Kunst&Kontext - Ausgabe 07 2014
Vorab
Das Titelbild zeigt zwei Figuren aus dem Bestand des Ethnologischen Museums Berlin, die eines gemeinsam haben: sie werden nicht ausgestellt, nicht öffentlich gewürdigt und verstauben zu Unrecht seit mehr als 100 Jahren im Museumsdepot. Teilen somit das Schicksal tausender außereuropäischer Kunstwerke in deutschen Völkerkundemuseen.
Warum?
Weil Museen sehr selten die öffentliche Diskussion ihrer Depotbestände ermöglichen. Was die jeweiligen Museumskuratoren und Direktorinnen nicht auswählen, bleibt unentdeckt. Viel zu wenige (meist EthnologInnen) haben Zugang zu den Depots. Viel zu wenig ist mit Foto im Internet zu sehen. Viel zu gering ist die Bereitschaft zur öffentlichen Diskussion von Objekten. Die Entdeckung seltener und besonderer Stücke ist dadurch unnötig erschwert. Diese ,Demokratisierung der Sammlungen' war und ist ein Hauptanliegen des Pariser Projektes Musée du quai Branly. Geeignete Rahmenbedingungen wurden geschaffen. Das Berliner Humboldt-Forum verfolgt dieses Ziel nicht. Es wird daher im europäischen und weltweiten Vergleich scheitern. Wer nur eine bombastische Eröffnungsausstellung planen kann, hat von der Vielfalt der Kulturen nichts verstanden, denn er fördert und nutzt nicht einmal im eigenen Land die Vielfalt der Meinungen.
Die "Erschliessung & Erforschung", die "Konservierung & Restaurierung", die "Infrastruktur & Logistik" von Sammlungen zu unterstützen sind Ziele von "Kunst auf Lager", einem Bündnis von zwölf privaten und öffentlichen Stiftungen (www.kunst-auf-lager.de). Initiiert im Sommer 2012 von der Hermann Reemtsma Stiftung und der Kulturstiftung der Länder. Ein möglicher Partner nicht nur für das Humboldt-Forum, sondern für alle deutschen Völkerkundemuseen, um endlich die Digitalisierung der Sammlungen öffentlich voranzutreiben.
Wer die ästhetische Qualität von Kunstwerken diskutiert, sollte auch in seiner Argumentaton ein entsprechendes Niveau wählen. Dies zeigt der Artikel von Mark Johnson zu einer Figur der Dayak (Borneo) und dem typischen Mobbing, das leider noch immer von viel zu vielen Händlern und Sammlern bevorzugt wird. Das Weitertragen von Gerüchten und Parolen. Nicht hinterfragt und nicht der Ansatz einer Beweisführung. Wer ein Kunstwerk kritisiert, muss dies nicht im Detail begründen? Wer es verteidigt, jedoch schon? Gerade Händler reden viel zu oft so, als wären sie elitär Wissende, wo doch ein bescheidenes Urteil reichen würde. Wer Beweise einfordert, erfährt meist nur: "Ich habe zehntausende Stücke gesehen und in der Hand gehabt, ich sehe das." Wer so viel gesehen und angefasst hat, der sollte auch nachvollziehbar erklären können. So wie es Johnson in seinem Artikel vormacht.
In der nächsten Ausgabe mehr zu den beiden Figuren des Titelbildes. Diesmal reicht es die Neugier zu wecken und so das Interesse auf die beiden Stücke zu richten.
Andreas Schlothauer