Auf der Suche nach der Herkunft der St. Galler Bronze-Platte erhielt ich von Sylvia Dolz (Afrika-Kuratorin Dresden) zwei weitere Karteikartenkopien von Benin-Köpfen, die sich ehemals in der Sammlung des Museums für Völkerkunde Dresden befanden. Der eine Kopf, die ehemalige Dresdener Nummer 16150, wurde im Jahre 1899 von A. Baessler für das Museum erworben (52, 8 cm hoch, 35 cm Durchmesser) und ging "im Tausch an Speyer Juli 1928". Diesen Kopf- Typus klassifiziert Luschan als "19. Große Köpfe aus Erz mit federförmigen Schmuck" und nennt im Jahr 1919 einen Gesamtbestand von 32 Stück. (Luschan 1919, S. 342 f ).
Dieser Kopf ist - so meine These - identisch mit dem Benin-Kopf (MP3636), der sich heute im Musée Picasso in Paris befindet. Er ist abgebildet in dem Buch Picasso und seine Sammlung (Seckel-Klein 1998, S. 245) und wurde mindestens fünfmal ausgestellt: Paris (1980), München (1998), Johannesburg (2006), Barcelona (2007), Brisbane (2008).
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Fotogalerie GEFUNDEN? - Picassos Benin Kopf, ehemals Dresden
Kunst und Kontext 2/2012 (Ausgabe 04). Seiten 66-67..
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Pablo Picasso erwarb den Kopf am 9. August 1944 in der Galerie Louis Carré für 350.000 Francs und gab als Gegenwert eines seiner Gemälde (Seckel-Klein 1998, S.334). Die Frage nach der europäischen Provenienz und damit der belegbaren Echtheit des Kopfes wurde bisher nicht gestellt. Der Name des Sammler-Eigentümers reichte. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht unbefriedigend.
Auf Anfrage nach weiteren Fotos im September 2012 bei Virginie Perdrisot (Conservatrice et Commissaire, Musée National Picasso) kam nur das bereits bekannte Bild aus Seckel-Klein. Auf der Dresdener Karteikarte ist der Kopf gezeichnet, die Perspektive ähnlich, aber nicht identisch. Da die Köpfe des Typs 19 oberhalb der Halskrause nicht sehr stark voneinander abweichen, finden sich die Unterscheidungsmerkmale auf der Plinthe. Es befinden sich insgesamt vier Tierfiguren frontal, jeweils seitlich und (nicht sichtbar) hinter dem Kopf sowie eine Beschädigung an der linken Seite der Plinthe. Die Besichtigung des Stückes in Paris war für September zu kurzfristig, denn das Museum ist derzeit wegen Renovierung geschlossen und die Objekte sind im Depot gesichert. Daher veröffentliche ich meine Vermutung, ohne den Kopf gesehen zu haben, in der Hoffnung, dass dies die weiteren Arbeitsmöglichkeiten erleichtert.
Der abgebildete Kopf im Ausstellungskatalog L'Art Nègre a l'Exposition du Palais des Beaux-Arts du 15 novembre au 31 décembre 1930 (Pl.41) ist identisch mit dem Dresdener Benin-Kopf, erkenntlich u.a. an den oben genannten Merkmalen. Die Ausstellung wurde organisiert von J. Maes (Conservateur de la Section ethnographique du Musée du Congo, Tervuren) und H. Lavachery (Docteur en Philosophie et Lettres). Die Sammlungsangaben waren: "Coll. Ch. Ratton, Paris". Da Arthur Speyer II. guten Kontakt zu Charles Ratton hatte, liegt dies nahe.
Im Jahre 1935 wurde der Kopf laut Wikipedia erneut abgebildet, im Katalog der Verkaufsausstellung L'Art Nègre - La Collection Capitaine Baud, organisiert durch die Pariser Société des Africanistes. Es wird auf eine handschriftliche Notiz im Katalog verwiesen, die auf dem Internet-Foto nicht lesbar ist. "Entsprechend handschriftlichem Vermerk von Claude Verité auf der Verkaufsausstellung 1935 gekauft. 1944 an Pablo Picasso weiterverkauft. Der Kopf steht heute im Museum." (http://de.wikipedia.org/wiki/Collection_Baud). Den Baud-Katalog habe ich bisher nicht in Papierform gefunden, ein Kontaktversuch mit der Autorin des Wikipedia-Beitrages war (noch) nicht erfolgreich. Ich bin also auf der Suche und für jede Hilfe dankbar.
Der Widerspruch, dass das eine Mal Verité (Wikipedia) und das andere Mal Carré (Seckel-Klein) als Verkäufer genannt werden, ist interessant und konnte ganz einfach durch eine Einsicht in das Louis Carré Archiv in Paris geklärt werden. Nach Prüfung der Akten am 14. September steht Carré als Veräußerer nahezu sicher fest, da der Kopf zumindest in den 1930iger Jahren Bestandteil der Sammlung von Louis Carré war. Auf mehreren Fotos des Stückes findet sich auf der Rückseite der Vermerk "Collection Louis Carré". Auf Fotos der Benin-Ausstellung im Trocadéro im Jahre 1932 ist der Kopf mit einem Elfenbein-Zahn zu sehen. In einem Artikel von Charles Ratton über diese Ausstellung "A propos d'une exposition du Benin" ist der Kopf abgebildet mit dem Vermerk "Coll. Louis Carré".
Eine genauere Auswertung des Archivs folgt, daher an dieser Stelle nur der Hinweis. Öffentlich zugänglich ist der Katalog der Galerie Knoedler and Company The Art of the Kingdom of Benin. Die Benin- Sammlung von Louis Carré war in New York vom 25. November bis zum 14. Dezember 1935 ausgestellt, und unter "7 Portrait of a King" ist der Benin-Kopf abgebildet. Erkennungsmerkmal sind unter anderem zwei kleine Rillen oberhalb der mittleren Schmucknarbe des linken Auges.
Vorschlag zur Korrektur der Sammlungsangaben im Musée Picasso
1899 | Arthur Baessler Schenkung an das Museum für Völkerkunde Dresden |
ab 1899 | Museum für Völkerkunde Dresden, alte Nummer 16150 |
Juli 1928 | Abgabe an Arthur Speyer II. |
1930 | ausgestellt in Paris und Brüssel, Sammlung Charles Ratton |
1932 | ausgestellt in Paris (Trocadéro), Sammlung Louis Carré |
1935 | ausgestellt in New York, Sammlung Louis Carré |
9.8.1944 | Erwerb durch Picasso in der Galerie Louis Carré |
Text: Andreas Schlothauer
Recherche: Audrey Peraldi, Andreas Schlothauer
Fotozitate: Andreas Schlothauer
ABGEBILDET
- LÉON, DESHAIRS: L'ART DES ORIGINES À NOS JOURS, V. II, S.422.
- LAVACHERY, H UND MAES, J.: L'ART NÈGRE, BRUXELLES-PARIS, 1930, PL.41
- KNOEDLER AND COMPANY: THE ART OF THE KINGDOM OF BENIN, NEW YORK, 1935
(DAS BUCH VON DESHAIRS KONNTE ICH BISHER NICHT PRÜFEN, DA ICH ES NICHT GEFUNDEN HABE.)
AUSGESTELLT
- L'ART NÈGRE, BRUXELLES-PARIS, 1930, PL.41
- L'ART DU BENIN, MUSÉE DU TROCADÉRO, PARIS, 1932, NO 62.
- THE ART OF THE KINGDOM OF BENIN, GALERIES OF M. KNOEDLER AND COMPANY, NEW YORK, 1935, NO. 7
LITERATUR
- KNOEDLER AND COMPANY: THE ART OF THE KINGDOM OF BENIN, NEW YORK, 1935
- LAVACHERY, H. UND MAES, J.: L'ART NÈGRE, PARIS UND BRÜSSEL, 1930
- SECKEL-KLEIN, HÉLÈNE: PICASSO UND SEINE SAMMLUNG, MÜNCHEN, 1998
- ARCHIV LOUIS CARRÉ, PARIS
Vielen Dank an Dr. Andreas Schlothauer und Audrey Peraldi und Dipl. Ethnologin Sylvia Dolz.