GO-2008HT-20
Herbsttagung 2008 der Vereinigung der Freunde Afrikanischer Kultur in Göttingen (Institut für Ethnologie und Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität), 24. bis 26. Oktober 2008 - Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln - Begegnung von Universität, Museum, Sammler, Händler
Hans Rielau während seines Vortrags bei der Göttinger Oktobertagung 2008.
Das Sammeln afrikanischer Kunst ist eine Herausforderung an Instinkt, Intuition und Intelligenz. Es sind insgesamt sieben Problemfelder zu durchqueren.
Wahrnehmung optisch und haptisch,
Beschreibung,
Zuschreibung nach Stil und Typ,
Kontext,
Authentizität,
Ästhetik,
Marktbewertung.
Das Problemfeld Authentizität ist wohl das schwierigste.
In einem Anfall bodenlosen Leichtsinns habe ich mich bereit erklärt, hierzu kurz vorzutragen.
An den Anfang gehört eine Begriffsklärung. Es gibt nämlich verschiedene Definitionen von Authentizität. Für mich ist ein Objekt dann authentisch, wenn es in Afrika stammestypisch für den Kult oder das Alltagsleben hergestellt und danach in Kult oder Alltag gebraucht worden ist.
Das erste Stück meiner Afrikasammlung erwarb ich im Jahre 1972. Es war eine 61 Zentimeter hohe Figur der Senufo. Elsy Leuzinger hatte den dargestellten Typus immer sehr ironisch als "Frau auf Sesselchen" bezeichnet. Derartige Figuren waren als Siegerprämien bei Ackerbau-Wettbewerben ausgesetzt.
Es war eine exzellente Schnitzarbeit. Vor dem Scheitelkamm hatte die Figur die typische geknickte Stirnlocke, die nach der Mythologie der Senufo als Symbol des Nashornvogels gilt. Erst in den Folgejahren und mit wachsendem Wissen und Fingerspitzengefühl dämmerte mir, dass ich eine Fälschung erworben hatte. Die Patina war unecht. Im Jahr 1979 gab ich die Figur bei einer Galerie in Zahlung.
Diese Erfahrung und noch drei weitere gleicher Art veranlassten mich zu intensiver Beschäftigung mit dem Thema Fälschung.
In Diskussionen mit Händlern, Museumsleuten und anderen Sammlern lernte ich zunächst Grundsätzliches: Bei Figuren müssen deutliche Gebrauchsspuren an den Außenflächen und Außenkanten z sehen sein. Bei Masken gilt dasselbe für ihre Rückseite. Außerdem sollten bei Masken, sofern aus weicherem Holz geschnitzt, die Bohrlöcher schnur- und fadengerecht ausgeschliffen sein.
Das Alles lernt man schnell. Aber dieses Wissen ist leider nicht ausreichend, um sich vor dem Erwerb von Fälschungen zu schützen. Über dieses Wissen verfügen nämlich auch die Fälscher und deren Auftraggeber. Es gibt interessante Literatur hierüber.
Aufschlussreich für mich war das von Ulrich Klever verfasste "Handbuch der afrikanischen Kunst". Er schildert dort eine besonders raffinierte Methode der Senufo-Fälscher. Danach werden mehrere neu geschnitzte Figuren zusammen mit einer Menge ölgetränkter Lappen in einen Sack eingenäht und dieser wird sodann in einen Ziegenstall aufgehängt. Dieser Sack wird dort von den Tieren bei ihren natürlichen Bewegungen hin- und hergestoßen. Die Figuren werden dabei schön rund und blank gerieben. Und, oh Wunder, die Benutzungsspuren sitzen genau an den richtigen Stellen.
In einem Aufsatz von Hans Himmelheber habe ich gelesen, dass er bei den Senufo und bei den nördlichen Dan-Spezialisten bei der Arbeit beobachtet hat. Diese Spezialisten widmeten sich ausschließlich der Behandlung von Maskenrückseiten. Man kann getrost davon ausgehen, dass diese berufsmäßigen Patineure sehr genau wissen, wo und wie man dort Tragespuren zu platzieren hat.
Aus diesen und vielen anderen Schilderungen folgt für mich, dass seit etwa 1960 die Profifälscher in Afrika perfekt arbeiten. Entsprechend gibt es seither für mich, was Authentizität angeht, nicht mehr zwei sondern drei Feststellungskriterien. Ich zähle sie auf:
eindeutig echt,
eindeutig falsch,
bleibt unsicher und zweifelhaft, auch für den erfahrenen Sammler.
Selbstverständlich sind Fälschungen schärfstens zu missbilligen. Sie fügen Sammlern, insbesondere in den Anfangsjahren des Sammelns, erheblichen finanziellen Schaden zu. Nicht wenige junge Sammler geben entnervt auf, nachdem sie die Problematik begriffen und die erworbenen Falsifikate entlarvt haben.
Bei einer Gesamtschau sollten jedoch zwei positive Aspekte dieser Erscheinung nicht übersehen werden. Fälschungen erhöhen den Reiz des Sammelns, indem sie dieses anspruchsvoller machen durch das Erfordernis kriminalistischen Gespürs. Der Authentizität einer Maske nachzuspüren kann deutlich reizvoller sein als das Anschauen eines Tatort-Films im Fernsehen. Der andere Aspekt ist globaler Natur. Im überwiegend armen Afrika ernähren Fälschungen zahlreiche Handwerker und Händler mitsamt ihren Familien. Es wird somit, ungewollt, Entwicklungshilfe gewährt.
Vielen Dank an Hans Rielau ! !