Charles Wiener (1851-1914) war ein österreichisch-französischer Wissenschaftler, der im Jahr 1875 in Peru und Bolivien unterwegs war. In seinem Reisebericht finden sich mehrere Illustrationen mit falschen Angaben. Die Fotos, die als Vorlagen dienten, sind mindestens teilweise nicht von Charles Wiener, ohne dass dies im Text erwähnt wäre.
Anmerkung der Redaktion: Leider befinden sich in diesem Beitrag falsche Zuordnungen bzw. unvollständige Beschriftungen von Abbildungen. Wir haben sie wie gesehen aus Kunst und Kontext übernommen und nicht korrigiert.
Im Wachiperi-Beitrag dieser Zeitschrift ist erwähnt, dass ich ursprünglich diesen Kopfschmuck den Campa zugeordnet hatte. Denn im Buch von Wiener ist ein "Campa Mann" mit selbigem abgebildet (Wiener 1993, S.384). Der Forscher war etwa zwei Jahre nach der Latorre-Expedition in der Region, allerdings nicht im Tal von Paucartambo, sondern in dem benachbarten Tal von Santa Ana. Wer das Foto bei Göhring mit der Zeichnung bei Wiener vergleicht, stellt fest, dass eindeutig dieses Bild die Vorlage war. Außerdem sind im Buch zwei weitere Abbilungen: Ein "Campa im Festschmuck" und eine "Campa-Frau, etwa 18 Jahre alt", aus dem Foto zitiert (Wiener 1993, S.379). Legt man alle drei Einzelbilder nebeneinander, so ergibt sich das Gesamtbild "Wilde Chunchos aus Cuzco" (Abb.08 des Wachiperi-Beitrages), künstlerische Freiheiten in kleinen Details inbegriffen.
Der falschen Region zugeordnet ist bei Wiener auch die Landschaftsaufnahme "Rio Santa Ana, nahe bei Mainique, am Ende der Trockenzeit" (Wiener 1993, S.389). Hier wurde ein Foto des Paucartambo-Tales aus dem Göhring-Album der Latorre-Expedition verwendet (siehe Literatur Wachiperi-Beitrag).
Ein weiteres Foto im Album von Göhring ist auch zweimal in der Fotosammlung von Zollikofer enthalten (Am_Foto_Zollikofer_024+025). Dort mit verschiedenen Texten "Hütten der Wilden in Paucartambo" (024) und "Ort der Sirineyris am Rio Madre de Dios". Göhring bezieht sich in seinem Expeditionsbericht auf das Foto von "Hütten der Sirineyris" (Göhring 1873, S.108), was dann wohl zutreffend sein wird. Bei Wiener steht bei der entsprechenden Illustration: "Erste Siedlung der Chunchos des Stammes der Campa am linken Ufer des Flusses Santa Ana" (Übersetzung Autor, Wiener S.373).
Auch die unten abgebildeten Fotos der Zollikofer-Sammlung waren Vorbilder für Illustrationen bei Wiener. Weder der Fotograf, noch der Ort oder die gezeigten Personen sind bekannt. Möglicherweise stammen die Aufnahmen von dem peruanischen Fotografen Ricardo Villalba, denn auf einigen Zollikofer-Fotografien steht "Fotografo Ricardo Villaalba". Die beiden Männer auf den Bildern tragen im Unterlippenbereich einen markanten Lippenpflock, trotzdem war mir eine eindeutige Identifizierung der Ethnie nicht möglich.
Der linke Mann auf dem Zollikofer-Foto (Abb. 05a) ist bei Wiener auf S.383 rechts zu sehen und beschrieben als "Chuncho des Piro- Stammes", während der rechte Mann, bei Wiener S.386 rechts, als "Campa" bezeichnet wird. Der in der Mitte sitzende Mann auf Abbildung 06a ist bei Wiener auf Seite 385 links zu sehen und wird als "Piro" bezeichnet, während die beiden hockenden Jungen "Campa" sein sollen. Der links hockende Junge ist bei Wiener auf Seite 386 links und der rechts sitzende Junge auf Seite 387 abgebildet.
Bei dem "Campa im Tanzkostüm" (Wiener 1993, S. 385 rechts) handelt es sich meiner Auffassung nach um den Verteter eines Jivaro-Volkes.
Ob diese Plagiate und falschen Ethnienangaben seit Erscheinen der französischen Ausgabe im Jahr 1880 niemandem aufgefallen sind, konnte ich nicht mit letzter Sicherheit herausfinden. Empfehlenswert ist die Überprüfung aller Illustrationen im Wienerschen Buch.
Text: Andreas Schlothauer
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Fotogalerie PLAGIAT 2: ILLUSTRATIONEN BEI CHARLES WIENER
Kunst und Kontext 2/2012 (Ausgabe 04). Seiten 62-63. Anmerkung about-africa.de: Leider befinden sich in dieser Galerie falsche Zuordnungen bzw. unvollständige Beschriftungen von Abbildungen. Sie wurden wie gesehen aus Kunst und Kontext übernommen und nicht korrigiert.
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LITERATUR
- WIENER, CHARLES: PEROU ET BOLIVIE - RECIT DE VOYAGE. PARIS, 1880
- WIENER, CHARLES: PERU ET BOLIVIA - RELATO DE VIAJE. LIMA, 1993
Da mich interessierte, ob Klaus-Peter Kästner die Personen auf dem Foto (S.63) einem Volk zuordnen kann, habe ich ihm vorab Fotos geschickt. Hier seine Einschätzung per Mail vom 20. Juni 2012: "Die dargestellten Personen sollen Campa bzw. Piro sein. Auf den Fotos sind Lippenpflöcke zu erkennen, die im Ucayali-Becken (also auch bei Campa und Piro) nicht vorkommen. Hier gibt es nur Unterlippenlamellen. Lippenpflöcke trugen z. B. die Harakmbet (Mashco) im Gebiet des Rio Madre de Dios. In dem Buch La Selva y el Hombre (Lima 1959) von A. Villarejo sind Mashco abgebildet, von denen einige neben der typischen mehrfachen Perforation der Mundpartie mit eingesetzten Stacheln auch Anhänger im Nasenseptum und kurze Lippenpflöcke in der Unterlippe tragen. Auf einem Foto ist übrigens ein Manukiari-Mashco zu sehen, der außer dem oben beschriebenen Gesichtsschmuck eine vertikale Federkrone trägt, die vom Typ her der von Ihnen abgebildeten Huachipairi-Federkröne ähnelt. Dennoch glaube ich nicht, dass es sich bei den von Wiener abgebildeten Personen um Mashco (Harakmbet) handelt. Die auf den Fotos aus dem Zollikofer-Archiv abgebildeten Personen ähneln in ihrem Habitus sehr Indianern aus dem Gran Chaco. Koch-Grünberg schreibt, dass die Toba früher Lippenpflöcke trugen (Die Guaikurú-Stämme in Globus, 81, Braunschweig 1902, S. 75). Auf einer Abbildung (S. 72) sind drei Männer zu sehen, von denen zwei Unterlippenpflöcke tragen. Beide tragen auch eine Kopfbinde wie ein Mann auf dem Foto im Zollikofer-Archiv. Kurze Formen des Lippenpflocks mit Widerlager (tembetá) finden sich übrigens auch bei den Chiriguano und Chané (durch den Einfluss der ersteren) (siehe Menzel, B.: Deformierender Gesichtsschmuck südamerikanischer Naturvölker. In: Baessler-Archiv, N.F. V. Berlin 1957, S. 70). Ich denke, man sollte in Richtung Gran Chaco weiter recherchieren. Vielleicht kann man dann auch eine genauere ethnische Zuordnung vornehmen."
Vielen Dank an Dr. Andreas Schlothauer.