährigen Forschungen im Bereich afrikanischer
Kunsttraditionen zwar zu Bezeichnungen, Bedeutungen, Gebrauch und
Symbolismus der hergestellten Objekte, sowie zu Ausbildung und Arbeitsweisen der
Hersteller, aber nur in seltenen Fällen etwas über die Hersteller in ihrer Rolle als
"Künstler" zutage gefördert haben, sollte der Übertragung westlicher Vorstellungen
vom Konzept des "Künstlers" in afrikanische Gesellschaften seine Grenzen setzen31. Zwar lenkte die Suche nach individuellen Künstlern und ihren Stilen die
Aufmerksamkeit in der Auseinandersetzung mit Afrikanischer Kunst vermehrt auf
die Abweichungen einzelner Stücke von den weithin bekannten "Stammesstilen".
Doch führten vereinzelte Erkenntnisse über Künstlerpersönlichkeiten wie die der
"Yoruba" nicht zu einer generell neuen Bewertung der Rolle der Hersteller in der
Afrikanischen Kunst. Das Eingeständnis der westlichen Unkenntnis über Person
und Rolle afrikanischer Künstler, in Form von Vitrinentexten und
Bildunterschriften wie "Künstler unbekannt" oder "Anonymus", hat sich nicht als
logische Konsequenz der meist vergeblichen Suche nach individuellen Künstlern
durchgesetzt.
Liest man zu einigen Stücken der "Yoruba" Zuordnungen wie "Meister Olowe aus
Ise (Akoko-Distrikt in Provinz-Ekiti), Yoruba, Nigeria" (Kesckési 1999: 80), so
stehen dieser Angabe eine Vielzahl anonymer Zuordnungen im Stil von "Bangwa,
Kamerun" (ebd.: 86) oder "Igbo, Nigeria" (ebd.: 111) entgegen. Dennoch
disqualifiziert das Fehlen eines Künstlernamens zu einem afrikanischen Objekt die 31 "I would argue that, because cultures preserve the knowledge they value, any information that
has so consistently eluded researchers should be taken to indicate areas of little or no cultural
relevance to the people under study." (Vogel 1999: 40)
Afrikanische Kunst nicht als legitimen Bestandteil der Weltkunst. "Ethnische"
Identitäten werden weiterhin zugeschrieben, und die Anonymität der einzelnen
Hersteller bzw. die kollektive Urheberschaft der gesamten "Ethnie" wird – meist
implizit – als charakteristisches Merkmal der "echten" und "traditionellen"
Afrikanischen Kunst akzeptiert. Oder wie es der Sammler Vincent Price ausdrückte:
"[T]he anonymity of the creator actually enhances a work of art" (African Arts
1972: 22). 5.1.3. Authentifizierung als Aneignung
A copy can be a houndred years old or it can only
be a few years old, but everything is a copy of
those first objects which are now in the museums
and in the books. (Dramane Kabba32) Die Authentifizierung stellt die stärkste und wirksamste Klassifikation der
Afrikanischen Kunst dar: Objekte oder auch Objektkategorien, denen die
"Authentizität" abgesprochen wird, fallen ganz aus dem Kunstzusammenhang
heraus.
Doch wie kann die "Echtheit" von Kunstwerken bestimmt werden, wenn – wie
bereits angedeutet – in ihren Herkunftsgesellschaften unter Umständen ein
Kunstkontext gar nicht existierte, und den Gegenständen keine Künstlernamen als
Garant ihrer "Echtheit" zugeordnet werden können? 5.1.3.1. "Authentizität" als zeitliche Typologisierung
Die Vorstellung der "Authentizität" der Afrikanischen Kunst ist eng verbunden mit
der zeitlichen Einteilung in eine "echte" und "traditionelle" Periode, und eine
"unechte" weil durch westlichen Einfluss verfälschte Periode Afrikas. Es wird also
eine zeitliche Grenze angenommen, die den Übergang von "traditionellen"
afrikanischen Kulturen hin zu durch europäische Einflüsse kontaminierten,
unauthentischen Kulturen markiert (Steiner 1994: 104; Kasfir 1992: 40). Diese
Typologisierung rekurriert auf die europäische Fiktion der unwandelbaren
Traditionen im vorkolonialen Afrika. In dieser stark vereinfachenden Perspektive
erschienen die Lebensweisen und Kulturen der afrikanischen "Stämme" über 32 Ein Kunsthändler aus der Elfenbeinküste in den 1980er Jahren (zitiert nach Steiner 1994: 102).
Jahrhunderte hinweg statisch, und begannen sich erst mit der Ankunft der
Europäer zu wandeln. Dieser Wandel gipfelte in den massiven Umwälzungen
afrikanischer Gesellschaften in der Kolonialzeit.
Dass als typologisch-zeitliche Grenze zwischen dem "authentischen" und dem
"unauthentischen" Afrika die Kolonialzeit definiert wird, muss in Anbetracht der
Geschichte Afrikas als willkürliche Setzung betrachtet werden. Ebenfalls denkbar
wäre eine Grenzziehung in der afrikanischen Vergangenheit am Beginn der
Islamisierung oder bei der Ankunft der Portugiesen (Kasfir 1992: 43). Auch diese
Ereignisse zeitigten nachweisliche Veränderungen in den afrikanischen
Lebensweisen, ebenso wie die europäische Kolonisation. So gesehen gab es nie
"authentische" – weil frei von jeglichen äußeren Einflüssen – afrikanische
Kulturen. Die Nachfrage westlicher Sammler nach Objekten aus dem "echten",
"traditionellen" Afrika schildert Fagg als romantische Motivation des Sammelns
(Fagg 1969: 44): Der "moderne" Mensch im Westen sucht Sinnbilder des
"Ursprünglichen" in den "echten" Stücken der Afrikanischen Kunst. Dabei gelten
ihm westliche Einflüsse als störend. Wenn das romantische Motiv auch auf den
ersten Blick überzeugend erscheinen mag, suggeriert es doch zu pauschale und
allgemeingültige, der Sammelleidenschaft zugrundeliegende Motivationen, und
vereinfacht somit zu stark. In einer ursächlicheren Perspektive ist das Kriterium der
Authentizität im Prototyp des "echten" Afrikanischen Kunstwerkes begründet: Der
Zeitpunkt, in dem die afrikanischen Gegenstände erstmals als Kunst
wahrgenommen wurden, legt den Prototyp des "authentischen" Afrikanischen
Kunstwerkes fest (Errington 1994: 219). Die afrikanischen Plastiken und Masken
also, welche den Malern des frühen 20. Jahrhunderts als Inspirationsquellen,
Katalysatoren oder Vorlagen gedient hatten, sind das Sinnbild und der Maßstab der
"echten" Afrikanischen Kunst. Wie sehr der Prototyp des "authentischen"
Afrikanischen Kunstwerkes heute nachgefragt wird, zeigt sich auf dem Markt:
Stücke, denen eine Provenienz aus dem Besitz eines der namhaften Maler der
Moderne nachgewiesen werden kann, gelten dort als die beliebtesten und daher
teuersten Stücke33. Solche Stücke gelten als besonders authentisch, da sie alt genug
sind um aus einer Zeit zu stammen, von welcher angenommen wird, dass das Über die Bedeutung des Kriteriums der Provenienz eines Stückes im Verhältnis zu seiner
"Authentizität" siehe Kapitel 5.3.2.3.
europäische Interesse an der afrikanischen materiellen Kultur noch keine
merkbaren Einflüsse in den künstlerischen Traditionen Afrikas hinterlassen habe.
Doch Einflüsse der kolonialen Verwaltung, Forschungs-und Sammeltätigkeit auf
die Produktion und den Handel mit Artefakten in Afrika können schon für relativ
frühe Perioden der Kolonialzeit belegt werden34. 5.1.3.2. Zur Fiktion der Authentizität
Bereits in den ersten Jahren der Kolonialisation (etwa um 1880-1890) entstand im
Gebiet der Avungara-Azande ein florierender Markt für Ethnographica, die von
einheimischen Mittelsmännern und –frauen zum Verkauf an die kolonialen
Handels-und Verwaltungsposten der Europäer geliefert wurden (Ivanov 2001:
363). Das Interesse europäischer Sammler an afrikanischen Objekten hatte also
damals schon wirtschaftliche Anreize für die Menschen in den Kolonien geschaffen,
Gegenstände ihrer materieller Kultur zu kommodifizieren.
Ein früher Hinweis auf den Verkauf von Masken an Weiße in Nigeria geht aus den
Äußerungen hervor, mit denen Paul Staudinger 1897 die durch Felix von Luschan
der Berliner Gesellschaft für Völkerkunde vorgelegten "Lagos-Masken"
kommentierte. Bereits zwölf Jahre zuvor, also 1885, habe Staudinger solche Masken
in Nigeria im Besitz von Europäern gefunden, denen sie von Einheimischen zum
Verkauf angeboten worden waren. Die Gestaltung dieser Masken sei überdies auf
den Einfluss der europäischen Pappmaché-Masken zurückzuführen, welche von
Kaufleuten nach Westafrika eingeführt worden waren (Staudinger 1897: 110).
Sidney Kasfir schildert, wie das Verbot der britischen Kolonialverwaltung im
südlichen Nigeria, menschliche Schädel für die Herstellung bestimmter Masken zu
verwenden, dazu geführt hatte, dass die Knochen durch beschnitzte Holzmasken
ersetzt wurden. Diese Holzmasken – nicht die vorkolonialen Schädel – werden
heute als "authentische" Afrikanische Kunst im Westen gesammelt (Kasfir 1992:
42).
Die Vorstellungen der Europäer und ihre Sammeltätigkeit übten also bereits früh
einen Einfluss auf die materielle Kultur afrikanischer Gesellschaften aus, und
schufen mancherorts auch einen wirtschaftlichen Anreiz zu ihrer Kommodifikation.
Diese wirtschaftliche Motivation afrikanischer Hersteller schmälert jedoch in der
europäischen Wahrnehmung ihre "Authentizität". Dem Ideal eines Objektes, das 34 Siehe auch Kapitel 4.2.
von einem afrikanischen Hersteller zum Gebrauch in der eigenen Gesellschaft
hergestellt wurde, und in diesem Handlungszusammenhang auch zur Anwendung
gelangte, kann ein zum Verkauf an Europäer hergestelltes Artefakt nicht genügen. 5.1.3.3. Spuren der Authentizität an den Objekten
Das bei genauerer Betrachtung unhaltbare Vorher-Nachher-Raster der rein zeitlich
typologisierten Authentizität wird durch ein Konzept zu erweitern versucht, das
weitere Faktoren als nur das Alter eines Objektes mit einbezieht. So gilt auch der
tatsächliche Gebrauch eines Objektes in einem "echten" afrikanischen
Handlungszusammenhang als ein Kriterium seiner Authentizität. In diesem Sinne
formulierte der britische Kunsthistoriker Frank Willett 1976 anhand der Kriterien
der Herkunft, Intention und Stilistik des Produzenten und des Gebrauchs seines
Produktes in traditionellen Zusammenhängen ein abgestuftes Modell der
Authentizität. Als "authentischste" Objekte gelten bei ihm solche, die allein im
lokalen Stil konzipiert, hergestellt und im einheimischen Kontext des Herstellers
verwendet worden sind. Objekte, die vor ihrer Verwendung an Sammler verkauft
wurden, gelten ihm als weniger authentisch. Darunter angesiedelt sind solche
Artefakte, die zwar im einheimischen Stil von einem einheimischen Hersteller
produziert worden sind, jedoch von vornherein für den Verkauf an Ausländer
bestimmt waren. Es folgen Objekte, die im Auftrag von Europäern von Afrikanern
in ihrem eigenen Stil hergestellt worden sind, solche, die im Auftrag von Europäern
durch afrikanische Hersteller in einem anderen als ihrem eigenen Stil produziert
worden sind, bis schließlich als wirkliche "Fälschungen" solche Stücke bezeichnet
werden, die von Ausländern in einem afrikanischen Stil und zum Verkauf an andere
Ausländer als authentische Objekte hergestellt worden sind (Willett 1976: 8).
Der für eine Einordnung in die "authentischste" Klasse der westlichen
Wertschätzung ausschlaggebende Gebrauch in der Herkunftsgesellschaft wird in
Form der Gebrauchsspuren, der Patina an den Objekten, von westlichen Sammlern
hoch bewertet (MacClancy 1988: 170). Die Abnutzungen an den Stücken gelten als
Beleg, dass sie tatsächlich verwendet worden waren. Dadurch sind sie in westlicher
Vorstellung noch stärker mit dem "traditionellen" Afrika assoziiert. Die Faszination
für die "Authentizität" richtet sich also auch auf den anthropologischen Kontext,
dem die Stücke entstammen. Ein Sammler fragt nicht nur ein materielles Objekt auf
dem Markt für Afrikanische Kunst nach, sondern wünscht sich darüber hinaus ein
Stück der "Anthropologie" dieses Objektes zu besitzen (Povey 1975: 6; Hammersley
Houlberg 1976). Doch ist der Gebrauch in "echten" afrikanischen kulturellen Praktiken alleine kein
hinreichendes Kriterium "authentischer" Afrikanischer Kunst.
Marilyn Hammersley Houlberg veranschaulicht diesen Umstand anhand der ere
ibeji-Figuren, welche im Zusammenhang mit dem Tod von Zwillingsgeschwistern
bei einigen "Yoruba" in Nigeria zur Anwendung kommen (Hammersley Houlberg
1973; siehe auch Thompson 1971; Chappel 1974; Stoll und Stoll 1980). Als etwa
dreißig Zentimeter große Holzstatuen stellen die ere ibeji in Europa beliebte und
auf dem Markt für Afrikanische Kunst zum Teil hoch bewertete Sammlerstücke dar.
Die von Sammlern so geschätzte Patina weist auf den jahrelangen Gebrauch der
Figuren im "Kult" hin: Opferungen und Waschungen gehören zum regelmäßigen
Umgang mit den ere ibeji (Stoll und Stoll 1980: 68f.).
Die Verwendung von Holzfiguren zur Memorierung verstorbener Zwillinge unterlag
im Laufe der Zeit jedoch einem Wandel. Unter dem Einfluss des Christentums und
insbesondere des Islam in Nigeria gaben die Mütter verstorbener Zwillinge immer
vereinfachtere und nur mehr entfernt an menschliche Formen erinnernde Figuren
bei den Schnitzern in Auftrag (Hammersley Houlberg 1973: 26). Auch bunte
Plastikpuppen wurden von einigen Frauen zur Repräsentation ihrer verstorbenen
Kinder verwendet (ebd.). Ere ibeji, die nicht in Form einer Figur, sondern durch
eine Fotografie den verstorbenen Zwilling repräsentieren, wie es seit den 1950er
Jahren praktiziert wird, entfernen sich schließlich völlig von der westlichen
Vorstellung "figuraler Plastik". Dabei rühren die materiellen Wandlungen der
kulturellen Praktiken nicht an deren Authentizität: Der Gebrauch von
Plastikpuppen oder Fotografien gilt im emischen Kontext als ebenso wirksam oder
authentisch wie die Verwendung von Holzfiguren. Aber qualifizieren sich diese
"echten" und im "Kult" verwendeten Objekte (Plastikpuppen, Fotos) auch als
sammelbare Afrikanische Kunst?
Bis auf das Interesse einiger weniger Sammler, die neben Holzfiguren auch
Fotografien aus dem ere ibeji-Zusammenhang sammeln (Hammersley houlberg
1976: 19), blieben diese Artefakte eines authentischen afrikanischen
Handlungszusammenhanges bislang außerhalb des westlichen
Kunstzusammenhanges. Gleichzeitig mit dem materiellen Wandel der tatsächlich
benutzten Zwillingsrepräsentanten, werden in den städtischen Zentren Nigerias
"traditionelle" ere ibeji-Figuren zum Verkauf an Touristen gefertigt (ebd.). Das
heißt "echte" afrikanische Schnitzer stellen Figuren in einem bestimmten
"Stammesstil" her, dessen "ethnische" Identität sie nicht notwendigerweise teilen.
Die Figuren sind aber nicht zum Gebrauch in "traditionellen"
Handlungszusammenhängen bestimmt, sondern zum Verkauf an Touristen, und
qualifizieren sich somit nicht als "authentische" Afrikanische Kunst. Würden diese
"unauthentischen" Figuren jedoch von nigerianischen Eltern zur Repräsentation
ihrer verstorbenen Kinder gekauft und verwendet, wäre die Frage nach der
"Authentizität" ad absurdum geführt (ebd.). Die Komplexität der Authentifizierung der Afrikanischen Kunst, wie sie hier kurz
angedeutet worden ist, erwächst aus dem Umstand, dass die "Echtheit", ebenso wie
der "Stammesstil", kein aus den inhärenten Qualitäten der Objekte
herauszulesender Fakt ist, sondern ein aus der westlichen Motivation zu sammeln
erwachsendes Klassifikationskonzept. Die "Authentizität" der Afrikanischen Kunst
ist ein Produkt der kunstwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihr (Steiner
1992: 18). Sie stellt, mehr noch als die "Tribalisierung" ihrer Stile, den Kern der
europäischen Fiktion der Afrikanischen Kunst dar: Es gelten diejenigen Stücke als
besonders wertvoll, weil "authentisch", die aus der vorkolonialen und kolonialen
Periode stammen – einer Zeit, zu der man in Europa auf die künstlerischen Aspekte
der afrikanischen Artefakte noch nicht aufmerksam geworden war. "Authentische"
Afrikanische Kunstwerke sind demnach solche Objekte, die aus einer Periode
stammen, in welcher sie in Afrika nicht als Kunst hergestellt und in Europa nicht als
Kunst wahrgenommen wurden. Zu Kunst wurden die Objekte erst rückblickend
gemacht. Die Kriterien, denen ein Stück genügen muss, um diese Wandlung zu
vollziehen und als "authentisch" gelten zu können, liegen in der Deutungsmacht
westlicher Kenner und Experten. Diese Qualitäten haben nichts mit den
unterschiedlichen afrikanischen Vorstellungen über die Echtheit, Brauchbarkeit
oder Wirksamkeit der Dinge zu tun. Sie müssen vielmehr als Schwellenwerte
verstanden werden, durch welche die westliche Kennerschaft den Zugang von
afrikanischen Gegenständen zur westlichen Konzeption der Afrikanischen Kunst
regulieren kann.
5.2. Präsentation und Rezeption als aneignende Praxis
Über die Zuschreibung ästhetischer und Kunstqualitäten hinaus ist der konkrete
Umgang mit den Objekten grundlegender Bestandteil der Aneignung der
Afrikanischen Kunst. Durch unterschiedliche Ausstellungsstrategien kann die
Wahrnehmung der afrikanischen Objekte als ethnographische Artefakte oder als
Kunstwerke beeinflusst werden. Die Präsentation als Kunst bindet die Objekte in
ästhetisierende Praktiken ein, durch welche die westliche Vorstellung von Ästhetik
für die Afrikanische Kunst in die Tat umgesetzt wird. Dabei werden nicht allein
visuelle Techniken angewandt, sondern auch sprachliche Strategien verfolgt, um
einen ästhetisierenden Zugang zu den Afrikanischen Kunstwerken zu schaffen. Es
wird deutlich, dass die kulturelle Identität der Ausstellung, der entsprechend
afrikanische Gegenstände als ethnographische Artefakte oder als Kunst präsentiert
werden, ein den Kunstzusammenhang definierendes Merkmal ist. In diesen
praktischen Kunstzusammenhang gestellt, wird die Afrikanische Kunst von einem
Postulat zur Realität. 5.2.1. Die kulturelle Identität der Ausstellung
[A]n exhibition in which a museum presents the
artefacts of another culture may itself be
examined as an artefact of our own. We look for
the unintended messages conveyed along with
the official ones. (Michael Ames35) Museen und Ausstellungen, als kulturelle Hervorbringungen der westlichen
Gesellschaften, stellen keinen neutralen und machtfreien Raum dar, in dem
objektive Realitäten dargestellt werden können. Gerade die museale Praxis in
Bezug auf außer-europäisches Material gab und gibt Anlass zur Reflektion über die
Motivationen und Intentionen der Ausstellungsmacher, und die politischen und
ethischen Implikationen des Museums generell (Clifford 1988; Karp und Lavine
1991; Ames 1992; siehe auch Pearce 1995). Dabei tritt das Museum zunehmend als
ein soziales Artefakt der westlichen Gesellschaften in Erscheinung (Cannizzo 2002:
382), dessen kulturelle Geprägtheit auch im Aufbau und der Darstellungsweise der 35 1992: 44.
Exponate zutage tritt. Diese kulturelle Identität einer Ausstellung beeinflusst die
Sinngebung ihres Inhalts, indem durch die Ausstellungskonzeption bestimmte
Akzente gesetzt und bestimmte Blickwinkel forciert werden, während andere
mögliche Perspektiven nicht begünstigt oder gar vermieden werden.
In der Perspektive der ethnographischen Ausstellung erscheinen die Exponate als
ethnographische Objekte (Kirshenblatt-Gimblett 1991: 387). Ihre Bedeutungen in
ihrem Herkunftskontext, der durch die Ausstellung dargestellt werden soll, wird
betont, wohingegen die Betrachtung der Objekte unter rein ästhetischen
Gesichtspunkten nicht begünstigt wird (Price 1992: 127).
Die Kunstausstellung hingegen verfolgt eine andere Strategie, und erzeugt eine
ästhetisierende Wahrnehmung ihrer Exponate, die sie als Kunst erscheinen lässt.
Diese beiden hier gegenübergestellten Ausstellungsformen schließen sich nicht
grundsätzlich gegenseitig aus. Sie können in unterschiedlichen Anteilen aus
Ausstellungsräumen und -katalogen herausgelesen werden. Jedoch können ihre im
Kern unterschiedlichen Klassifikationskonzepte (Clifford 1988: 226) freigelegt, und
zu analytischen Zwecken voneinander abgetrennt und gegenüber gestellt werden.
So kann das aneignende Moment von Kunstausstellungen, die sich außereuropäischen
Gegenständen widmen, herausgearbeitet werden. 5.2.2. Strategien der Exotisierung und der Assimilierung
In der ethnographischen Ausstellung wird ein Objekt als ein Dokument seiner
Herkunftsgesellschaft präsentiert (Kirshenblatt-Gimblett 1991: 390). Es weist von
sich selbst auf seinen Herkunftskontext, der durch umfassende Texttafeln,
Audioguides, Fotografien oder Führungen repräsentiert werden soll. Die
Bemühungen, durch die Kontextualisierung die Eigenschaften und die
Bedeutungen des Gegen-standes für seine Herkunftsgesellschaft zu erläutern,
können dabei eine Distanzierung des Objektes von seinem Betrachter bewirken.
Denn die so vermittelten kulturellen Bedeutungen des Exponats weichen meist von
der eigenen und bekannten materiellen Kultur des westlichen Betrachters ab. So
wird ein exotisierender Eindruck des gezeigten Materials erzeugt (Karp 1991: 10):
Zwar ist das Exponat als Museumsobjekt im Besitz einer westlichen (meist
staatlichen) Institution, doch bleibt es ein Dokument der Anderen. Eine assimilierende Strategie dagegen hebt die Ähnlichkeit der fremden Dinge mit
der eigenen und bekannten materiellen und geistigen Kultur hervor (ebd.). Eine
solche Strategie liegt der Eingliederung außer-europäischer Artefakte in den
westlich definierten Kunstkanon zugrunde. Die unterschiedlichen kulturellen
Identitäten der Objekte, ihre Bedeutungen und Verwendungen in den
Herkunftsgesellschaften werden verschwiegen, und ihre äußere Ähnlichkeit mit der
bekannten Kunst in den Vordergrund gespielt. Dadurch wird eine rein visuelle
Wahrnehmung der Objekte begünstigt, wie sie für die Wahrnehmung westlicher
Kunstwerke kennzeichnend ist.
Die einflussreiche und nicht unumstrittene36 Ausstellung "»Primitivsm« in 20th
Century Art: Affinity of the Tribal and the Modern"37 (Rubin 1984) kann hier als
Extremfall einer assimilierenden Ausstellungskonzeption angeführt werden (Karp
1991: 12). Zwischen den modernen und den tribalen Künstlern sollten (fiktive)
Verwandtschaftsbeziehungen hergestellt werden, indem die kulturellen
Hintergründe der ausgestellten außer-europäischen Objekte ausgeblendet, und
ihre äußere Ähnlichkeit mit den Werken der Künstler der Moderne in den
Vordergrund gestellt wurde (ebd.). Durch die Konzentration allein auf die äußere
Form konnte den fremden Dingen die bekannte Ästhetik der westlichen Kunst
unterstellt, und somit ein gemeinsamer Nenner (Clifford 1988: 193) geschaffen
werden, der ihre Eingliederung in den Kunstkanon legitim erscheinen ließ. Die Assimilierung fremder Objekte in den Kunstkontext wird in einer
Kunstausstellung also erreicht, indem ein Blickwinkel erzeugt und aufrechterhalten
wird, welcher die Aufmerksamkeit des Betrachters ganz auf die äußeren Qualitäten
der Objekte lenkt, und diesen Qualitäten in einem Idiom der Ästhetik einen die
Perspektive legitimierenden Ausdruck verleiht. 5.2.3. Strategien der visuellen Ästhetisierung
Wie sehr die Strategie einer Ausstellung die Wahrnehmung ihres Inhalts
beeinflusst, versuchte die Kunsthistorikerin Susan Vogel in der Ausstellung
"ART/artifact"38 ihrem Publikum vor Augen zu führen (Vogel 1989)39. Zentrales
Thema der Ausstellung waren die Effekte unterschiedlicher Ausstellungsformen
und deren wechselseitige Beziehungen mit den Erwartungen und Sehweisen des 36 Siehe Clifford 1988: 189-214; siehe auch Jones 1993: 204ff.
37 1984 im Museum of Modern Art (MoMA) in New York.
38 Eröffnet 1988 im Center for African Art in New York.
39 Die Ausstellung muss auch als eine Reaktion auf die Ausstellung "»Primitivism« in 20th Century
Art: Affinity of the Tribal and the Modern" von William Rubin und Kirk Varnedoe verstanden
werden.
Publikums. Vogel veranschaulichte, inwiefern die durch die Ausstellungskonzeption
erzeugten Sehweisen die Wahrnehmung und Sinngebung der ausgestellten
Dinge beeinflussen können (Vogel 1989: 11; Faris 1993: 206). Entsprechend den
fünf thematischen Ausstellungsräumen, welche den Kontexten der Kunstgalerie,
dem afrikanischen Herkunftskontext40, dem Kuriositätenkabinett, dem
naturgeschichtlichen und schließlich dem Kunstmuseum nachempfunden waren,
variierte Vogel die Darstellungsweisen der Exponate (Vogel 1989: 198).
Den Kunstzusammenhang erzeugte Vogel indem sie die afrikanischen Objekte so
zeigte, wie Afrikanische Kunst in einer Galerie oder einem Kunstmuseum
präsentiert wird: Ein weitgehend kahler Raum und nur minimale Informationen zu
den Objekten sollten die Aufmerksamkeit der Betrachter nicht von der rein
ästhetischen Wahrnehmung der Exponate ablenken. Die Objekte wurden jeglichen
Bezuges zu ihrer Herkunft entledigt, räumlich voneinander isoliert und gezielt
beleuchtet präsentiert. So wurde beispielsweise ein zusammengerolltes Jagdnetz
der Azande nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern als ein rein ästhetisches
Kunstwerk ausgestellt. Die Kommentare von Kunstsammlern, welche die
Ausstellung gesehen und bei Vogel und einigen Kunsthändlern die Verfügbarkeit
eines solch "fabelhaften" Jagdnetzes nachgefragt hatten, führt Vogel als Beleg für
die Effektivität dieser Umwandlung an (ebd.). Die Struktur seines Umfeldes hatte
das praktische Jagdnetz ästhetisiert, und zu einem transzendenten Kunstwerk
gemacht. Die Verweigerung der Informationen über Herkunft, Gebrauch,
Bedeutung, Material und Alter des Objektes seitens der Kuratorin, machte es dem
Betrachter unmöglich, sich durch das Objekt eine Vorstellung von seinem
Herkunftskontext zu machen; zugleich zwang diese Isolation dem Betrachter eine
rein visuelle Wahrnehmung des Exponates auf (Alpers 1991: 29), und ermöglichte
ihm nur die Kontextualisierung und Sinngebung des Objektes in seinem
gegenwärtigen Ort: Dass Exponat wurde zu Kunst, weil es in einer
Kunstausstellung als Kunst ausgestellt wurde. Die Loslösung der Objekte von ihrem ethnographischen Hintergrund zielt auf eine
rein perzeptuell-emotionelle Reaktion beim Betrachter ab: Die ästhetischen 40 Der afrikanische Kontext sollte durch ein ungeschnittenes und unkommentiertes Videoband
repräsentiert werden, auf dem der Gebrauch eines Ahnen-Gedenk-Pfostens in einer Feierlichkeit in
einem ostafrikanischen Dorf zu sehen war. Solche Gedenkpfosten waren in allen Räumen der
Ausstellung zu sehen. Ihre tatsächliche Bedeutung jedoch, so Vogel, erschließe sich nur dem
Mitglied seiner Herkunftsgesellschaft (Vogel 1989: 198)
Qualitäten des Kunstwerkes sollen für sich selbst sprechen (Price 1992: 126f.). Die
Vorstellung des rein ästhetischen Wertes eines Kunstwerkes, das allein der visuellen
Kontemplation zu dienen habe, stellt den Kern der westlichen, traditionellen
Konzeption von Kunst dar. Das Kunstwerk gilt – seit Immanuel Kants (1724-1804)
Äußerungen über die Interessenlosigkeit des Wohlgefallens (Kant 1959: 40), und
der von Georg Wilhelm Friedrich Hegel formulierten Erhabenheit der ästhetischen
Empfindung (Hegel 1970: 70f.) – als von jedem praktischen Gebrauchswert frei,
funktionslos und allein seiner ästhetischen Wirkung verpflichtet (Schomburg-
Scherff 1986: 26; Stoller 2003: 210). In dieser Perspektive wird nun auch deutlich,
in welchen Kunstbegriff die Afrikanische Kunst eingegliedert wird: Der westliche
Kunstzusammenhang negiert notwendigerweise die (geistige, materielle, religiöse,
politische, soziale) Instrumentalität der afrikanischen Objekte (Steiner 1994: 159),
um sie der rein visuellen, ästhetischen Bewertung zugänglich zu machen. Der
visuelle Wert, den die Objekte dabei erhalten, ignoriert ihre eigentliche kulturelle
Bedeutung in ihren Herkunftskontexten, und macht sie zum Gegenstand einer
kulturell definierten Form der Praxis der westlichen Gesellschaften – und somit zu
kulturell bedeutungsvollen Objekten unserer Gesellschaft. 5.2.4. Strategien der textlichen Ästhetisierung
Auch durch erläuternde Vitrinentexte und Katalogeinträge wird die
Aufmerksamkeit des Betrachters ganz auf die visuellen Aspekte der Exponate
gelenkt. Hier wird jedoch nicht lediglich das wiederholt, was ohnehin schon zu
sehen ist (Faris 1993: 210). Die Seherfahrung wird vielmehr durch ein begriffliches
Raster geleitet, das einen visuell-ästhetisierenden Zugang zu den fremden Formen
schafft, und so erst einen mentalen Rahmen erzeugt für das, was gesehen werden
kann: 113 Weibliche Wächterfigur
[...] Die kegelförmigen Brüste verstärken den Kontrast
zwischen den kubischen und naturalistischen Tendenzen,
die sich einerseits im walzenförmigen Körper, andererseits
in den muskulösen, mit rundlichen Formen ausgestatteten
Beinen äußern. Das Gesicht ist spitzoval mit vorgewölbter
Stirn. [...] Künstlerisch unbefriedigend ist die Darstellung
der Hände. (Kecskési 1999: 122f.) 114 Männliche Wächterfigur
[...] Ein bedeutendes Beispiel für den überwiegend
geometrisch-kubischen Ngumba-Stil: Hals und Rumpf sind
geradlinig zylindrisch, die eckigen Schultern, die
senkrechten Oberarme und die waagrechten Unterarme
bilden ein geschlossenes Viereck; die massiven Beine weisen – im Gegensatz zum Körper – Rundungen auf.
(Kecskési 1999: 123) Die Texte zu den zwei Objekten (jeweils sogenannte Wächter-oder Reliquiarfiguren
aus dem südlichen Kamerun) geben dem Betrachter den entscheidenden Hinweis,
worauf er in seine Aufmerksamkeit richten soll. Der ästhetische Akzent wird textlich
festgehalten, den Objekten regelrecht zugeschrieben, und erhält somit eine die
Betrachtung anleitende Autorität. Der Blick des westlichen Betrachters tastet die
Oberflächen der Exponate ab, und ordnet ihrer Struktur Begriffe aus dem eigenen
ästhetisch-künstlerischen Vokabular zu: kegelförmig, kubisch, naturalistisch,
walzenförmig, spitzoval, geometrisch-kubisch, zylindrisch, eckig, waagrecht,
Viereck, Rundungen. Dadurch wird die fremde Form der eigenen, kulturell
geprägten Sehweise und Vorstellung von Ästhetik und Kunst zugänglich gemacht41. In der visuellen und textlichen Ästhetisierung bleiben die Sehweisen der
afrikanischen Hersteller und die visuellen Akzente, welche sie unter Umständen auf
völlig andere Aspekte der äußeren Form ihrer Objekte gelegt haben, unzugänglich
und irrelevant. Entscheidend dagegen ist, dass durch die textliche und visuelle
Ästhetisierung dem Betrachter ein "rein ästhetischer" Zugang zu den fremden
Objekten geschaffen wird, welcher die Bewertung und Aneignung der
Gebrauchsgegenstände als Kunst begünstigt. Dass diese "rein ästhetische"
Perspektive keine objektive, natürliche und "unschuldige" Perspektive (Wendl
2004: 36) ist, wird zum einen deutlich, wenn die Verwurzelung des Konzepts der
Ästhetik in der westlichen Kultur-und Geistesgeschichte mitgedacht wird, und zum
anderen, wenn die sozialen und wirtschaftlichen Implikationen des Postulats der
"Ästhetik" in den Prozessen der Kommodifikation afrikanischer Dinge auf dem
Kunstmarkt näher betrachtet werden.
Bis hierher ist jedoch bereits klar geworden, dass Ausstellungen und die ihnen
zugrundeliegenden Strategien entscheidend und praktisch an der Konstruktion und Dieser Übersetzungsarbeit widmete Susan Vogel (zusammen mit dem Fotografen Jerry L.
Thompson) die Ausstellung und den Band Closeup: Lessons in the Art of Seeing African Sculpture.
Ihr erklärtes Ziel war es, einen visuell-ästhetischen Zugang zu afrikanischen Skulpturen durch die
"richtige" Sehtechnik zu schaffen: "Here we shall dissect the order embedded in African sculpture,
cut open the structures, and study the rules of ist strange geometry." (Vogel 1990: 75).
Wahrnehmung Afrikanischer Kunst beteiligt sind. Die Möglichkeit der
Transformation afrikanischer Gebrauchsgegenstände in Kunst ist nicht durch ihre
eigene Herkunft und Identität gegeben, sondern ein Ergebnis der in der kulturellen
Identität der Ausstellung begründeten Strategien, durch welche sie präsentiert
werden (Price 1992: 129). 5.3. Kommodifikation als aneignende Praxis
Durch die aneignenden Diskurse, durch welche der Afrikanischen Kunst die im
Westen relevanten Kunstmerkmale zugeschrieben werden, und die aneignende
Praxis in institutionalisierten Ausstellungen, durch welche diese Kunstqualitäten
realisiert und präsentiert werden, sind die afrikanischen Gegenstände in die
westliche Konzeption von Kunst einbezogen. Ein wichtiges Merkmal dieser
Konzeption ist neben der ästhetischen Bewertung von transzendenten
Kunstwerken, die monetäre Bewertung von Kunst als Ware auf dem Kunstmarkt.
Denn auch die westliche Kunst entstand nicht ohne enge Verbindungen zu einem
Kunstmarkt, der durch wirtschaftliche Anreize die Produktion und die Zirkulation
von Kunstwerken ermöglichte und auf Dauer stellte (Stoller 2003: 212; Errington
1998: 10). Somit ist die Kommodifizierung afrikanischer Objekte auf dem
Kunstmarkt eine logische Konsequenz und ein weiterer Schritt in ihrer
Transformation in Kunst durch aneignende Diskurse und Praktiken. Der Handel
auf dem Markt stellt dabei eine recht konkrete Form der Aneignung dar.
Der Markt für Afrikanische Kunst ist ein eigenes soziales Netzwerk, in dem die den
Kunstobjekten zugeschriebenen Identitäten und Qualitäten bewertet und
mobilisiert werden. So wird nicht nur wirtschaftlicher Wert erzeugt und
ausgetauscht, sondern auch das soziale Netz geknüpft und gefestigt. Zu diesem
sozialen Netzwerk werden die Afrikanischen Kunstwerke in Beziehung gesetzt, und
erhalten so eine individuelle, kulturelle Biographie (Appadurai 1986: 34; Kopytoff
1986). 5.3.1. Der Markt als soziale Arena
In den Markt finden Afrikanische Kunstwerke Eingang, nachdem sie bereits eine
soziale Geschichte (Appadurai 1986: 34) in westlicher Gesellschaft erhalten haben.
Ihnen wurden Qualitäten zugeschrieben, die nun mobilisiert werden, um eine
monetäre Bewertung zu erfahren. Die Biographien der Objekte als Waren werden
also bewertet, und dabei mit den Biographien der mit ihnen Handelnden in
Beziehung gesetzt und interkalibriert (Appadurai 1986: 22; Corbey 1999: 16).
Die Hierarchisierung der Waren durch die Zuschreibung eines Geldwertes verweist
auf die Statushierarchie der Akteure, die mit ihnen handeln: Je höher der Preis
eines Stückes, desto höher das Prestige der mit ihm Handelnden. Das ständige
Element der Konkurrenz um die besten und wertvollsten Stücke, die "wichtigsten"
Sammlungen und den besten Geschmack, macht den Markt für Afrikanische Kunst
zu einer sozialen Arena eines fortgesetzten Statuswettbewerbes, zu einem auf Dauer
gestellten tournament of value (Appadurai 1986: 21).
Mit dem tournament of value formuliert Arjun Appadurai eine allgemeine
Kategorie, durch welche Statusökonomien gesellschaftlicher Eliten beschrieben
werden können, bei denen der Austausch seltener oder wertvoller Güter der
Verbesserung oder Sicherung des sozialen Status der Teilnehmer an diesen
Ereignissen dient (Corbey 1999: 16). Die Logik des Austausches dieser Güter ergibt
sich dabei nicht allein aus dem Zusammenspiel ökonomischer Faktoren wie
Angebot und Nachfrage, sondern wird von sozialen und politischen Faktoren
mitbestimmt (Geschiere 2005: 243). Der Handel mit Afrikanischer Kunst ist jedoch
weniger ein zeitlich und räumlich begrenztes soziales Ereignis, wie es die von
Appadurai verwendete Metapher des Turniers suggeriert, die er in Anlehnung an
den Kula der Massim und die von Jean Baudrillard beschriebene Kunstauktion
formuliert. Zwar stellt die Afrikanische Kunstauktion ein von der Routine der
übrigen Ökonomie abgegrenztes Ereignis dar, das der Gemeinschaft der
Teilnehmenden die Möglichkeit bietet, durch den gemeinschaftlichen Akt des
Handels mit einem begrenzten Korpus an Waren ("authentische" Afrikanische
Kunst) ihr Kastenprivileg zu institutionalisieren (Appadurai 1986: 21). Doch die
Auktion selbst ist nur die letzte und sichtbare Kulmination sozio-ökonomischer
Aushandlungen und Praktiken (Geismar 2001: 25), die im Gegensatz zur Auktion
nicht räumlich und zeitlich begrenzt sind. Der Handel mit Afrikanischer Kunst ist
ein fortgesetzter Prozess sozialer Interaktionen, in deren Verlauf sich die sozialen
Positionen und Beziehungen der Akteure ebenso wandeln, wie die Bewertungen der
gehandelten Objekte, und die Kriterien, anhand derer diese Objekte bewertet
werden.
5.3.1.1. Das Netzwerk der Marktteilnehmer
Neben den unmittelbar am Handel mit Afrikanischen Kunstobjekten beteiligten
Händlern und Sammlern, spielen weitere Akteure eine Rolle in der sozialen Arena
des Marktes. Auktionshäuser42 streben, ihrer Eigenschaft als wirtschaftliche
Unternehmen entsprechend, danach, möglichst große Umsätze durch den Verkauf
möglichst vieler Objekte zu erzielen. Bereits durch die Werbung in ihren Katalogen,
in denen die jeweiligen Lose einer Auktion beschrieben und meist abgebildet sind,
wirken Auktionshäuser auf den Prozess der Wertzuschreibung ein, indem sie eine
Nachfrage für die Objekte und damit erhöhte Wahrscheinlichkeiten ihres Verkaufes
erzeugen (Satov 1997: 237). Auch wissenschaftliche Fachleute der Ethnologie und
Kunstwissenschaften wirken über ihre Publikationen vermittelt auf den Markt und
die Bewertungen und Verkaufswahrscheinlichkeiten seiner Waren ein. Die Tatsache
allein, dass ein bestimmtes Objekt einer wissenschaftlichen Untersuchung "würdig"
ist, steigert seinen Wert für den Markt (ebd.: 226). Dementsprechend werden die
Einschätzungen wissenschaftlich anerkannter Autoritäten in den Katalogen der
Auktionshäuser gezielt eingesetzt, um durch die Demonstration des
wissenschaftlichen Wertes eines Stückes einen erhöhten wirtschaftlichen Wert für
es zu erzeugen (ebd.)43. Kuratoren anthropologischer Museen fechten den Status
der Objekte als Kunst zwar häufig an, doch erzeugen und nutzen sie diesen Status
zugleich, wenn sie in ihren Ausstellungsstrategien die Exponate in einem
Kunstzusammenhang präsentieren, der ein größeres Publikum ansprechen kann,
als es eine ethnographische Ausstellung vermag (ebd.). Auch Museen und ihre
Kuratoren erzeugen so eine Nachfrage für Afrikanische Kunst, und stehen somit in
Beziehung zum Markt. Raymond Corbey, in seiner Untersuchung des Marktes für Afrikanische Kunst in
Brüssel (Corbey 1999), und Jeremy MacClancy, in seiner Untersuchung des
britischen Marktes für "primitive Kunst" aus den 1980er Jahren (MacClancy 1988),
beschreiben die Gemeinschaft der Marktteilnehmer als ein soziales Gefüge aus
mehreren losen, wandelbaren und überlappenden Netzwerken von Händlern und 42 Wie die von Murray Satov untersuchten Auktionshäuser Sotheby´s und Christies´s (Satov 1997).
43 Als eine solche Autorität wirkte William Fagg bewusst auf den Markt ein, als er 1975 (zusammen
mit Hermione Waterfield) im Auktionshaus Christie´s das Tribal Art Department begründete. Seine
Absicht war es, die Wissenschaft in den Markt einzubringen (Satov 1997: 235).
Sammlern44 (Corbey 1999: 14; MacClancy 1988: 166). Der Handel geht einher mit
dauerhaften sozialen Kontakten, gemeinsamen Abendessen und Drinks (MacClancy
1988: ebd.). Solche sozialen Kontakte, in welchen eine Vertrauensbasis zwischen
Händlern und Sammlern geschaffen wird, sind notwendig auf einem Markt, der von
einer andauernden Unsicherheit bezüglich der Bewertung seiner Waren, sowie von
sich rasch wandelnden Moden und Trends gekennzeichnet ist (MacClancy 1988:
165). Um das Vertrauen der Sammler zu gewinnen, sind die Händler also stets
darauf bedacht, einen möglichst guten Ruf aufzubauen. Kunstwerke von höchster
Qualität und "Authentizität" können einem Händler dazu dienen, den eigenen
Status in der Gemeinschaft des Marktes zu verbessern. Nicht nur die Garantie
höchster Qualität für die eigene Ware, die der Händler seinem Kundenkreis gibt
(Corbey 1999: 14f.), sondern auch der demonstrative Erwerb besonders teurer
Stücke, die möglicherweise gar nicht weiterverkauft werden können, festigen die
Position eines ambitionierten Händlers im Wettbewerb um Status und die Gunst
der Sammler (MacClancy 1988: 166).
Das meiste Geschäft findet jedoch direkt unter den Händlern statt (Corbey 1999: 14;
MacClancy 1988: 165). Da die verschiedenen Händler unterschiedliche
Kundenkreise mit verschiedenen finanziellen Möglichkeiten bedienen, sorgt das
ständige Weiterreichen der Objekte unter den Händlern dafür, dass Waren
unterschiedlicher Qualität letztendlich dem richtigen Kunden angeboten werden
können (MacClancy 1988: ebd.). Die meisten der als "wichtig" bezeichneten Stücke
tauchen auf diese Weise nie an der Oberfläche der öffentlichen Auktionen oder in
Galerien auf, sondern werden direkt zwischen den Mitgliedern des sozialen
Netzwerkes von Händlern und Sammlern gehandelt (Corbey 1999: 14). Zugang zu
den nachgefragten und am höchsten bewerteten Stücken des Marktes zu erhalten,
ist also abhängig von der Zugehörigkeit zu einem engen, auf Vertrauen basierendem
sozialen Netzwerk. In diesem Netzwerk werden nicht nur die Waren gehandelt,
sondern auch die das Marktverhalten entscheidenden Informationen über
Entwicklungen auf dem Markt, neueste An-und Verkäufe namhafter Sammler und
Händler, sowie sich wandelnde Bewertungen von Objekten und Objektgruppen
ausgetauscht. 44 Die Händler sind in der Regel selbst auch Sammler, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht
haben.
5.3.1.2. Die soziale Konstruktion von Wert: Auktionen
Die Auktion Afrikanischer Kunst ist ein soziales Ereignis, eine "kollektive Selbstrepräsentation"
(MacClancy 1988: 174) der Händler, Sammler, Gutachter und am
Telefon mitbietender Käufer. Die Anwesenheit gut gekleideter Zuschauer und der
Presse stilisieren dieses Ereignis zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Event
(ebd.).
Der Auktion geht jedoch die Publikation des Kataloges der jeweiligen Versteigerung
voraus. Durch ästhetisierende Farbabbildungen und die textliche Ästhetisierung,
die Angabe der Provenienz45 sowie des geschätzten Wertes der Stücke, wird im
Katalog die Ästhetik der Kunst mit den kommerziellen Qualitäten der Objekte
gekreuzt, um so hohe Preise für die Waren zu erzielen (Geismar 2001: 34)46.
Dem eingehenden Studium des Kataloges folgt ein Besichtigungstermin, bei dem
die Kaufinteressierten die Möglichkeit erhalten, sich einen eigenen Eindruck von
den zur Versteigerung stehenden Objekten zu machen. Haidy Geismar schildert
eine Besichtigung bei Sotheby´s als ein soziales Ereignis, bei dem Champagner und
Wein ausgeschenkt wird und die Objekte mit Fachleuten diskutiert werden
(Geismar 2001: 38ff.)47. Taktisches und soziales Gespür zählt Geismar zu den
Eigenschaften, welche erfolgreiche Käufer bei Auktionen auszeichnen. Denn nicht
nur die Objekte stehen bei der Besichtigung zur Ansicht, auch die offen geäußerten
oder auch ungeäußerten Bewertungen und Kaufabsichten der Mitbietenden können
bei dieser Gelegenheit beobachtet werden, und so in die eigenen Bewertungen mit
einfließen. Offensichtliches Interesse für ein bestimmtes Stück kann zum Beispiel
die Aufmerksamkeit der anderen Interessenten auf dieses Objekt lenken, und so
seinen Preis bei der Versteigerung in die Höhe treiben (ebd.).
Die von Geismar beschriebene Gruppe der Käufer kontrolliert die Zugehörigkeit zu
ihrem geschlossenen Kreis. Kaufinteressierte, welche nicht der engen Gemeinschaft
der etablierten Käufer angehören, werden abfällig als "Touristen" bezeichnet, und
Stücke, welche an solche "Touristen" verkauft werden, gelten der Gemeinschaft als
"verloren" (ebd.). Die meisten Objekte jedoch gehen den Weg der Auktion viele
Male in ihrer westlichen Biographie, und werden von privaten Sammlern an 45 Siehe Kapitel 5.3.2.3.
46 Die Bedeutung der Kataloge geht so weit, dass sie als aufwendige und ästhetische Publikationen
zum Teil selbst als sammelbare Objekte gelten (Satov 1997: 231). Die Rolle der Kataloge als
Werbemittel des Auktionshauses fasst Haidy Geismar wie folgt zusammen: "The catalogue is the
buyer's umbilical cord to the auction room." (Geismar 2001: 34)
47 Die Aussagen Geismars stützen sich auf Beobachtungen bei einer Besichtigung bei Sotheby´s New
York im Jahre 1998.
Museen, von den Museen wieder an Händler, von Händlern wieder an private
Sammler verkauft (ebd.). Die Gruppe der etablierten Käufer kontrolliert also nicht
nur die Zugehörigkeit zu ihr, und damit den Zugang zum spezialisierten Wissen,
von dem ein erfolgreicher Handel auf dem Markt abhängt. Auch die Zirkulation der
Objekte selbst unterliegt der sozialen Kontrolle, und davon abweichende Wege
eines Objektes in die Hände eines "Fremden" werden missbilligt. Diese soziale
Kontrolle schildert Geismar als so weitreichend, dass sogar Absprachen hinter den
Kulissen stattfinden, bei denen festgelegt wird, wer welches Stück bei einer Auktion
zu welchem Preis ersteigern darf oder soll (Geismar 2001: 39f.).
Die Erzeugung eines Gemeinschaftssinnes unter den an einer Auktion
Teilnehmenden stellt eine grundlegende Notwendigkeit dieser Form des Handels
dar, wenn das Ergebnis einer Versteigerung als legitime Wertzuschreibung gelten
soll (Smith 1989: 13). Die auf Auktionen erzielten Preise sind sozial konstruierte
und durch die Gemeinschaft legitimierte Wertzuschreibungen, als Reaktion auf die
Unsicherheiten, welche die Bewertung der Waren nach herkömmlichen Methoden
mit festen Preisen unmöglich machen (ebd.: 52). Die Preise auf dem Markt für
Afrikanische Kunst sind also nicht allein das Ergebnis von Angebot und Nachfrage,
individuellen Bewertungen aufgrund des Wissens der Bietenden um den
ökonomischen Wert der Dinge, sondern immer auch Ausdruck komplexer,
kollektiver Meinungen und Bewertungen der Gruppe, welche die Preise sozial
konstruiert (Velthius 2003: 190; Geismar 2001: 27). Der Handel mit Afrikanischer
Kunst ist also weit mehr als eine Reihe ökonomischer Transaktionen, bei denen
afrikanische Gegenstände zu Waren gemacht, und unter den Bedingungen des
Marktes ausgetauscht werden. Vielmehr erscheint der Markt für Afrikanische Kunst
als eine Ökonomie des Status, die durch die unsichere Grundlage der Bewertung der
Objekte begünstigt wird. Da nur ein hoch spezialisiertes Wissen über die Objekte,
den Markt und seine Gegebenheiten und das soziale Gefüge der Marktakteure eine
zuverlässige Einschätzung der sich wandelnden Bewertungen der Objekte zulässt,
wird dieses Wissen zu einer parallel zu den afrikanischen Objekten gehandelten
Ressource. Der Zugang zu dieser Ressource unterliegt der sozialen Kontrolle durch
die Akteure des Marktes.
Denn der erfolgreiche Handel mit dieser Ressource – der Information über
kommende Trends, Neuerwerbungen von Händlern und Sammlern oder über
steigende und fallende Preise bestimmter Objekte – verspricht einen Gewinn, der
nicht allein finanzieller Natur ist. Auch der durch den erfolgreichen Handel erzielte
Zugewinn an sozialem Prestige innerhalb der Gruppe stellt ein erstrebenswertes
Kapital dar, das wiederum im Handel mit Afrikanischer Kunst strategisch eingesetzt
werden kann.
Werden Afrikanische Kunstwerke für eine solche Statusökonomie durch das
Netzwerk des Kunstmarktes angeeignet, so erhalten die einzelnen Objekte
individuelle Bewertungen, die sich aus der jeweiligen Marktlage und der sich
wandelnden Nachfrage nach bestimmten Bestandteilen ihrer Identitäten und
Qualitäten ergeben. Die so den Objekten verliehenen Werte werden zum festen
Bestandteil ihrer kulturellen Biographie in westlicher Gesellschaft. 5.3.2. Afrikanische Kunst als Ware
Values that can be ascribed to objects is the basic
business of the market. (ein Kurator48) Für die afrikanischen Gegenstände stellt ihr Eintritt in den Markt für Afrikanische
Kunst diejenige Phase ihrer westlichen Biographie dar, in der sie kulturell als
Waren markiert werden (Kopytoff 1986: 64). Das einzelne Objekt der Afrikanischen
Kunst wird mit den anderen auf dem Markt gegenwärtig oder in vergangenen
Zeiten gehandelten Afrikanischen Kunstwerken kommensurabel, und erhält einen
in Geld bemessenen Wert. Der Preis des Objektes gibt seinen Status innerhalb der
Warengruppe der Afrikanischen Kunst an, und ist Ausdruck der für den Markt
relevanten Aspekte seiner Identität: Alter, Authentizität und Herkunft werden zu
Qualitäten des Objektes, die für seine Bewertung als Ware ebenso von Bedeutung
sind, wie seine ästhetische Gestaltung.
Die Identität eines Objektes wird also im Moment seiner Kommodifikation zu einer
Ressource, deren auf dem Markt nachgefragte Bestandteile selektiert und unter
Umständen manipuliert49 werden, um einen möglichst hohen Wert für die Ware 48 Zitiert nach Satov 1997: 237.
49 Christian Feest schildert einen besonders spektakulären Fall des Marktes für außer-europäische
Kunst, in dem die Herkunft eines Museumsobjektes zum Zweck seines möglichst profitablen
Verkaufs gefälscht wurde (Feest 1998). Einer Maske aus dem Dresdner Völkerkundemuseum wurde
von einem amerikanischen Händler eine falsche Herkunft und Provenienz zugeschrieben. Um sie
der Nachfrage eines kaufinteressierten Sammlers anzupassen, beschrieb er sie als aus dem Kodiak
Archipel vor Alaska stammend, und fügte eine falsche Provenienz aus dem Besitz James Cooks
hinzu, der sie angeblich 1778 dort eingesammelt haben sollte. Obwohl Feest und der Sammler
Edmund Carpenter ihre Zweifel an dieser Herkunft äußerten und dem Auktionshaus mitteilten,
erzielte die Maske bei ihrer Versteigerung bei Sotheby´s New York im Jahre 1997 einen Rekordpreis
von 525.000 US-Dollar (ebd.: 269).
(Stoller 2003: 225; Geismar 2001: 26), und somit möglichst große wirtschaftliche
und soziale Gewinne für die mit ihr Handelnden zu erzeugen. Die von westlichen
Fachleuten zugeschriebenen Qualitäten werden mobilisiert, um sie strategisch auf
dem Markt einsetzen zu können. 5.3.2.1. Das Prestige der Ethnizität auf dem Markt
Denn wo sonst unter den vielen schnitzenden
Stämmen [als bei den "Yoruba" im südwestlichen
Nigeria] bekam man eine perfekte Plastik von
knapp 30 Zentimetern Größe für zweihundert bis
dreihundert Mark? Für gleichgroßes Baule
musste man das fünf-bis zehnfache anlegen, für
gleichgroßes Kongo mindestens das
zwanzigfache. (Mareidi und Gert Stoll50) Eine erste Gliederung des Warenkorpus in verschiedene Preissegmente ergibt sich
bereits aus der Klassifikation der Afrikanischen Kunst in unterschiedliche
"Stammesstile". Die "ethnische" Herkunft eines Stückes wird zu einem seinen
Tauschwert bestimmenden Merkmal. Das Prestige der "Stämme" auf dem Markt
wirkt sich auf die Nachfrage und die Preise aus: "Klassische" Stämme (wie zum
Beispiel die "Dan" der Republik Elfenbeinküste) werden von solchen unterschieden,
deren Kunst eher als volkstümlich und daher weniger "hoch" geschätzt wird (wie
die "Yoruba" Westnigerias) (MacClancy 1988: 173). Die "ethnische" Identität eines
Objektes kann seine Bewertung auf dem Markt soweit bestimmen, dass es trotz
minderer ästhetischer Qualität, allein aufgrund seines stark nachgefragten
"Stammesstils" einen höheren Preis erzielt, als ein qualitativ hochwertigeres Stück
eines "Stammes", der weniger Ansehen bei westlichen Sammlern genießt (ebd.).
Das Prestige der verschiedenen "Stämme" und die Nachfrage nach ihrem Stil kann
sich jedoch im Laufe der Zeit verlagern. Moden und Trends führen zu
Schwankungen in der Beliebtheit und den Preisen einzelner "Stammesstile", und
neue und bislang vom Markt "unentdeckte" "Stämme" können eine rasante
Konjunktur erleben (Eisenhofer und Guggeis 2002: 34). Diese Moden können sich
durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergeben, oder auch das
Ergebnis gezielter Steuerungen der Akteure auf dem Kunstmarkt sein. Durch die 50 1988: 66.
Bewerbung vormals unbekannter Objekte in Hochglanzkatalogen und in
Ausstellungen (ebd.; Steiner 1991: 41ff.), oder durch strategisches und
antizyklisches Kaufen großer Mengen eines bestimmten Objekttypus, und den
Verkauf dieser Sammlung zu einem günstigen Zeitpunkt und zu einem (unter
Umständen künstlich erzeugten) hohen Preis, kann die Nachfrage erzeugt und
gesteigert werden (MacClancy 1988: 173).
Die unter den Umständen einer stark vereinfachten Vorstellung des
Zusammenhanges von kultureller Identität des Herstellers und der formalen
Gestaltung seines Produkts formulierten "Stammesstile", werden durch die
Praktiken des Marktes zu den Warenkorpus gliedernden "Marken", welche durch
die konjunkturabhängigen Schwankungen ihrer Nachfrage das dynamische
Moment des Marktes erhalten. 5.3.2.2. Das Problem der "Authentizität"
Das Kriterium der "Authentizität" erhält auf dem Markt eine besondere Brisanz:
Wenn die Händler und Sammler nicht sicher sein können, was original, alt und
"authentisch" ist, oder was zu neu ist um "echt" zu sein oder gar eine Fälschung,
investieren sie kein Geld (MacClancy 1988: 171). Die größte Gefahr auf dem
unsicheren Markt liegt darin, einer Fälschung auf den Leim zu gehen, und damit die
finanziellen und sozialen Investitionen zu ruinieren.
Aufgrund der Schwierigkeiten, die Dichotomie von Original und Nachahmung auf
die Afrikanische Kunst anzuwenden51, gilt als Minimalkonsens der Definition einer
Fälschung ein Objekt, das mit der Absicht zu täuschen hergestellt oder manipuliert
worden ist (Sieber 1994: 22). Die Täuschung kann allein durch die Manipulation
der Biographie eines Objektes hervorgerufen werden: Ihm wird eine falsche
Herkunft zugeschrieben, ein falsches Alter, der Gebrauch in einem "traditionellen"
Handlungszusammenhang. Oder aber es werden an den Objekten selber Spuren
ihres Alters und ihres Gebrauchs imitiert. Die so begehrte Patina ist also noch kein
hinreichender Beweis dafür, dass ein Stück alt ist und auch tatsächlich in einem
"traditionellen" afrikanischen Kontext gebraucht wurde. Künstliche Patina zum 51 Stücke, die im "traditionellen" "Stammesstil" hergestellt wurden, sind – streng genommen –
Nachahmungen bereits existierender älterer Stücke. Dennoch gelten sie nicht als Fälschungen,
sondern im Gegenteil als begehrte "authentische" Stücke. Auch Objekte, die gezielt für den
Touristenmarkt als billige Souvenirs hergestellt werden, sind Nachahmungen, die jedoch nicht als
qualitativ hochwertige und "authentische" Stücke gelten. Fälschungen sind sie jedoch nicht (Sieber
1994: 22). In einigen Traditionen kann auch die Nachahmung eines besonders gelungenen Stückes
als Ehrerbietung an einen anderen Schnitzer gelten, und stellt somit einen Bestandteil der
"authentischen" Kunsttradition dar (Kasfir 1992: 46).
Zweck der Täuschung der Marktteilnehmer wird Objekten von afrikanischen ebenso
wie von europäischen Zwischenhändlern zugefügt (Steiner 1994: 106). Und auch
das Fehlen exzessiver Gebrauchsspuren muss nicht notwendigerweise auf eine
Fälschung hinweisen: Die vielen unterschiedlichen Arten von Gegenständen, die auf
dem Markt als Afrikanische Kunst gehandelt werden, erfuhren in ihren
Herkunftsgesellschaften völlig unterschiedliche Behandlungen, und weisen daher
unterschiedliche Gebrauchsspuren auf. Während eine nigerianische ere ibeji-Figur
unter Umständen jede Woche gewaschen, eingerieben und beopfert worden ist, und
so eindeutige Abnutzungsspuren aufweist, kann eine Tanzmaske unter Umständen
nach jedem Gebrauch gesäubert und neu bemalt worden sein, und so nicht dem
westlichen Verlangen nach Patina genügen (Cole 1976: 22).
Die zentrale Rolle des Kriteriums der "Authentizität" auf dem Markt für
Afrikanische Kunst gibt zum einen Aufschluss über die Nachfrage westlicher
Sammler nach Stücken, die ihre Vision vom "traditionellen" Afrika repräsentieren.
Andererseits bewirkt das Authentizitätsdogma des Marktes auch, dass der Korpus
an handel-und sammelbaren Afrikanischen Kunstwerken begrenzt bleibt. Ähnlich
wie der Tod eines namhaften europäischen Künstlers die Menge an Kunstwerken
mit seiner Signatur auf dem Kunstmarkt beschränkt, schränkt auch die Vorstellung,
die europä-ische Kolonisation sei der "Tod" traditioneller afrikanischer Kulturen
gewesen, das Angebot an materiellen Erzeugnissen dieser Kulturen auf dem Markt
ein (MacClancy 1988: 170). Ein begrenztes Angebot an Objekten, die ein stark
nachgefragtes Kriterium erfüllen, kann hohe Preise auf dem Markt erzeugen. Der
Diskurs über die "Echtheit" einzelner Objekte oder ganzer Objektgruppen wirkt sich
auf die Nachfrage nach diesen Objekten und ihre Preise aus. Die Konstruiertheit der
"Authentizität" der Afrikanischen Kunst wird dann deutlich, wenn zuvor nicht
sammel-und handelbare Objekte durch eine Neubewertung ihrer "Authentizität" zu
nachgefragten Waren werden, und Eingang in die somit ausgeweitete Kategorie der
Afrikanischen Kunst finden52. 52 Christopher B. Steiner schildert die Kommodifizierung von Steinschleudern der "Baule" durch
einen italienischen Geschäftsmann in der Republik Elfenbeinküste, der den Schleudern eine
vorkoloniale Authentizität zuschrieb, und seine umfassende Sammlung in einem Hochglanzband
veröffentlichte. Dadurch entstand auf dem lokalen Kunstmarkt eine enorme Nachfrage und ein
Preisanstieg für diese Objekte (Steiner 1991: 41; 1994: 111-119).
5.3.2.3. Die Lösung des Problems: Die soziale Patina
Damit ein Objekt der Afrikanischen Kunst auf dem Markt gehandelt werden kann,
muss es als authentisch gelten. Daher sind solche Stücke, die eine Provenienz
aufweisen können, besonders begehrt. Dabei bezieht sich die Abstammung der
Objekte jedoch nicht auf ihren afrikanischen Ursprung, sondern auf ihre Biographie
in westlicher Gesellschaft. Als Stücke mit Provenienz werden solche Objekte
bezeichnet, die bereits seit mehreren Jahrzehnten, bevorzugt seit dem Ende des 19.
oder den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts im Besitz möglichst prominenter
westlicher Sammler oder Museen sind (Eisenhofer und Guggeis 2002: 34).
Das aus der westlichen Kunsttradition stammende und seit der Produktion von
Auktionskatalogen etablierte (Satov 1999: 224) Konzept der Provenienz, gibt den
Marktteilnehmern Auskunft über die vorhergehenden Besitzer, im Idealfall bis hin
zum ursprünglichen Erwerber des Objektes, der es auf afrikanischem Boden
eingetauscht, gekauft oder auch geraubt hat, sowie über die bisherigen
Publikationen und Ausstellungen, in denen das Objekt gezeigt und besprochen
wurde (Stoller 2003: 214; Price 1992: 154). Die Provenienz belegt also die für den
Markt relevante Herkunft eines Objektes, indem eine nachvollziehbare historische
Sequenz des Besitzes an ihm konstruiert wird, die mit seinem ersten weißen
Besitzer beginnt53. Nicht nur dient ein solcher "Stammbaum"54 zum Nachweis des
hohen Alters und damit der Authentizität eines Stückes. Die Auflistung der (im
Idealfall) namhaften Vorbesitzer des Objektes gibt den Marktteilnehmern darüber
hinaus einen Hinweis darauf, welchem gesellschaftlichen Kreis von Sammlern sie
sich im Falle des Erwerbs eines Stückes rückblickend hinzugesellen würden (ebd.).
Der gute Ruf eines prominenten Vorbesitzers, der mit seinem anerkannt guten
Geschmack als Garant für die Qualität des Objektes und die Legitimität seines
hohen Preises auf dem Markt fungiert, hinterlässt eine Art sozialer "Patina" auf dem
Objekt (MacClancy 1988: 170). Der Stammbaum eines Objektes wird so selbst zu
einem nachgefragten Bestandteil seiner Identität. Die Provenienz eines Stückes, das 53 Ausnahmen stellen die bereits genannten Werke namentlich bekannter Hersteller dar (siehe
Kapitel 5.1.2.2.), sowie Objekte, die aus dem Besitz afrikanischer Königshäuser und anderer
identifizierbarer afrikanischer Autoritäten stammen (Price 1992: 155).
54 Den in diesem Zusammenhang häufig verwendeten Begriff "Stammbaum" (engl. pedigree), als
einen aus der Tierzucht stammenden Begriff, nimmt Christopher B. Steiner zum Anlass, von der
"Domestikation" der afrikanischen Artefakte zu sprechen: In ihrem ursprünglichen, wilden und
unentdeckten Zustand sind die afrikanischen Objekte ohne Bedeutung, roh und ohne Wert für
europäische Sammler; erst durch die "Zähmung", die Aneignung durch kontrollierte Reproduktion
des Besitzes an ihr, wird die Afrikanische Kunst in die breitere Kategorie der Kunst eingefügt
(Steiner 1994: 124).
einst im Besitz eines bekannten Kolonialbeamten, Missionars, Sammlers oder am
besten eines berühmten europäischen Malers der Moderne (wie z.B. Maurice de
Vlaminck) war, steigert den Wert des Stückes enorm55. Ein ähnliches Objekt
gleicher Herkunft, vielleicht sogar aus der Werkstatt desselben Herstellers, über
dessen Besitzbiographie in westlicher Gesellschaft nichts bekannt ist, wird auf dem
Markt eine wesentlich niedrigere Bewertung erfahren (Steiner 1994: 122).
Zu mehr als lediglich einem Bestandteil der Identität eines Objektes wird die
Provenienz dann, wenn seine gesamte Identität durch seine Herkunft aus einer
berühmten Sammlung bestimmt wird. Die "Lester Wunderman Collection" (Stokes
1999: 10), die "James Hooper Collection" (Satov 1997: 224) oder die "Saul and
Marsha Stanoff Collection"56 werden zu identitätsstiftenden Rahmen für
afrikanische Gegenstände unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft,
Bedeutung und Qualität. Ihre heterogene afrikanische Herkunft wird mit einer
neuen, westlichen Herkunft und Identität überschrieben. Der Bekanntheitsgrad des
namhaften Sammlers garantiert für die "Wichtigkeit" und Prominenz der
verschiedenen Stücke, deren Marktwert mit dem Grad der Prominenz ihres
"Namensgebers" steigt. Die Assoziation der Sammlerstücke mit der sozialen Gruppe
der Sammler kann einen größeren Einfluss auf ihre Bewertung auf dem Markt
haben, als ihre ästhetischen Qualitäten. Am Konzept der Provenienz wird besonders deutlich, wie den Objekten der
Afrikanischen Kunst durch die Betonung ihres Weges durch unsere Gesellschaft
Werte zugeschrieben werden, die sich nicht aus ihrem Materialwert oder der
Wertschätzung ihrer ästhetischen Gestaltung erklären lassen. Ihr hoher Wert auf
dem Markt ergibt sich und wird legitimiert durch ihre Eingliederung in eine für uns
nachvollziehbare historische und soziale Sequenz, repräsentiert durch die Abfolge
namentlich bekannter Vorbesitzer. Die nachgewiesene Migration eines Objektes
durch die Hände prominenter Mitglieder der westlichen Gesellschaften bestimmt
seinen Wert. Dabei steigt mit der Höhe des sozialen Status der Vorbesitzer auch der
Preis den ein Käufer bezahlen muss, um sich diesem elitären Kreis hinzugesellen zu
können. Ein in solchen Kreisen gehandeltes Afrikanisches Kunstwerk erhält einen
Zeichenwert, der nicht allein auf seine afrikanische Herkunft – in welcher Weise 55 Siehe die im Vorwort erwähnte Skulptur der Bamum, deren Provenienz nicht nur den
französischen Maler Vlaminck beinhaltet, sondern in der darüber hinaus auch über die Möglichkeit
einer Begegnung Picassos mit der Figur spekuliert wird.
56 Siehe Vorwort
diese bei den jeweiligen Sammlern auch vorgestellt sein mag – verweist. Als ein mit
westlich-prominenter Identität beladenes Statussymbol verweist es darüber hinaus
auch auf den sozialen Rang seines Besitzers. Dadurch, dass einem Objekt die
Identitäten seiner Vorbesitzer angeheftet sind, kann sich ein Sammler durch seine
Sammelstrategie innerhalb der elitären Gruppe der Sammler verorten. So stellen
die Afrikanischen Kunstobjekte Zeichen dar, die auf den sozialen Raum der mit
ihnen Handelnden und sie Sammelnden verweisen. Als solche zirkulieren die
Objekte durch diesen sozialen Raum. Der enge Kreis der Sammler im
Hochpreissegment des Marktes sammelt also nicht nur Afrikanische Kunst mit
Provenienz, sondern auch, gewissermaßen, sich selbst. 5.3.2.4. Die neue Identität Afrikanischer Kunstwerke als Waren
Als Waren auf dem Kunstmarkt erhalten die Afrikanischen Kunstwerke eine neue
kulturelle Identität. Sie sind längst keine Gebrauchsgegenstände mehr, aus
religiösen, gesellschaftlichen oder politischen Handlungs-und
Vorstellungszusammenhängen ihrer afrikanischen Herkunftsgesellschaften,
sondern Liebhaberstücke, kuriose Sammlerstücke und – im oberen Preissegment
des Marktes – Prestigeobjekte, Zeichen sozialer Distinktion der westlichen
Gesellschaften. Die auf dem Markt bewerteten Aspekte ihrer "afrikanischen"
Identität (ihr "Stammesstil", ihre "Bedeutung" als "Ahnenfigur" oder auch
"Fetisch") verweisen, wie die Geschichte der westlichen Rezeption afrikanischer
Artefakte gezeigt hat, nicht auf afrikanische Realitäten, sondern auf westliche
Imaginationen, Projektionen und auch Fiktionen. All diese "afrikanischen"
Bestandteile der Objektidentitäten müssen im Verhältnis ihrer Beziehung zum
Markt verstanden werden. Denn hier werden diese Kriterien der Objekte
nachgefragt und durch die Preise, die Marktakteure bereit sind zu bezahlen,
bewertet.
Über die Zuschreibung einer "reinen Ästhetik" hinaus, erhalten die Objekte so
durch ihren Warenstatus eine "kommerzielle Ästhetik" (Steiner 1994: 158). Der
Preis, den ein Objekt einmal auf dem Markt erzielt hat, wird zu einem festen
Bestandteil seiner Identität (Feest 1998: 288). Somit stellt die Preisgenerierung auf
dem Markt einen Akt der Signifikation dar, durch den eine Reihe von Bedeutungen
eines Kunstwerkes ausgedrückt werden können (Velthius 2003: 181). Eine
Zwillingsfigur ere ibeji, die "für zweihundert bis dreihundert Mark" (Stoll und Stoll
1988: 66) gehandelt wird, hat für die westlichen Marktteilnehmer eine signifikant
andere Bedeutung, als eine für 1,6 Millionen Dollar versteigerte figurale Plastik57.
Einmal erzielte Preise werden auf dem Markt stets mitgedacht. Als Bestandteil
individueller Objektidentitäten bieten die Preise den Marktteilnehmern Anhaltsund
Orientierungspunkte in einer Warensphäre, die in Bezug auf die Qualitäten der
Waren nur schwer einzuschätzen ist, und in der darüber hinaus die Informationen
ungleich verteilt sind (Velthius 2003: 186; MacClancy 1988: 164). Zugang zu diesen
Informationen erhält man durch die Sozialisation im Netzwerk der
Kunsthandelnden. Durch das damit einhergehende Erlernen der Konventionen zur
Preissetzung, können die Preise "gelesen" und entsprechend gedeutet werden
(Velthius 2003: 184).
Neben der kommerziellen Ästhetik erhalten die Objekte auch eine "soziale
Ästhetik", wenn sie mit Hilfe ihres "Stammbaums" mit dem sozialen Raum der
Kunstsammler und –händler assoziiert werden. Denn die monetären Bewertungen
der Objekte ergeben sich nicht allein aus der Logik des Marktes, sondern sind auch
als ein Produkt sozialer Aushandlungsprozesse zu verstehen, in deren Verlauf die
Identitäten der Objekte ebenso wie die Identitäten der Handelnden in die
Waagschale gelegt werden: "Wichtige" Stücke mit gutem Ruf und wichtige Händler
und Sammler mit gutem Ruf bedingen sich so gegenseitig (Corbey 1999: ebd.). Die Eingliederung der Afrikanischen Kunst in den europäischen
Kunstzusammenhang geht also weit über die Zuschreibung eines ästhetischen
Wertes und die Realisation der ästhetischen Wahrnehmung hinaus. Selbst der beste
Sinn für "reine Ästhetik" eines Kunstkenners kann diese fremden Dinge nicht
sinnvoll in der wirtschaftlichen und sozialen Geographie der westlichen Kunstwelt
verorten. So müssen die afrikanischen Gegenstände auf dem westlichen
Kunstmarkt neue Identitäten erhalten, welche ihre alten afrikanischen Identitäten
völlig überschreiben. Der Prozess der Identifikation, der Zuweisung einer Identität,
bezieht zwar die im Westen imaginierten afrikanischen Identitäten der Objekte mit
ein, doch resultiert er in der Zuschreibung dezidiert westlicher Qualitäten,
Merkmale und Bewertungen. "Stammesstile", "Authentizität", Provenienzen und
Preise sind westliche Kategorien des Kunstzusammenhanges. Diese als
Qualitätsmerkmale afrikanischen Objekten zuzuschreiben, und auf dieser 57 Siehe Vorwort.
Grundlage Bewertungen vorzunehmen, verweist in keiner Weise auf "Afrika",
sondern allein auf unsere Gesellschaften. Schluss: Afrikanische Kunst – Konturen und Reichweite einer westlichen Konzeption Wie aus afrikanischen Gebrauchsgegenständen Sammlerstücke westlicher
Liebhaber wurden, kann nur im historischen Rückblick begriffen werden. Obwohl
der Moment der ersten "Entdeckung" des ästhetischen Wertes afrikanischer
Artefakte zeitlich relativ genau bestimmt werden kann, geht diesem
Perspektivwechsel eine lange Geschichte der Bedeutungszuschreibungen an
afrikanische Objekte voraus. Auf diesen historisch gewachsenen Konnotationen der
Objekte für ihr westliches Publikum liegt ihre Transformation in Afrikanische Kunst
auf: Gerade weil negative Stereotype wie "Primitivität" und "Ursprünglichkeit" um
afrikanische Objekte herum gebildet wurden, faszinierten sich die
zivilisationsmüden und gesellschaftskritischen Künstler des frühen 20.
Jahrhunderts so für diese Dinge. Durch die Verleihung des künstlerischen Akzents
wurden diese Konnotationen nicht hinterfragt oder ausgelöscht, sondern lediglich
durch eine weitere westliche Projektion überlagert. Die historische Migration afrikanischer Gegenstände durch die Hände und Köpfe
ihrer westlichen Rezipienten hinterließ an den Objekten Schichten von
Bedeutungen, aus denen im Laufe der Zeit ein Bedeutungsgewebe gesponnen
wurde. Dieses Bedeutungsgewebe ist die westliche Konzeption der Afrikanischen
Kunst. Dem westlichen Betrachter ist es im Grunde nur innerhalb dieses Gewebes
möglich, Afrikanische Kunst zu "verstehen" und sinnvoll zu denken. Denn alle
durch ein Exponat einer Ausstellung des Völkerkundemuseums oder durch ein
Kunstwerk in einer Galerie evozierten Vorstellungen des "traditionellen" Ursprungs
dieser Dinge – aus dem "echten" Afrika, mit seinen "Stämmen" und
"ursprünglichen" Religionen – bleiben stets in diesem Gewebe verfangen. Sie
dringen nicht bis zu den tatsächlichen Bedeutungen dieser Gegenstände für die
Menschen die sie hergestellt und benutzt haben vor. Diese tatsächlichen
Bedeutungen eines Objektes sind nicht Inhalt der Konzeption der Afrikanischen
Kunst, da die Deutungsmacht dieser Konzeption allein im Westen liegt, und die
Stimmen der Hersteller und Verwender unserer Museumsobjekte und
Sammlerstücke meist längst verstummt sind. Die Afrikanische Kunst ist also ein Artefakt des Westens. Die Gegenstände selbst
wurden zwar in Afrika hergestellt, doch alle in unserer Wahrnehmung mit ihnen
verbundenen Bedeutungen entstanden im Westen. Die Konturen der Konzeption
der Afrikanischen Kunst reichen so von Vorstellungen des "traditionellen" Afrika,
der "ursprünglichen" Geistesverfassung der Hersteller der Objekte, die ungetrübt
von westlichem Einfluss die Objekte für ihren "Stamm" herstellten, bis hin zur
Bedeutung der Afrikanischen Kunst für die kulturelle Institution des Museums,
oder für die Statusökonomie des Marktes, wo die Objekte als Kunst für die Zwecke
westlicher Akteure instrumentalisiert werden. All diese Bedeutungen sind
Bestandteil der Afrikanischen Kunst. Die Afrikanische Kunst zu verstehen bedeutet also, das Feld in dem sie zu
Bedeutung gelangt zu betrachten. Dieses Feld liegt zwischen dem Westen und
Afrika, zwischen "Uns" und "den Anderen", und besitzt auch eine zeitliche
Ausdehnung.
Dass dieses Feld von asymmetrischen Machtverhältnissen gekennzeichnet war und
immer noch ist, und dass das Sammeln von außer-europäischer Kunst ein
hegemoniales und im Grunde koloniales Unterfangen ist (Dutton 1995: 38), stand
stets im Hintergrund, jedoch nicht im Zentrum meines Interesses. Diese Arbeit ist
aus einer kritischen Grundhaltung heraus entstanden, und mit dem Bewusstsein für
die moralische und politische Problematik der geteilten Geschichte Europas und
Afrikas. Dennoch möchte ich in dieser abschließenden Zusammenfassung nicht
polemisch zur Rückführung sämtlicher afrikanischer Gegenstände, die seit einem
Jahrhundert fälschlicherweise als "Kunst" missverstanden werden, in ihre
afrikanischen Herkunftsgesellschaften aufrufen. Mein Ziel war es nicht, dem Westen die Verwerflichkeit seines Umgangs mit
afrikanischen materiellen und geistigen Kulturen vorzuhalten, sondern selbst zu
verstehen, was Afrikanische Kunst ist. Dies habe ich ethnologisch ergründet, und
dabei notwendigerweise über die kunstethnologische Perspektive hinausgeblickt.
Denn der "ethnologische" Aspekt der Kunstethnologie wird leider oft daraus
hergeleitet, dass ihr Untersuchungsgegenstand aus "ethnologisch relevanten"
Zusammenhängen stammt: Sogenannte nicht-westliche, vor-moderne oder
schriftlose Gesellschaften und Kulturen mit ihren materiellen Hervorbringungen
stehen im Mittelpunkt des traditionellen kunstethnologischen Interesses (Gell
1998: 1). Wenn ich den Ansatz dieser Arbeit unter Verwendung des Wortes "Kunst"
formulieren müsste, so bestenfalls als eine "Ethnologie der Afrikanischen Kunst".
Denn wenn die Ethnologie eine Sozialwissenschaft ist, die Kultur in ihren sozialen
Manifestationen untersucht, so findet sich ein ethnologischer Zugang zur Kunst,
indem sie als eine Form sozialen Handelns verstanden wird. Die gesellschaftlichen
Kontexte der Produktion, Rezeption, Zirkulation, Kommodifikation und des
Konsums von Kunst rücken so in den Blick (ebd.: 3). Im Falle der Afrikanischen
Kunst bedeutet dies, dass gesellschaftliche Prozesse der Sinngebung, der
Zuschreibung von Ästhetik und anderen Kriterien des westlichen
Kunstzusammenhanges, die Rezeptionsseite der Afrikanischen Kunst, sowie die
Kommodifizierung und Zirkulation der Kunst auf dem Markt betrachtet werden
müssen. Die Afrikanische Kunst tritt so als Ergebnis einer kulturellen Aneignung in
Erscheinung.
Aneignungen der Afrikanischen Kunst jedoch, die in dieser Arbeit leider keinen
Platz gefunden haben, gäbe es noch viele zu untersuchen. Die Afrikanische Kunst
bleibt in Bewegung, "neue" und neue "alte" Objekte finden Eingang in die Diskurse
und Praktiken der westlichen Kunstwelt, der Markt lebt von einem ständigen
Wandel der Moden und Nachfragen, die wissenschaftlichen Forschungen gehen
ständig voran. Und auch Afrika hat ein Interesse an der Afrikanischen Kunst. Als afrikanische Aneignung der Afrikanischen Kunst könnte vielleicht die
Problematik der Repatriierung afrikanischer Kulturgüter in ihre
Herkunftsgesellschaften untersucht werden, wenn staatliche Institutionen
afrikanischer Nationen die Museumsobjekte und Sammlerstücke aus den
westlichen Beständen zurückfordern, dabei jedoch nicht auf eine
Rekontextualisierung der Gebrauchsgegenstände in ihre ursprünglichen
Verwendungszwecke abzielen, sondern diese Dinge als Kunstwerke,
Museumsobjekte und Zeichen nationaler Identität und nationalen Stolzes begehren,
um sie in ihren eigenen musealen Tempeln zur Schau zu stellen.
Eine andere Form der afrikanischen Aneignung der Afrikanischen Kunst ist der
Umgang mit diesem Konzept auf dem gegenwärtigen Kunstmarkt in Afrika (Steiner
1994), und seinen bis in die USA und nach Europa hineinreichenden Netzwerken
(Stoller 2003). Die Holzschnitzer und Händler in Afrika haben die westliche
Nachfrage nach Afrikanischer Kunst längst wahrgenommen, und bedienen diese
Nachfrage gekonnt. Touristen und Ausländer suchen in den urbanen Zentren
Afrikas nach Afrikanischen Kunstwerken als Souvenirs, zur Dekoration oder auch
für ihre Sammlungen. Dabei werden Qualitäten wie "Authentizität" oder
"Stammesstile" nachgefragt. Die Schnitzer und Händler haben diese Merkmale
Afrikanischer Kunst übernommen, und schreiben sie den zum Teil alten,
größtenteils aber neuen und in großen Mengen hergestellten Schnitzwerken zu, um
sie im täglichen Geschäft mit ihrer Kundschaft zu mobilisieren und gewinnbringend
verkaufen zu können. Die Auseinandersetzung mit diesem Kunsthandel wirft
weitreichende Fragen auf. Denn die so hergestellten und gehandelten Objekte
können weder als rein afrikanische, noch als nur westliche Hervorbringungen
gesehen werden. Durch die afrikanische Aneignung der westlichen Konzeption der
Afrikanischen Kunst entsteht eine völlig neue Objektkategorie mit einer hybriden
und vielschichtigen Identität. Das anhand nach Europa importierter Objekte aus
Afrika konzipierte Konstrukt der Afrikanischen Kunst wird in Afrika aufgegriffen.
Dort werden den westlichen Vorlieben entsprechend Objekte hergestellt, die
wiederum zurück nach Europa und in den Westen importiert werden. Welche
komplexen kulturellen und sozialen Objektbiographien und Objektidentitäten sich
dadurch ergeben, bleibt in einem anderen Rahmen zu erörtern. Die sozialen und kulturellen Biographien und Identitäten der Afrikanischen
Kunstwerke müssen im Westen nicht verschwiegen werden. Im Gegenteil. Dass der
Westen sich die Afrikanische Kunst zueigen macht, ist eine Tatsache. Aus der
Geschichte dieser Aneignungen Wert zu schöpfen könnte bedeuten, den physischen
und intellektuellen Weg, den die afrikanischen Objekte durch die westlichen
Gesellschaften zurückgelegt haben, als Teil ihrer Bedeutung für unsere Gesellschaft
offen zu legen. Denn die Objekte sind nur in westlicher Imagination Zeugnisse des
unberührten Lebens afrikanischer Naturvölker. Tatsächlich bezeugen sie die
historischen Interaktionen zwischen dem Westen und Afrika, ihren positiven und
negativen Folgen. Alles spricht dafür, diese Geschichte anhand der Objekte zu
erzählen, in Ausstellungen, die die sozialen, kulturellen und politischen Umstände
ihrer Entstehung nicht leugnen, sondern zu einem Teil ihrer Aussage machen.
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