Vorstellung des Redners durch Vereinsvorstand Arnd Klinge
Die von Arnd Klinge erwähnten Bücher können Sie im Internet bestellen:
- «Grasland – eine afrikanische Kultur», in deutscher Sprache: http://www.kamerun.ch/index.php/Grasland_eine_afrikanische_Kultur.html
- großformatiger Bildband mit mehr als 690 Fotos
- klare Beschreibung handwerklicher Prozesse
- mythologische Hintergründe
- ISBN 978-3-7795-0197-8
- die ursprüngliche Ausgabe in vier Bänden in englischer Sprache (leider ist Band 1 mittlerweile vergriffen): http://www.kamerun.ch/html/en/home.html
Audio-Mitschnitt des Vortrags
Text (Hans Knöpfli, Kriegstetten, 5. Mai 2009)
es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren
Unser heutiges Thema 'Religion und Kunsthandwerk im Kameruner Grasland' behandle ich in zwei Teilen:
Im 1. Teil gehe ich der Frage nach, inwiefern der religiöse Glaube das kunsthandwerkliche Schaffen im Kameruner Grasland beeinflusst hat.
Im 2. Teil beschreibe ich einige der wichtigsten künstlerischen Darstellungen königlicher Symbole.
Teil 1
Ich führe Sie also ins westliche Grasland von Kamerun (249), wo zahlreiche Ethnien leben, bei denen die traditionellen Handwerke bis auf den heutigen Tag ausgeführt werden.
[Folie 1], Knöpfli-Bildnummer: 249.Frauen, Männer und Jugendliche flechten Matten (034) und Körbe (074), töpfern Koch- (169) und Essgefässe. Schmiede stellen Werkzeuge, Arbeitsgeräte und die schmiedeeisernen Doppelgongs her. (222,226,227)
Bilderschau "[Folien 2-7]. Knöpfli-Bildnummern: 034, 074, 169, 222, 226, 227"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Neben dem Alltagshandwerk, das ich Gebrauchskunst nenne, gab und gibt es die für das Grasland charakteristische plastische Holzschnitzerei, die eine eigentliche Hofkunst (251) war.
[Folie 8], Knöpfli-Bildnummer: 251.In der Zeit vergangener Tage hat diese Hofkunst, vor allem die Holzschnitzerei, im westlichen Grasland einen beachtlichen Standard erreicht. Sie wurde massgeblich beeinflusst durch die Könige (368) und Häuptlinge (309), Männerbünde (572) und Würdenträger (290). Dank dieser Führerschaft, die als wichtigste Arbeitgeberin der Handwerker in Erscheinung trat, blühte das traditionelle Kunstschaffen dieser Region über Jahrhunderte.
Bilderschau "[Folien 9-12]. Knöpfli-Bildnummern: 368, 309, 572, 290"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Holzschnitzkunst
Im Folgenden befasse ich mich mit der Holzschnitzkunst, also der Kunst der Könige, Häuptlinge und der traditionellen Elite.
Bei der Ausführung seiner Arbeit (353) war der Holzschnitzer auf die von der Ethnie zugelassenen traditionellen Formgebungen, Motive und Symbole festgelegt.
[Folie 13], Knöpfli-Bildnummer: 353.Der herrschende Stand wählte, nebst Menschengestalten, spezifische Tiere (423) aus der Grasland Mythologie als Idealfiguren (422) in Bezug auf königliche Qualitäten aus.
Bilderschau "[Folien 14-15]. Knöpfli-Bildnummern: 423, 422"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
In dieser Angelegenheit hatte der Schnitzer keine Wahl, wenn seine Arbeiten die Zustimmung und Anerkennung der traditionellen Elite erhalten wollten, denn es handelte sich v.a. um Symbole für Kraft und Stärke, Macht und Autorität, Weisheit und Führungsqualitäten. Thronstühle (374) und Thronhocker (289), Ahnenfiguren (417) und Maskenaufsätze (663) sind für niemanden anders bestimmt als für die traditionelle Führerschaft und die Männerbünde, denn diese Skulpturen tragen die Symbole des Königtums oder Häuptlingtums.
Bilderschau "[Folien 16-19]. Knöpfli-Bildnummern: 374, 289, 417, 663"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Ikonografie, bzw. deren Symbolik
Wir wenden uns nun der Ikonografie bzw. deren Symbolik zu, wie sie in den Menschen- und Tierdarstellungen an Königs- und Häuptlingsthronen (425), an Haus- und Türpfosten (262), Ahnenfiguren und Maskenaufsätzen (642) vorkommt.
Bilderschau "[Folien 20-22]. Knöpfli-Bildnummern: 425, 262, 642"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Die künstlerischen Darstellungen königlicher Symbole, entweder als Vollplastik oder als Hoch- oder Flachrelief geschnitzt, waren tief verwurzelt im Respekt gegenüber den Ahnen, den lebendigen Toten. Die Ahnenehrung (634) spielte und spielt heute noch eine zentrale Rolle im täglichen Leben der Menschen.
[Folie 23], Knöpfli-Bildnummer: 634.Nicht nur die Sprache, Kultur und Weltanschauung, sondern auch die Hofkunst war von diesem religiösen Erbgut geprägt. Im vorkolonialen Grasland bildeten Kunst und religiöser Glaube eine Einheit und nahmen einen wesentlichen Teil im Leben der Handwerker ein.
Geschnitzt wird heute noch (364).
[Folie 24], Knöpfli-Bildnummer: 364.Die jungen Schnitzer sind sich jedoch des Zusammenhangs mit den Ahnen und der reichhaltigen Grasland Mythologie kaum mehr bewusst. Wenn aber diese Inspirationsquelle fehlt, laufen die Handwerker Gefahr, dass ihre Erzeugnisse zur kommerziellen Ware absinken.
Die Kunst des westlichen Graslandes war also ursprünglich eine religiöse Kunst. Der Holzschnitzer leitete seine Formen aus der unsichtbaren Welt der Ahnengeister (148) und der Natur ab, und stellte sie auf stilisierte Art und Weise in Holz dar.
[Folie 25], Knöpfli-Bildnummer: 148.Seine Figuren zeigten oft willkürliche Proportionen. Damit wollte der Schnitzer die Ausdruckskraft der Figuren erhöhen. Die symbolische Bedeutung jedes einzelnen Teils bestimmte die Form und Grösse der Skulptur.
War ein gewisser Teil für den Holzschnitzer belanglos, liess er ihn einfach weg oder stellte ihn verkleinert dar (540), z.B. die Beine.
[Folie 26], Knöpfli-Bildnummer: 540.Das Hauptanliegen der Graslandkunst war denn auch, auf das Unwesentliche zu verzichten, dafür das Wichtige umso deutlicher hervorzuheben. Den Kopf (Dia, Folie 27) stellt der Holzschnitzer oft vergrößert dar, weil er glaubt, dass ein Ahnengeist darin haust (654).
Bilderschau "[Folien 27-28]. Knöpfli-Bildnummern: "Dia", 654"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Die aufgeblasenen Wangen (653) bedeuten Lebensfülle, die auffälligen Genitalien (361) und die Frauenbrüste (Dia, Folie 31) symbolisieren die Schöpfung schlechthin, im Besonderen die Zeugung und das Hervorbringen und Erhalten von neuem Leben. Der Nabel verkörpert die Lebensschnur, durch die das werdende Kind nicht nur mit der Mutter, sondern auch mit den Ahnen verbunden ist. Der vorstehende Nabel ist bis heute ein Symbol für Lebenskraft.
Bilderschau "[Folien 29-31]. Knöpfli-Bildnummern: 653, 361, "Dia""
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Die symbolträchtigen Motive wie wir sie in der Hofkunst finden, sind für mich gleichsam Tore in die geheimnisvolle Grasland Mythologie (457), deren Mittelpunkt eine schöpferische Kraft ist, die ein allmächtiger Schöpfergott in die Welt strömen lässt und alles Geschaffene belebt: Menschen und Tiere (421), Pflanzen, Steine und Berge, selbst das Haus (250) und die Gebrauchsgegenstände wie die Hacke und der Korb (055). Auch die Musikinstrumente (497), vor allem die heiligen Trommeln (510) der Geheimgesellschaft Kwifon und anderer Männerbünde und das Xylofon (496), sind mit dieser göttlichen Lebenskraft erfüllt.
Bilderschau "[Folien 33-38]. Knöpfli-Bildnummern: 421, 250, 055, 497, 510, 496"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Diese Lebenskraft wird sichtbar und spürbar in Naturereignissen, aber auch in der Tierwelt. Dies trifft im Besonderen auf die starken Tiere in Wald und Feld, die fünf sog. Königstiere, zu: Der Elefant und der Büffel, der Löwe, der Leopard und der Python. Diese Tiere stehen für den König (307), der als lebendes Symbol Größe, Stärke, Würde, Macht und Autorität verkörpert.
[Folie 39], Knöpfli-Bildnummer: 307.Teil 2
Wir wenden uns nun den plastisch geschnitzten Darstellungen königlicher Symbole zu. Ich beginne mit den fünf Königstieren.
Der Elefant (nswenam)
Der Elefant (424) ist das Symbol königlicher Macht und Würde. Der Elefant ist das größte Landtier (371). Der König ist der Größte seines Volkes (542).
Bilderschau "[Folien 40-42]. Knöpfli-Bildnummern: 424, 371, 542"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Es ist ein Zeichen höchster Ehrerbietung, wenn der König von Bali-Nyonga mit dem Lobnamen Elefant (nswenam) angeredet wird. (Händeklatschen, höre dazu Audio!)
Dasselbe gilt für den Büffel (nad)
Der Büffel (375) ist das Symbol königlicher Stärke und Gefahr. Jäger sagen, dass der Büffel für sie das gefährlichste Tier war, als sie noch mit Speer und Buschmesser auf die Jagd gingen. Wer vor den König tritt (259), muss gut gerüstet, d.h. gut vorbereitet sein.
Bilderschau "[Folien 43-44]. Knöpfli-Bildnummern: 375, 259"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Der Leopard (ngunam)
Der Leopard (377) symbolisiert königliche Wachsamkeit. Man sagt dem Leoparden nach, dass er im Schlaf immer ein Auge offen hält, damit ihm auch die geringste Bewegung nicht entgeht (378). Das trifft auch auf den König zu.
Bilderschau "[Folien 45-46]. Knöpfli-Bildnummern: 377, 378"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Der Löwe (bumben)
Der Löwe (379) gilt als Königstier, weil der König mit dem tapferen und schönen Löwen verglichen wird.
[Folie 47], Knöpfli-Bildnummer: 379.Der Python (ngobno)
Die kräftige, lange Pythonschlange (380) bedeutet einerseits königlichen Schutz. Der König umgibt sein Volk wie einen dem Python ähnlichen Schutzwall gegen Feinde.
[Folie 48], Knöpfli-Bildnummer: 380.Andererseits symbolisiert der Python Bedrohung (381). Wie die ungiftige Riesenschlange ihre Beute durch Erdrücken tötet und dann verschlingt, so richtet der König einen Widersacher zugrunde, indem er sein Gehöft, sein Hab und Gut, seine Frauen und Kinder verschlingt.
[Folie 49], Knöpfli-Bildnummer: 381.Alle Eigenschaften der Königstiere - und es sind viele -vereinen sich im König (370).
[Folie 50], Knöpfli-Bildnummer: 370.Außer mit den Königstieren wird der König noch mit andern Tieren verglichen:
Der Skorpion
[Folie 51], Knöpfli-Bildnummer: 382.Der Skorpion (382) symbolisiert die unantastbare Macht und Autorität des Königs. Wer sich mit der Autorität des Königs anlegt, z.B. eine Liebesbeziehung mit einer seiner Frauen hat, zieht unweigerlich den tödlichen Stich des Skorpions auf sich.
Der Affe (389)
[Folie 52], Knöpfli-Bildnummer: 389.Wie das männliche Leittier seiner Affenherde den Weg aufzeigt, so geht der König in jeder Situation, auch in Gefahr, seinem Volk voran.
Fledermäuse bzw. Flughunde
Fledermäuse/Flughunde (393) haben eine zweifache Bedeutung: Sie stehen sinnbildlich für Einheit und Zusammengehörigkeit, weil sie sich meistens in Kolonien aufhalten. So werden sie auch dargestellt, wie hier an diesem Thronhocker oder Thronstuhl (409).
Auch der König ist verantwortlich für die Einigkeit und den Zusammenhalt seines Volkes.
Bilderschau "[Folien 53-54]. Knöpfli-Bildnummern: 393, 409"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Wegen ihrer besonderen Eigenschaften gelten Fledermäuse als übernatürliche Kreaturen, die mit den Geheimnissen der spirituellen Welt vertraut sind – so auch der König, denn er ist von übernatürlicher, göttlicher Natur. Also erscheint man respektvoll vor dem König und redet ihn an mit ‚Seine Königliche Majestät' (320).
[Folie 55], Knöpfli-Bildnummer: 320.Der Frosch
Wegen seiner vielen Eier symbolisiert der Frosch (394) Fruchtbarkeit. Fruchtbarkeit wird auch vom König erwartet im Sinn von Fortdauer des königlichen Geschlechts und der Ethnie.
[Folie 56], Knöpfli-Bildnummer: 394.Das Chamäleon
[Folie 57], Knöpfli-Bildnummer: 402.Das Chamäleon (402) gilt als groteskes Reptil. Wer eines Chamäleons ansichtig wird, den beschleicht ein Unbehagen. Je nach Umgebung wechselt es seine Farbe. Das tut auch der König. Deshalb kann niemand den König wirklich kennen.
Das Chamäleon findet man v.a. auf Maskenaufsätzen und königlichen Gefäßen dargestellt.
Ahnenstatuen (616)
Nach althergebrachtem Glauben in diesem Teil Afrikas sind Ahnenstatuen Wohnsitze von Ahnengeistern.
[Folie 58], Knöpfli-Bildnummer: 616.Masken
Auch Masken sind inkarnierte Geistwesen. Sie präsentieren sich in anthropomorpher (652) oder animalischer (656) Gestalt. Ich unterscheide zwischen Hut-Maskenaufsatz (645) und Helm-Maskenaufsatz (644).
Bilderschau "[Folien 59-62]. Knöpfli-Bildnummern: 652, 656, 645, 644"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Was ich als Maske bezeichne, ist mehr als das geschnitzte Stück Holz, das ein Tänzer wie einen Hut oder Helm auf seinem Kopf trägt. Das geschnitzte Stück Holz nenne ich Maskenaufsatz. Mit dem Wort Maske bezeichne ich die Totalität (650) des sich bewegenden Wesens, also den geschnitzten Aufsatz, das Kostüm samt Zubehör wie Beinrasseln, Tanzstab, Tanzwedel und schließlich den Tänzer selber (641). All das zusammen ist die Maske. Die komplette Verhüllung aus pflanzlichen Materialien verbirgt den verkörperten Ahnengeist von Kopf bis Fuß. In der Graslandkultur ist die Maske das heiligste Medium spiritueller Mächte und Kräfte.
Bilderschau "[Folien 63-64]. Knöpfli-Bildnummern: 650, 641"
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Bildquelle: Hans Knöpfli, Heidi Zingg Knöpfli
Ein Kameruner mittleren Alters drückte es mir gegenüber so aus: In der Elefantenmaske erscheint ein mächtiger Ahn (559).
[Folie 65], Knöpfli-Bildnummer: 559.Fazit:
V.a. Ahnenfiguren und Masken sind und bleiben für mich ein Mysterium. In ihnen erfahre ich die geheimnisvolle spirituelle Welt der Ahnen. Einiges verstehe ich, anderes verstehe ich nicht. Übernatürliche Macht und magische Kräfte können nicht rational erklärt werden. In Kamerun lernte ich, mit Geheimnissen und Fragezeichen zu leben.
Einen Fehler machen wir dann, wenn wir gering achten oder ablehnen, was wir nicht verstehen, den Afrikanern aber heilig ist.
Fragen und Antworten nach dem Vortrag mit vielen zusätzlichen Details
Vortrag ZÜ-2009FT-07 Frühjahrstagung 2009 der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur in Zürich (Museum Rietberg), 28. bis 31. Mai 2009 - Kamerun und Nigeria - und Besuch der Museen in Genf und Burgdorf