Wie kam es dazu, dass ich Ihnen diese Bilder über Kamerun zeigen darf?
In einem Gespräch mit A.Schlothauer im Herbst 2008 erzählte ich ihm, dass wir Weihnachten 2008 nach Kamerun zu einer Totenfeier in das kleine Kameruner Königreich Bawum eingeladen sind. Er war sofort begeistert von der Idee einen Bildervortrag über diese für Europäer doch recht ungewöhnliche Erfahrung zu halten. Er meinte, es gäbe wohl wenige Leute, auch unter "Afrikafreunden", die eine persönliche Erfahrung mit dem zentralen Ritus afrikanischer Totenfeiern haben.
Das Spannende für uns war einerseits die Begegnung mit den kunstvollen Objekten, die wir sonst nur aus Museen und Sammlungen kennen, und andererseits mit den auch heute noch vor allem in den ländlichen Gegenden des modernen Kameruns (und Zentral–Afrikas) gelebten Riten und Traditionen, bei denen diese Stücke fester Bestandteil sind.
Es war für uns faszinierend und irritierend zugleich mitzuerleben, wie die statischen Masken in unseren Regalen und Köpfen plötzlich mit Leben gefüllt wurden und uns in eine fremde Welt entführten.
Es ist mir wichtig anzumerken, dass ich hier keinen wissenschaftlichen Vortrag halten werde, sondern meine persönlichen Erlebnisse beschreiben werde, unterstützt durch Bild und Ton.
Bezüglich mehr Informationen zur Symbolik der Masken, Tierdarstellungen etc. sei auf den Vortrag von Hans Knöpfli hingewiesen: Religion und Kunsthandwerk im Kameruner Grasland.
Die Verbindung nach Bawum
Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für eine Reise nach Kamerun vor drei Jahren hatte mein Partner Hansjürg Roth zufälligerweise seinen Nachbarn Muma kennengelernt, einen Prinzen aus dem Königreich Bawum. "Muma" bedeutet soviel wie Bruder des Königs bzw. Fon und bezeichnet zugleich seine Funktion als erster Assistent des Fon. Sein vollständiger Name ist Muma Wana'a Nto-Toh II. Er steht in der Hierarchie des Königreiches hinter seinem Bruder, dem König, an zweiter Stelle.
Wir besuchten also damals auf unserer Reise Mumas Familie im nordwestlichen Grasland von Kamerun. Wir hatten einen Laptop dabei und zeigten der Royal Family einen Film von Muma und wie er hier in der Schweiz lebt.
Wir wurden herzlich als Mitglieder in die Gemeinschaft und die Königsfamilie aufgenommen und Herr Roth wurde mit der feierlichen Aufgabe bedacht, Verantwortung für Muma in der Schweiz zu übernehmen, als spirituelle Vaterfigur eine Rolle einzunehmen.
Als nun Mumas Frau Adelheid Bahith Che, eine Schweizerin, die selbst nie in Kamerun war, im Sommer 2008 verstarb, lud Muma Hansjürg und mich zur Totenfeier nach Bawum ein und bat uns explizit, Film- und Fotoaufnahmen als Dokumentation für ihn zu machen, sodass wir uns während der Feierlichkeiten völlig frei bewegen konnten.
Ein paar einleitende Worte zur Bedeutung von Totenfeiern
Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard (1931-1989) sagte einmal, ein Kunstwerk entstehe aus der Auseinandersetzung mit den Toten und während des Prozesses der Auseinandersetzung werde den Toten ein Platz zugewiesen.
Und - so kann man hinzufügen - auch die Lebenden werden dabei ihren Platz finden und einnehmen können.
Das Bedürfnis, einen sicheren Platz zu brauchen, scheint aus den tiefsten Ängsten und Beunruhigungen im Konfrontiertsein mit Tod, Unbekanntem und Endlichkeit hervorzukommen. Das Thema Tod als Quelle kreativen Schaffens brachte in unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedliche und faszinierende Kunstwerke hervor. Als ein aktuelles Beispiel fällt mir z. B. Christoph Schlingensief ein, der an Lungenkrebs erkrankt ist und seine Todesängste in einem Oratorium "Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" zu bannen und zu verarbeiten versuchte. Die Aufführung wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen als eines der bemerkenswertesten Stücke 2008. Aber üblicherweise wird in unseren westlichen Gesellschaften der Tod als "fact of life", wie der Psychoanalytiker Money-Kyrle es formulierte, im Alltag gerne verdrängt.
Anders in den Zentralafrikanischen Gesellschaften, wie auch im Kameruner Grasland, bei den dort lebenden ländlichen Gemeinschaften. Dort zentriert sich der Zyklus des Jahresverlaufes um die Totenfeiern, denen eine herausragende Bedeutung zukommt im Vergleich mit anderen menschlichen Grunderfahrungen wie Geburt, Hochzeit etc.
Über Generationen hinweg wurden in den Ritualen um den Tod und um Ehrung der Toten sowohl libidinöse als auch destruktive Kräfte zu einer Neuschöpfung integriert, die als Totenfeier durchaus ein Gesamtkunstwerk genannt werden kann.
Im Kameruner Grasland leben die Verstorbenen, insbesondere verstorbene Familienoberhäupter oder Würdenträger, als Ahnen weiterhin mitten in der Gemeinschaft und üben ihre Kräfte, im Guten wie im Bösen, in das tägliche Geschehen hinein aus.
Ihre Geister bleiben allgegenwärtig präsent. Und das auch im wörtlichen Sinne, denn in den ländlichen Gegenden werden die Toten neben den Wohnhäusern bestattet, im Garten, dort, wo einstmals Plazenta und Nabelschnur vergraben wurden.
Es ist im Denken der Menschen nicht vorgesehen, dass sie sich von den Toten lösen, etwas was uns beispielsweise in unserer Kultur als Ziel eines schmerzvollen Trauerprozesses vorschwebt. Im Gegenteil würde das den Zorn und die Rache der Ahnen nur hervorrufen.
Es besteht eine lebenslange Abhängigkeit von der Unterstützung durch die Ahnen, die allerdings nur durch Unterwerfung unter deren Gesetze zu erhalten ist. Die Ahnen bleiben ruhig, sind hilfreich und unterstützend, wenn die von ihnen geforderte Einhaltung der traditionellen Vorschriften erfüllt wird. Sie belohnen Wohlverhalten mit Wohlergehen, friedlichem Zusammenleben, Gesundheit, Kinderreichtum etc. Sie bestrafen andererseits gnadenlos deren Verletzungen, indem sie Krankheiten, Unfrieden, Unglück, Missernten etc. schicken.
Eine Totenfeier muss für jeden Verstorbenen in angemessener Weise durchgeführt werden, gemäß seiner Stellung und Verdienste im Leben und in der Gemeinschaft, und dient dazu, dem Verstorbenen ein ruhiges Leben nach dem Tode bereitzustellen. Ehrungen und Würdigungen werden oft in aufwendigen Feiern und Festen zur Schau gestellt, die Reichtum, Macht und Bedeutung der Gesamtfamilie repräsentieren und es kommt nicht selten vor, dass sich eine Familie damit finanziell ruiniert.
Es wird geglaubt, dass der Verstorbene dem Lebenden das Leben neidet und nicht der Vergangenheit angehören will. Der Lebende ist zwar glücklich leben zu können, der Verstorbene aber übt Macht aus und gestattet den Lebenden kein anderes Leben zu führen als genau das von den Ahnen erlaubte.
Ist die feierliche Durchführung der Rituale entsprechend den Erfordernissen der Tradition gelungen , dann hat der Ahne seinen Platz gefunden und die Lebenden ebenfalls. Dann dürfen die Hinterbliebenen aufatmen, sich freuen und Fest-Laune breitet sich aus im gemeinsamen Feiern.
Was ich Ihnen jetzt zeigen werde, ist ein Wechsel von Fotos, die ich gemacht habe, und Videos, die mein Partner gemacht hat. Er hat mir auch geduldig geholfen, die Tonunterlegung zu vielen meiner Bilder bereitzustellen. Ebenso die Videoausschnitte. Für seine Mühen möchte ich mich bei ihm ganz herzlich bedanken.
Die gezeigten Bilder umfassen einen Zeitraum von 24 Stunden, also einen ganzen Tag. Die Feiern beginnen abends mit der Ankunft des traditionellen "messengers", dem "Boten" des Kwifons. Sie werden am nächsten Morgen mit einer katholischen Messe fortgesetzt und werden am Nachmittag bis in den frühen Abend hinein mit den traditionellen Maskentänzen beendet.
Ich werde im Wesentlichen so vorgehen, dass ich bei den Maskentänzen zuerst ein paar Fotos zeige und dazu einige Informationen gebe. Im Anschluss an die Fotos folgen bei einigen Tanzgruppen auch Videoaufnahmen, die die Masken in bewegter Darbietung zeigen.
Falls Sie zu diesem Vortrag Fragen haben oder etwas ergänzen möchten, sind Sie herzlich dazu eingeladen.
Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Eintauchen in eine faszinierende Welt zwischen Tod und Leben.
Das Königreich Bawum
Das Königreich Bawum befindet sich im nordwestlichen Kameruner Grasland (angrenzend an Nigeria), in einem Bergland mit Bergen bis zu einer Höhe von 3000 Metern. Es liegt zwar nur 5 Grad nördlich des Äquators, aber auf einer Höhe von durchschnittlich 1600 Metern, wodurch es auch für uns Mitteleuropäer ein erträgliches Klima hat.
Es gehört zur Provinz Nordwest mit der Hauptstadt Bamenda. 15 bis 20 Kilometer nördlich von Bamenda liegt an der so genannten Ringroad, mehr eine Holperpiste als eine Straße in unserem Sinne, der Ort Bafut. Er ist das Zentrum des großen und bedeutenden Königreiches Bafut mit seinem ca. 600 Jahre alten Palast, der während der deutschen Besatzungszeit renoviert wurde. Wenige Kilometer westlich von Bafut liegt abseits der Ringraod Bawum. Man darf sich nicht täuschen. "wenige Kilometer" sind aufgrund der unwegsamen Pisten "gefühlte viele".
Bilderschau "Die Lage des Königreichs"
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Bildquelle: de.wikipedia.org, I.Pohl
Auf den nächsten zwei Bildern ein Blick Richtung Berge. In der Trockenzeit ist die Luft immer leicht diesig. Auf und über den Straßen roter Staub, der von den Autos und dem Wind aufgewirbelt wird.
Bilderschau "Die umliegende Landschaft"
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Als nächstes sehen wir die Auffahrt zum Haus von Prinz Muma, das in der Nähe des Palastes steht. Auch Teile der königlichen Frauen (Schwestern, Cousinen) leben hier. Hier fanden die Beerdigung und anschließend die Totenfeierlichkeiten mit zahlreichen Tanzdarbietungen statt.
Bild "Vor Mumas Haus."
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In den Abendstunden erscheint ein Mann im Garten des Hauses, ein Läufer oder Bote, der einen monophonen Doppelgong schlägt. Er kündigt damit rhythmisch die Ankunft der so genannten Messengermaske an, die wir gleich auch noch sehen werden.
Sie können sich das monophone Klopfen und sein Rufen in einheimischer Sprache anhören:
Kurz darauf trifft die über und über mit Federn bedeckte Messengermaske ein, die wiederum Kwifon selbst ankündigt. Dies ist also keine Tanzmaske. Kwifon ist die oberste Geheimgesellschaft, in der die wichtigsten und bedeutendsten Mitglieder des Königtums sind. Kwifons Macht ist gefürchtet, aber bietet der Gemeinschaft auch Schutz.
Man kann hier gut einen typischen Aufbau einer Maske ableiten. Sie besteht aus dem Mann, der sie trägt, dann der aufgesetzten Maske selber (also "dem Gesicht"), die z.B. an einem mützen- oder masken-artig übergestülpten Netztuch befestigt ist sowie dem Maskengewand.
Je nach Wichtigkeit der Masken tragen sie Stock, Speer, Haumesser, Wedel o.a. mit sich, womit sie z.B. signalisieren, dass es sich um die anführende Maske einer Gruppe handelt. Die Rasseln an den Fußgelenken gehören in aller Regel zur Ausstattung einer Maske.
Diese Ankündigungsmaske forderte uns durch ihr Erscheinen dazu auf, in die Häuser zu gehen und keinesfalls hinauszuschauen, während Kwifon Haus, Garten und die Grabstelle reinigt.
Im Unterschied zu den Hutmasken ist bei dieser Mützenmaske das hölzerne Antlitz erst dann richtig zu erkennen, wenn sich der Träger nach vorne beugt.
Bilderschau "Der Vorbote Kwifons"
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Bedeutung von Kwifon an diesem Abend: Das offene Grab, das sich neben dem Haus befindet und nachmittags ausgehoben wurde vor Dämonen zu schützen. Kwifon als mächtigste Instanz säubert den Raum in und um das Haus herum von "bösen Geistern" bzw. besänftigt sie.
Wenn die Musik von Kwifon ertönt, herrscht blitzartig eine angespannte, ängstliche, ehrfurchtsvolle Ruhe. Wir spürten die Macht, die diese Geheimgesellschaft ausübt buchstäblich körperlich. Die Macht ist präsent.
Wir gingen also in das Haus. Langsam füllte sich der Raum.
Bild "Warten im abgedunkeltem Raum"
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Die Vorhänge wurden zugezogen. Ich wollte hinausgucken, wurde aber sofort davon abgehalten. Einige der Anwesenden verbargen den Kopf mit Händen und Armen, um ja nicht in die Verlegenheit zu kommen zu schauen. Es wird gesagt, dass jemand, der nicht initiiert ist bzw. nicht befugt ist beim Anblick der Kwifon-Masken sterben kann.
Die Kwifon begleitenden Instrumente, z.B. Gong, Rasseln, Trommeln, sind mit das Heiligste, was die Kwifongesellschaft besitzt. Vor dem Gebrauch wird ihnen die Kraft der Ahnen mit speziellen Medizinen in einem Ritual übertragen.
Der Auftritt des Kwifon dauerte ca. zehn Minuten. Danach saßen wir noch länger im Haus. Die Menschen waren fühlbar sehr beeindruckt, ruhig und in sich gekehrt.
Am nächsten Morgen trafen wir uns in der katholischen Missionskirche, in der die Messe abgehalten werden sollte. Sie war noch weihnachtlich dekoriert. Es war der 27. Dezember.
"Europa hat die Uhr, Afrika die Zeit." Das gilt! Mit etwa einstündiger Verspätung trudelten die letzten Gottesdienst-Teilnehmer ein.
Bilderschau "In der Kirche"
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Der Leichenwagen mit dem Sarg traf ein. Man hörte ihn schon von Weitem herannahen. Aus einem Lautsprecher am Dach des Jeeps schallte laute Musik, aus unserer Europäischen Sichtweise sehr spektakulär und eigentlich wenig feierlich.
Antwort auf eine Zwischenfrage: Da die Verstorbene Schweizerin war und selbst niemals in Kamerun war, wurde die Leiche bereits in der Schweiz kremiert. Die Urne wurde dann nach Kamerun verbracht und befindet sich im Sarg.
Die Messe dauerte etwa zwei bis zweieinhalb Stunden, wurde teils auf Lateinisch, teils auf Englisch gehalten. Es gab mehrere Ansprachen. Überraschend wurden wir vom Priester sogar auf Deutsch angesprochen. Wir zwei waren die einzigen Weißen.
Der gemischte Kirchenchor wurde von zahlreichen Rhythmusinstrumenten begleitet.
Bild "Kongas, Kalebassen, Shaker und andere Instrumente begleiteten die Gemeinde"
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Die Sänger trugen ein sehr abwechslungsreiches Repertoire vor; getragene Lieder, die wir auch aus unseren Gottesdiensten kennen, neben sehr fröhlich und lustig anmutendem Liedgut.
Hier, als Beispiel, ein Halleluja, das ich sehr mochte und noch viel später als Ohrwurm mit mir herumtrug...
...gefolgt von einem weiteren kurzen Ausschnitt eines anderen Liedes.
Das Begräbnis fand hinterher nur wenige Meter entfernt von Mumas Haus statt. Der Sarg wurde feierlich in die Erde gelassen. Er wurde umhüllt mit einem blau-weißen Textil-Tuch, das anzeigt, dass die Verstorbene zur königlichen Familie gehört. Am Sarg war das Konterfei der Toten angebracht. Und auch dabei im Hintergrund stetiges Singen vom durch Rhythmusinstrumente gestützten Chor.
Nachdem das Grab geschlossen war, wurde es mit Kränzen und ein paar Kerzen geschmückt.
Man sieht auf den folgenden Bildern deutlich die Nähe zum Wohnhaus und auch wie wohltuend unspektakulär die Grabstelle markiert ist. Das ist anders als bei uns. Das hat mich sehr beeindruckt, wie die Lebenden und die Toten buchstäblich zusammen bleiben und weiterhin zusammen leben, während wir den Friedhof verlassen und damit eine eindeutige Trennung vollziehen. An der teilweise sehr turbulenten Zeremonie nahmen geschätzte 500 bis 700 Leute Teil. Da war es ein kleines Kunststück, dass niemand über diese schlichte Ruhestätte stolperte und sie versehentlich verwüstete.
Bilderschau "Das Begräbnis und die Grabstelle"
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Die feierliche Bestattung ist vorbei, oder besser, geht fließend in die folgenden Darbietungen über, während der Chor noch etwa eine Stunde weiter singt. Es wird begonnen das Essen auszugeben für all die Leute. Man kann sich vorstellen, dass dieser ganze Aufwand einen Haufen Geld gekostet hat. Muma erzählte mir am Ende auch, dass er pleite ist. Und das geht vielen so, die eine angemessene Totenfeier ausrichten wollen.
Zwischenfrage eines Zuhörers: Die meisten der Gäste haben die Verstorbene ja nicht gekannt. Gab es dennoch so etwas wie Trauer?
Antwort: In unserem Fall war der Ablauf abweichend vom üblichen Prozedere. Normalerweise hat die Trauer eine begrenzte Zeit. Da ist das Sterben selbst, mit dem Versuch durch Weinen und Kreischen und Rufen das Leben vom Verlassen des Körpers zurückzuhalten. Dann gibt es nach dem Sterben den Teil mit der Grablegung, die in diesen warmen Ländern gewöhnlich relativ rasch nach dem Tod stattfindet. Die Beisetzung beschließt normalerweise die Zeit des unmittelbaren Trauerns. Und die dann folgende und sehr festliche und aufwendige Totenfeier zu Ehren der Verstorbenen findet oftmals zeitverzögert erst dann statt, wenn genügend Geld dafür gespart werden konnte. Die hier von mir beschriebene Feier bezeichne ich jetzt mal als mittelgroß. Es gibt auch Totenfeiern mit Tausenden von Gästen.
Auf den folgenden Bildern sehen Sie Mitglieder der so genannten Militär-Gesellschaft, teilweise in traditionelle Gewänder gekleidet. Dieser Männerbund übt ebenfalls einen großen Einfluss aus. Reichtum und gesellschaftliche Stellung der Familie legen die Anzahl der abgegebenen Salutschüsse fest. Wir haben viele Schüsse gezählt, begleitet von viel Rauch, der in dichten Schwaden über das Gelände zog. Das Geballere ging über den ganzen Nachmittag und je nachdem wie bedeutend eine auftretende Formation ist, sind die Schützen auch dabei.
Man konnte den Beteiligten und Zuschauern deutlich ansehen, wie viel Spaß ihnen das Herumschießen machte und auch wir hatten viel Freude beim Fotografieren und Filmen.
Zu den Schützen gesellte sich ein prachtvoll gekleideter Hornspieler. Der Klang dieses Instrumentes machte uns zusätzlich sehr aufmerksam.
Sie können durch die folgenden Bilder und die Tondatei nur einen vagen Eindruck gewinnen:
Bilderschau "Der Schützenbund ehrt Ahnen und Lebende mit lautstarkem Geknalle"
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Das auf dem ersten der nächsten zwei Fotos zu sehende T-Shirt irritierte uns anfänglich; im Unterschied zu den einheimischen Gästen, für die das Zusammenspiel von Traditionen und Moderne längst Normalität ist. Jeder Gast bekam einen Ansteck-Button, ebenfalls mit dem Abbild der Verstorbenen. Und auch auf dem zweiten Foto einer Tischdecke findet man Adelheids Gesicht als Aufdruck.
Bilderschau "Heidi war ständig präsent"
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In Abwesenheit des Königs, der seit 6 Jahren in den USA studiert, hielt dessen Stellvertreter "the regent" Ndinfor Ngwabishi eine Rede. Er ist der Onkel des Königs und zugleich Medizinmann, vertraut mit traditionellen sowie "modernen" Heilmethoden. Auch, wenn er die Geschäfte des Reiches führt, ist Muma doch hierarchisch höher gestellt als er.
Die ganze Veranstaltung wurde von einem Conférencier begleitet, der die Geschehnisse kommentierte. Leider war er für uns nicht immer zu verstehen, da er zwischen englischer und einheimischer Sprache wechselte.
Und auch Hansjürg Roth wurde aufgefordert ein paar Worte zu sprechen, was er gerne tat.
Bilderschau "Der derzeitige Chef und Herr Roth hielten jeweils eine Rede."
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Die erste der zahlreichen Tanzgruppen des Abends waren Frauen aus der Königsfamilie. Ihr Auftritt ist von der Art des Vortrags her exemplarisch für alle Frauengruppen des Abends. Sie trugen verschiedenartige Tanzwedel, u.a. aus Pferdeschwänzen, vermutlich auch Ziegenschwänzen, und Textilien.
Die Leaderin gab jeweils eine Gesangsphrase vor, die die restliche Gruppe beantwortete (Rede, Gegenrede), während man im Kreis schritt und/oder synchron bestimmte Tanz-Moves unter Einsatz der Wedel ausführte. Frauen tragen übrigens generell keine Masken bei ihren Tänzen.
Bild "Damen der Royal Family eröffneten die Tanzdarbietungen."
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Für mich, und vermutlich auch für die Mehrzahl der Anwesenden, war ein absolutes Highlight der Feierlichkeiten eine schwarz-braune Maske von Kwifon, die nur zu Totenfeiern gezeigt wird. Sie ist ganz und gar rund um den Kopf mit einem schwarzen Tuch bedeckt. Darüber ein grobmaschiges Netz. Sie wird als die wildeste und gefährlichste Maske bezeichnet, "aufgeladen" mit einer speziellen Medizin. Auch heute noch nehmen die Träger vor dem Verlassen des Geheimbundhauses Drogen zu sich, die sie in Trance versetzen und ihnen besondere Kräfte verleihen. Diese Kwifonmaske darf auf Grund ihrer Macht und wegen ihres ungestümen Auftretens nur in Begleitung mehrerer Medizinmänner öffentlich auftreten. Sie wird mit einem Strick festgehalten, damit sie nicht ausbrechen und den Zuschauern gefährlich werden kann. Viele der Sitzenden verließen fluchtartig ihre Plätze und brachten sich hinter dem Zaun in Sicherheit.
Einer der Begleiter trägt in der linken Hand ein Trinkhorn, in dem sich eine Flüssigkeit befindet, die der Kühlung der Maske dient. Er nimmt dafür einen Schluck und besprüht die Maske damit. Der Speer, den er zusätzlich trägt, deutet vermutlich auf die Rolle als Anführer der Gruppe hin. Ein weiterer Mann, der im gestreiften T-Shirt, trägt eine Kalebasse, aus der das Horn immer wieder nachgefüllt wird.
Diese Maske ist keine Tanzmaske, was man auch an fehlenden Accessoires wie Rasseln o.ä erkennt. Er wirft Stühle und Stöcke in Richtung Zuschauer oder auf Dächer, greift parkende Autos an (ohne sie in diesem Fall zu beschädigen, was wohl gelegentlich auch vorkommt) und muss vor den Zuschauern zurückgehalten werden, von denen eine Stimmung zwischen Belustigung und Ängstlichkeit ausgeht.
Die körperliche Kraft der schwarzen Maske zeigt sich besonders auf dem Bild, wo er einen Bananenbaumstamm hochhebt, um ihn anschließend auf den Boden zu werfen. Das ist also keinesfalls nur "Show".
Welche Bedeutung die auf die nackten Oberkörper einiger Beschützer aufgemalten, weißen Flecke haben, weiß ich leider nicht.
Bilderschau "Eine wild agierende Kwifon-Maske hat ihren Auftritt."
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Die nächste Gruppe, Männer mit Federmasken, stürmt herein und mehrere Xylofonisten und Musiker beginnen zu spielen. Das Xylofon besteht zwei Längsbalken, die meist aus Bananenstämmen bestehen. Quer darauf sind die Klanghölzer unterschiedlicher Größe und Stimmung in durchnummerierter Reihenfolge gelegt. Dazu Gesänge aus Rede und Gegenrede und die Fußrasseln, die sehr viel zum Rhythmus beitragen. Auch die Schützen waren übrigens wieder lautstark dabei.
Für mich überraschend, überwogen die Gruppen mit Federmasken im Unterschied zu aus Holz geschnitzten Masken. Verwendet werden häufig Hühnerfedern, gefärbte Federn, aber auch Federn von Raubvögeln, wie man uns sagte.
Die anführende Maske unterscheidet sich deutlich von den übrigen. Sie trägt einen anderen Aufsatz und ein anderes Gewand, das über und über mit schwarzen Noppen aus Menschenhaar besetzt ist. Auf dem Rücken ist in Rot eine Eidechse zu sehen. Auf einem der Bilder sieht man sie, wie sie vor den Mitgliedern der Königsfamilie tanzt. Links ist die "First Lady" von Bawum, Queen Fidelia,.
Auch ein flatterndes Huhn wurde dabei über der Anführer-Maske geschwenkt. Ob das in diesem Zusammenhang eine tiefere Bedeutung hatte oder ob das lediglich der Belustigung diente, kann ich nicht sagen. Unter anderem sind Hühner auch Bezahlmittel für die teilnehmenden Gesellschaften und Gruppen. Einige wollen Geld, einige Naturalien, wieder andere beides. Eine häufig gängige Vergütung mit Kolanüssen konnten wir bei diesem Fest nicht beobachten.
Gut zu erkennen sind auf einigen Bildern die Netzmasken bzw. -mützen, die offensichtlich eine bessere Sicht erlauben als man annehmen möchte. Auch Pflanzenranken können bei den Masken häufig gesehen werden.
Eine Maske der Gruppe hatte auf das Gewand aufgenähte Busen. Sie bewegte sich immer etwas abseits von den anderen. Über die Bedeutung kann ich nur spekulieren.
Bilderschau "Der äußerst dynamische Auftritt von Federmasken."
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Zwischenfrage: Wurde auch Palmwein bei diesem Fest getrunken?
Antwort: Das haben wir nicht beobachten können. In den Tagen vor der Totenfeier, während der umfangreichen Vorbereitungen wurden Tiere geschlachtet, es wurde zum Essen eingeladen, und es wurde auch reichlich Bier ausgeschenkt. Während der Feier wurde nicht viel Alkohol getrunken.
Auf der nächsten Folie sehen wir als Maskengruppe ein älteres Paar dargestellt. Unter der Frau steckt als Träger ein Mann, da Frauen wie erwähnt grundsätzlich keine Masken tragen dürfen.
Bild "Ein würdevolles Paar."
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Auf dem nächsten Bild ist eine alte Frau zu sehen, die immer mal wieder zwischen den Gruppen herumlief, wenn es nicht gerade zu wild zuging. Sie kam immer mal zu uns, nahm unsere Hand und wünschte uns einen guten Morgen oder ein glückliches, neues Jahr. Auch ein offensichtlich psychisch schwer gestörter Mann lief unbehelligt zwischen den Tänzern umher, die ihm sorgsam auswichen.
Alte und kranke Menschen gehören einfach dazu und werden nicht abseits gehalten, was auf mich ungemein menschlich wirkte.
Bild "Eine alte Dame, die mit großem Spaß dabei war."
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Dann kam ein wildes Riesenvieh, ein Elefant. Uns wurde gesagt, dass diese Elefantenmaske die einzige ihrer Art in Nordwest-Kamerun ist. Elefanten gehören, neben Büffeln, Löwen, Leoparden und Pythons zu den Königstieren. Die Maske greift auch Zuschauer an, unter anderem Herrn Roth, der seine Filmarbeiten abrupt abbrechen musste, um sich in Sicherheit zu bringen. Trotzdem gelang es dem Elefanten ihn zu packen und zwischen die Stoßzähne zu nehmen. Er kam aus der Umklammerung erst wieder raus, nachdem er sich freigekauft hatte.
Folgend eine Bilderschau inklusive Audio:
Ein weiterer Höhepunkt der Zeremonie: Die königlichen Prinzen, die einen rituellen Tanz vorführen. Ein Tänzer, der der übrigen Gruppe voranschreitet, trägt mit beiden Händen einen Stoßzahn, der mit Textil umwickelt ist. Eventuell ist es auch ein Tierhorn ? Darauf ein Besatz aus Fell, wahrscheinlich von der Buschkatze, und einigen Kaurischnecken. In der linken Hand trägt er zusätzlich eine Tasche, aus der grüne Pflanzenteile herausschauen. Quer über den nackten Oberkörper hat er ein rotes Textilband, an dem auf Hüfthöhe ein unterarmlanges Messer in einer stabilen, rechteckigen Scheide (Holz und/oder Leder) hängt. Nach einigen leicht gehockten Tanzschritten legt er das Horn auf den Boden vor die nachfolgende Gruppe, zu der sich mittlerweile auch ein paar Frauen und Kinder gesellt haben. Er bewegt sich ein paar Schritte vorwärts und greift das Messer. Schließlich wendet er sich wenige Meter von der Gruppe entfernt dieser zu und richtet das Messer, das sich noch in der Scheide befindet, in Richtung Gruppe.
Ein anderer blau-weiß gekleideter Tänzer, der ein Halsband aus Blättern (Ranken), ein Stirnband aus Kaurischnecken, einen Gürtel und Schwanz aus Tierfell und einen großen Armreif trägt, hat mittlerweile, ebenfalls mit beiden Händen und sehr bedacht, das Horn aufgehoben. Es liegt eher in seinen offenen Handflächen als dass er es fest umfasst. Er führt es an den Mund als würde er es küssen. In gebückter Haltung tanzen sich die beiden Protagonisten an. Der Messerträger geht nur wenige Schritte in pirschender Bewegung auf den Hornträger zu, um dann wieder zurückzuweichen. Dabei schüttelt er das Messer zuckend längs der Achse.
Beide bewegen sich nun eher gebückt auf den "regent" zu, der das ihm vorsichtig dargebotene Horn zwei mal aus dem Mund mit einer Flüssigkeit besprüht. Er und auch die Umstehenden tanzen dabei fortwährend mit wiegendem Schritt. Der Messerträger zieht nun erst das Messer aus der Scheide.
Beide schreiten zurück in die Runde, der Tänzer mit dem Horn fällt auf die Knie und reibt seine Stirn bzw. das Schnecken-Stirnband daran. Noch auf den Knien bewegt er sich wiegend zur Musik und steht schließlich auf. Der Messerträger umkreist ihn dabei.
Bilderschau "Ein Tanz unter Teilnahme der Prinzen."
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Nach diesem Ritual fliegen die Tänzerinnen und Tänzer der königlichen Familie förmlich herein, während die Insignien noch immer herumgetragen und den Drumrumstehenden präsentiert werden. Es werden unterschiedliche Wedel getragen, bei denen vor allem die unterschiedlichen Verzierungen der Griffe auffallen. An den Oberarmen rechts Reifen aus Kauri-Schnecken, links aus Fell. Einer der Tänzer, den ich deshalb auch für den Leader hielt, ohne es wirklich zu wissen, trug statt dessen einen Gürtel und Schwanz aus dem Fell der Buschkatze.
Folgend zwei Bilder der Rhythmusgruppe, die vor allem die weiblichen Tänzerinnen in unterschiedlicher Besetzung begleitete. Auf dem zweiten Bild, leider schlecht zu erkennen, eine unten geschnitzte Konga mit dem Spinnen-Symbol.
Bilderschau "Eine der Bands mit Zeremoniestab, Kongas, Bongo und Doppelgong."
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Die Führermaske der folgenden Gesellschaft war über und über in ein buntes Palmfasergewand gekleidet. Auf dem Kopf trug sie eine Hutmaske mit Gebiss, wohl ein Tier. In der Hand einen spitzen Speer und um den Hals Lianen. Auf dem zweiten Bild bedroht sie spielerisch einen der Männer aus dem Militärbund und führt in regelrecht ab. Eine kleine Demonstration von Macht, Kraft, Gegenkraft, Gut und Böse.
Auch die übrigen Tänzer trugen bunte Röcke aus Palmfasern über den Shorts und lilafarbene Büschel auf dem Kopf. Die Fußrasseln sind diesmal eher Kastagnetten ähnlich.
Zur Gruppe gesellte sich nur für sehr kurze Zeit eine schwarz gekleidete Maske, ebenfalls mit Speer, deren Bedeutung wir nicht erfahren haben. Sie war gänzlich mit einem Netz umhüllt.
Bilderschau "Eine Maskengruppe mit Bastkostümen und die schwarze Maske"
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Wir sehen das auch noch mal in diesem kurzen Video zusammengefasst. Auch die begeisternd aufspielenden Xylofonisten tauchen nochmals auf. Dazu wird eine kleine Talking-Drum geschlagen.
Ein weiterer Höhepunkt, diesmal eine Formation mit den unterschiedlichsten Holzmasken in Schwarz.
Die Führermaske hat einen Mützenaufsatz auf, wodurch die Maske flach auf dem Kopf aufliegt. Man erkennt das Gesicht erst, wenn sich der Tänzer nach vorne beugt. Sie trägt zahlreiche Kauri-Schnecken; auch am Griff des Speeres oder Zeremoniestabes, den nur sie trägt. Das lässt darauf schließen, dass der Träger aus der königlichen Familie stammt.
Die übrigen Masken bestehen sowohl aus Tier- als auch aus Menschen-Abbildungen. Als Wedel tragen Sie Äste mit Blättern.
Die Menschenmasken haben geschnitzte Kopfbedeckungen, die darauf schließen lassen, dass sie irgendwelche Notablen darstellen.
Alle tragen unterschiedliche Gewänder.
Sie finden unter den folgenden Bildern weitere Erklärungen.
Bilderschau "Eine Holzmaskengruppe"
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Hier nun der Film zu dieser lebhaft agierenden Gruppe. Beachten Sie auch die Kinder mit ihren selbstgebastelten Masken.
Während der Abend dämmerte, trat die letzte Gruppe auf, wieder mit Federmasken. Auch hierzu ein paar Fotos sowie ein kurzer Filmausschnitt. Musikalisch begleitet wurde die Gruppe u.a. von einer alten Talking-Drum.
Bilderschau "Die letzte Tanzgruppe"
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Auch das Publikum war begeistert dabei und sang und tanzte mit. Ein stetiges Hin und Her.
Bilderschau "Das Publikum"
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Vortrag ZUE-2009FT-04. Frühjahrstagung 2009 der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur in Zürich (Museum Rietberg), 28. bis 31. Mai 2009 - Kamerun und Nigeria - und Besuch der Museen in Genf und Burgdorf